Bäume im Klimawandel Den Ginkgo juckt die Dürre nicht
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07. November 2022, 10:22 Uhr
Hitze hin, Trockenheit her: Was juckt es den Ginkgo? Ist der Ginkgo vielleicht sogar die Eiche oder Buche von morgen in Deutschlands Wäldern? Der Baum aus Fernost ist erstaunlich resistent – aber warum eigentlich?
Hat der Ginkgo das Zeug dazu, die neue deutsche Buche zu werden? Denn die kommt mit der Hitze und Trockenheit nicht besonders gut klar. Der Ginkgo hingegen gedeiht, er lässt sich auch von der Klimaerwärmung nicht beeindrucken.
In Jena am Fürstengraben beispielsweise steht so ein Exemplar, vor etwa 200 Jahren gepflanzt zu Goethes Zeiten, als noch Kutschen am ihm vorbei ruckelten. Heute donnern auf einer Bundesstraße Autos vorüber, Abgasluft umgibt den Baum. Sein Durchmesser am Stamm: 150 Zentimeter, er ist fast so hoch wie ein Haus mit vier Etagen und älter als jeder Mensch. Stefan Arndt ist wissenschaftlicher Leiter des Botanischen Gartens in Jena. Für ihn ist dieser Baum eher ein junger Hüpfer: "Mit etwas über 200 Jahren ist er überhaupt kein altes Exemplar. Manche Exemplare, die es in China gibt, sind über 1.000 Jahre alt."
Was macht den Ginkgo anders als die Buche und Eiche?
Ebenso wie von den Dinosauriern, gibt es auch vom Ginkgo über 200 Millionen Jahre alte Funde. Eine lange Zeit, findet Stefan Arndt, und insofern verblüffend, weil sich die Bäume also über 1.000 Jahre morphologisch kaum verändert haben. Und das Besondere: Der Ginkgo hat hier keine Fraßfeinde. Borkenkäfer, Eichenprozessionsspinner, Blattläuse, Kastanienminiermotte – beim Ginkgo haben die kleinen Plagegeister keine Chance. Offensichtlich können sie mit den Blättern nichts anfangen. Man könnte fast meinen, es handele sich bei den glatten, strukturlosen dicken Blättern ohne Insektenfraß sogar um künstliche Blätter. Tatsächlich ist der Ginkgo die einzige Baumart in der einzigen Familie in der einzigen Ordnung der Ginkgo-Gewächse.
Unerschütterlich sogar nach Atomschlag: Der Ginkgo
Waldkökologe und Forscher Andreas Roloff vermutet, dass ein Baum, der 200 Millionen Jahre ohne deutliche Veränderungen überlebt hat, alle Klimakapriolen aushalten kann, denn sonst gäbe es ihn nicht mehr. Andreas Roloff verdeutlicht das: "Hiroshima hat ihn nicht geschockt. Bei der Atombombe ist der Ginkgo der erste und einzige Baum gewesen, der ganz kurz danach schon wieder ausgetrieben hat." Er wächst in Straßenschluchten, wo die Belastung durch Luftschadstoffe ziemlich hoch ist, und kommt eben auch mit Trockenheit und Hitze gut klar. Roloff sagt, er selbst habe einen über 3.000 Jahre alten Baum in China gesehen: " 3.500 Jahre, mit 18 Meter Stammumfang. Der wird bewacht von der Polizei in China, damit diesem Baum nichts passiert."
Und unsere Eichen und Linden? Die werden doch auch ziemlich alt? Je nachdem, welchen Alters-Maßstab man anlegt. Sie schaffen nämlich nicht mal ein Drittel des alten Ginkgo in China. Ein Grund für dessen Durchhaltevermögen könnte sein Wasserleitsystem sein. Das nämlich ist sehr langsam. Einige Laubbäume schaffen 50 Meter pro Stunde. Der Ginkgo braucht mehrere Tage, um das Wasser von den Wurzeln in die Kronen zu transportieren, wie Forstwissenschaftler Andreas Roloff erläutert: "Das ist eine Absicherung, die sich in Trockenzeiten auszahlt." Allerdings gibt es einen Nachteil, weiß der Experte: "Bäume, die das Wasser langsamer leiten, wachsen auch langsamer, weil sie weniger Wasser zur Verfügung haben."
Warum der Ginkgo nicht Gingko heißt
Übrigens, wer es nicht auf dem Schirm hat: Der Ginkgo schreibt sich mit k vor dem g in der Wortmitte. Stefan Arndt vom Botanischen Garten in Jena sagt, das sei ein Schreibfehler, der jetzt in allen Registern so eingetragen sei und damit nicht mehr korrigierbar ist. Und er hat noch eine Besonderheit. Der Ginkgo ist diözisch, das bedeutet, dass es männliche und weibliche Bäume gibt. Der Goethe-Ginkgo in Jena ist männlich. Ihm wurde aber ein weiblicher Ast aufgepfropft, so dass er sich selbst befruchten kann. Auch Goethe, der universalgelehrte Dichter, muss das schon gewusst haben – oder wie würden Sie sein Gedicht auf den Ginko-Baum in Jena interpretieren? So schrieb der Dichter nämlich: "Dieses Baumes Blatt, der von Osten meinem Garten anvertraut, gibt geheimen Sinn zu kosten, wie's den Wissenden erbaut. Ist es ein lebendig Wesen, dass sich in sich selbst getrennt? Sind es zwei, die sich erlesen, dass man sie als eines kennt? Solche Fragen zu erwidern, fand ich wohl den rechten Sinn, fühlst du nicht an meinen Liedern, dass ich eins und doppelt bin."
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