Urteile der Woche Pensionen dürfen sehbehinderte Menschen nicht abweisen
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15. Februar 2025, 10:02 Uhr
Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.
Pension darf sehbehinderte Frau nicht abweisen
Landgericht Meiningen (Az. 4 572/24)
Selina Seliger* reserviert für vier Nächte ein Zimmer in einer Pension. Sie erhält das letzte verfügbare Zimmer im Dachgeschoss. Ihre Sehbehinderung erwähnt sie am Telefon nicht. Die nimmt die Pensionsbetreiberin erst am Tag der Anreise zur Kenntnis und verweigert Frau Seliger den Zutritt zu dem Pensionszimmer. Da es keinen Aufzug gebe, sei der Weg zum Zimmer viel zu gefährlich. Die Reisende ist gezwungen, sich in einem anderen Hotel ein weitaus teureres Zimmer zu nehmen.
Vor Gericht fordert Frau Seliger den Differenzbetrag von der Pension zurück. Den zahlt diese auch. Die Sehbehinderte geht aber noch weiter und will eine Entschädigung dafür erkämpfen, dass ihr als blinde Person der Zutritt zur Pension verwehrt wurde. Die Klage wird am Amtsgericht zunächst abgewiesen.
Im Berufungsverfahren am Landgericht Meiningen erhält die Frau Rückendeckung: "Einer blinden Frau, welcher der Zutritt zu einer gebuchten Pension aufgrund ihrer Sehbehinderung verwehrt wird, steht ein Entschädigungsanspruch gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu. Im Unterschied zur Wohnraumvermietung, wo Vermieter eine Prüfung des Vertragspartners vornehmen, handelt es sich bei der Vermietung von Hotelzimmern lediglich um Dienstleistungsverträge über einen kurzen Zeitraum in Form von Massengeschäften." Die Pension muss der sehbehinderten Frau 1.200 Euro Entschädigung zahlen.
Kein Krankengeld bei Krankmeldung noch vor Arbeitsantritt
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Az. L 16 KR 61/24)
Baldur Baldauf war lange arbeitslos. Nun tritt er bald einen neuen Job als Lagerist bei einem Reinigungsunternehmen an. Schon mit dem ersten Arbeitstag meldet sich Herr Baldauf allerdings krank. Zwei Wochen später, noch in der Probezeit, erhält der 36-Jährige die Kündigung. Auch Geld sieht er nicht. Seine Krankenkasse lehnt die Zahlung von Krankengeld ab und erklärt: Es habe kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden, weil der Mann kein Einkommen erzielt habe.
Baldur Baldauf verklagt das Reinigungsunternehmen mit der Aufforderung, ihn ab dem Beginn des Arbeitsvertrags zur Sozialversicherung anzumelden. Durch den Arbeitsvertrag sei schließlich ein Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen.
Die Richter am Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen sehen das anders: "Der Arbeitgeber muss den Angestellten nicht zur Sozialversicherung anmelden, da ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht schon mit dem Beginn des Arbeitsvertrags entstanden ist. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entsteht bei neuen Arbeitsverhältnissen generell erst nach einer vierwöchigen Wartezeit." Der Arbeitnehmer bekommt kein Geld.
Keine Erstattung der Kopierkosten für 7.000-seitige Akte
Oberlandesgericht Nürnberg (Az. Ws 649/24)
Stanislaus Stapler ist Rechtsanwalt. Er soll einen Mandanten als Pflichtverteidiger vertreten und erhält dafür dessen vollständige Akte in digitaler Form. Da Herr Stapler aber nicht über einen Laptop verfügt, druckt er die insgesamt 7.000 Seiten der Akte komplett aus. Es entstehen Kopierkosten in Höhe von 1.870 Euro, die sich der Rechtsanwalt von seiner Geschäftsstelle, dem Landgericht in Weiden, zurückholen will. Herr Stapler geht zunächst leer aus und bringt die Sache vor Gericht.
Letztlich entscheidet das Oberlandesgericht Nürnberg in dem Fall wie folgt: "Der Ausdruck der 7.000 Seiten war zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache nicht erforderlich. Der Einwand des Verteidigers, nicht über einen Laptop zu verfügen, greift nicht durch. Rechtsanwälte sind verpflichtet, die für ihre Berufsausübung erforderliche technische Ausstattung vorzuhalten." Der Rechtsanwalt bleibt auf den Kosten sitzen.
*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 15. Februar 2025 | 08:23 Uhr