Eine Bronzestatue der römischen Göttin Justitia mit Waage und Richtschwert in der Hand
Justitia gilt als Symbol der Gerechtigkeit. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arne Dedert

Urteile der Woche Vor Immobilienverkauf müssen alle relevanten Fakten auf den Tisch

23. September 2023, 05:00 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.


Immobilienverkäufer müssen Käufer über alle relevanten Fakten informieren

Bundesgerichtshof (Az. V ZR 77/22)

Wer eine Immobilie kauft, möchte wissen welche Kosten auf einen zukommen. Dabei geht es nicht nur um den Kaufpreis allein, sondern auch alle weiteren Kosten – wie die einer notwendigen Sanierung. Doch wie weit gehen da die Aufklärungspflichten des Verkäufers?

Im konkreten Fall hat die Firma Wiesenbach mehrere Gewerbeeinheiten in einem großen Gebäudekomplex für mehr als 1,5 Millionen Euro gekauft. Sie fühlt sich arglistig getäuscht, weil sie zu spät erfährt, dass hohe Kosten für die Instandhaltung auf sie zukommen. Die Firma wirft dem Verkäufer vor, sie nicht ausreichend aufgeklärt zu haben. Der Verkäufer jedoch gibt an, er habe drei Tage vor Vertragsabschluss das Protokoll einer wichtigen Eigentümerversammlung in einen digitalen Datenraum gestellt. Dort hätte man ja alles nachlesen können.

Doch dem Bundesgerichtshof reichte das nicht: "Immobilienverkäufer müssen potenzielle Käufer über alle relevante Fakten informieren. Dazu gehört es auch, gezielt auf anstehende Sanierungskosten hinzuweisen. Das gilt auch für Fälle, in denen Unterlagen in einem virtuellen Datenraum eingestellt werden. Die Pflicht zur Aufklärung kann nur dann entfallen, wenn bei einer Besichtigung dem Käufer die Mängel ins Auge springen oder im Zusammenhang mit Mängeln ein Sachverständigengutachten überreicht wird."

Das Protokoll lediglich in einen Datenraum zu stellen, war also nicht ausreichend.


Für Bürgergeld keine ununterbrochene Behördenmeldung nötig

Bundessozialgericht (AZ: B 4 AS 8/22 R)

EU-Bürger erhalten kein Bürgergeld, wenn sie sich allein zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten. Anders sieht es aus, wenn sie erwerbstätig oder selbstständig waren oder seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet wohnen. Bartoz Barczik kommt aus Polen, lebt aber seit 2009 in Deutschland. Der zuletzt wohnsitzlose Mann hat sich früher zwar mal behördlich gemeldet. Doch Umzüge hatte er dann aber nicht mehr mitgeteilt. Nun will er beim Jobcenter Bürgergeld beantragen. Die Behörde lehnt ab. Der Mann suche Arbeit in Deutschland, lautet die Begründung. Dann gebe es kein Geld. Der fünfjährige Aufenthalt könne nicht lückenlos nachgewiesen werden.

Das sei auch nicht erforderlich, entschied das Bundessozialgericht: "Wohnsitzlose EU-Bürger müssen sich für einen Anspruch auf Bürgergeld nicht ununterbrochen bei den Meldebehörden melden. Es reicht aus, dass sie sich einmal in Deutschland angemeldet haben und sie dann mindestens fünf Jahre ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben."

Folglich bekommt Herr Barczik das Bürgergeld zugewiesen.


Kündigung wegen sexueller Belästigung einer Kollegin zulässig

Arbeitsgericht Berlin (Az: 22 Ca 1097/23)

Siegfried Sielmann ist seit 19 Jahren bei einer Bundesbehörde beschäftigt. Eine seiner Kolleginnen klagt eines Tages über Rückenschmerzen. Herr Sielmann bietet der Kollegin an, ihren Rücken unter der Kleidung abzutasten und so den Ort der Schmerzen zu lokalisieren. Vor Gericht schildert die Kollegin dann aber Folgendes: Der Mann habe ohne ihr Einverständnis seine Hände unter den geöffneten BH geschoben und auf ihre unbekleideten Brüste gelegt. Herr Sielmann jedoch gibt an, er habe die Brüste unbeabsichtigt gestreift. Dennoch wird er fristlos gekündigt.

Das Arbeitsgericht in Berlin bewertete den Fall wie folgt: "Die Aussage des Mannes, es habe sich lediglich um ein unbeabsichtigtes Streifen der Brüste gehandelt, muss hier als Schutzbehauptung angesehen werden. Die Schilderung eines sexuellen Übergriffs der Kollegin ist hingegen glaubwürdig. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Frau den Mann hier zu Unrecht bezichtigen wollte."

Weil es sich laut Gericht um eine schwere Pflichtverletzung handelte, war die Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zulässig.

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 23. September 2023 | 08:17 Uhr

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