Ende des Nebenkostenprivilegs Kabelfernsehen: Verbraucherzentrale warnt vor Haustürgeschäften
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28. Juni 2024, 19:43 Uhr
Wenn ab Juli das Nebenkostenprivileg entfällt, können Kabelfernsehanschlüsse nicht mehr über die Nebenkosten abgerechnet werden. Wer dann weiterhin Kabelfernsehen schauen möchte, muss sich selbst um einen Vertrag kümmern. Teilweise sind auch sogenannte Medienberater unterwegs. Sie klingeln an Haustüren und versuchen, Verträge direkt abzuschließen. Wir haben mit den mitteldeutschen Verbraucherzentralen über den Wegfall des Nebenkostenprivilegs und über Haustürgeschäfte gesprochen.
Ab Juli entfällt das sogenannte Nebenkostenprivileg. Bei diesem handelte es sich per Gesetz um die Möglichkeit, dass der Kabelfernsehanschluss direkt über die Nebenkosten abgerechnet wurde. Das kann dann so nicht mehr erfolgen. Kunden, bei denen das bisher der Fall war und die weiterhin Kabelfernsehen schauen möchten, müssen sich um einen eigenen Vertrag mit einem Anbieter kümmern.
Die Änderung bringt Folgen mit sich: So überlässt sie nun den Verbrauchern die Wahl. "Insbesondere die junge Generation Mieter sieht darin vielmehr die Möglichkeit, vom analogen Fernsehen Abstand nehmen zu können", erläutert Simone Meisel, Referentin für Recht der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt.
Als weitere Folge wirft die Änderung auch Fragen bei Verbrauchern auf. "Wir haben seit Januar circa 40 Beratungen zum Thema Nebenkostenprivileg durchgeführt. Im vergangenen Jahr waren es ab Mitte 2023 circa doppelt so viel", sagt Claudia Neumerkel von der Verbraucherzentrale Sachsen.
Kaum Beschwerden über Medienberater verzeichnet
Der ein oder andere Verbraucher sieht sich auch konfrontiert mit einem Medienberater, der an der Haustür klingelt und einen neuen Vertrag verkaufen will. "Die sogenannten Medienberater sind freiberufliche Verkäufer, die im Auftrag eines Kabelnetzbetreibers unterwegs sind und auf Provisionsbasis bezahlt werden", erklärt Stefan Eisentraut von der Verbraucherzentrale Thüringen auf Anfrage der Redaktion Wirtschaft und Ratgeber. Konkrete Zahlen, wie viele Medienberater derzeit unterwegs sind, liegen der Verbraucherzentrale allerdings nicht vor. "Es gibt bei uns nur punktuell Beschwerden dazu", erläutert er weiter.
In Sachsen-Anhalt wurden keine Beschwerden verzeichnet. "Das Ganze ist relativ 'geräuschlos' abgelaufen", sagt Simone Meisel. Und in Sachsen gab es zwar Beratungen, aber mit einem anderen Hintergrund. "In keinem der Fälle war von einem 'Haustürgeschäft' die Rede", antwortet Claudia Neumerkel auf Anfrage des MDR.
Vorsicht bei Geschäften an der Haustür
Auch wenn die Zahlen zu Beschwerden über Medienberatern gering ausfallen, sollte man dennoch vorsichtig sein, wenn jemand etwas an der Haustür verkaufen möchte. "Wichtig ist uns der Hinweis: Lassen Sie niemanden in die Wohnung – auch die unangekündigte 'Überprüfung' des Kabelanschlusses wird meist nur als Vorwand zum Abschluss neuer Verträge genutzt. Lassen Sie sich nicht überrumpeln und unterschreiben Sie nichts an der Haustür!", sagt Stefan Eisentraut.
Zudem weist er darauf hin: "Außerdem sollte ich prüfen, ob mein Kabelanschluss tatsächlich über die Betriebskostenabrechnung meines Vermieters abgerechnet wird oder ob ich vielleicht doch selbst einen Vertrag direkt mit dem Unternehmen abgeschlossen habe. Dann wäre das Thema Nebenkostenprivileg gar nicht relevant für mich."
Worauf sollte man bei einem Vertragsangebot (an der Haustür) achten?
Die Verbraucherzentrale Sachsen gibt folgende Tipps im Umgang mit Vertragsangeboten und -abschlüssen.
Vorsorgliche Tipps:
"- Lassen Sie sich nicht überrumpeln und unterschreiben Sie nichts an der Haustür!
- Fragen Sie nach dem Dienstausweis der Vertreter und notieren Sie sich den Namen und ggf. die Kontaktdaten.
- Lassen Sie sich nicht einschüchtern!
- Erteilen Sie – falls notwendig – den Verkäufern Hausverbot.
- Bei unerwünschten Werbeanrufen: Sagen Sie niemals 'ja'– legen Sie im Zweifelsfall einfach auf – auch wenn es Ihnen unhöflich erscheint."
Wenn bereits ein Vertrag unterschrieben wurde, kann auch im Nachhinein noch reagiert werden:
"- Widerrufen sie den untergeschobenen, behaupteten oder den durch die Drucksituation abgeschlossenen Vertrag innerhalb von 14 Tagen, per Brief und via Einwurfeinschreiben.
- Ein Widerruf ist nur bei einem sogenannten Haustürgeschäft (Außergeschäftsraumvertrag) oder einem Fernabsatzgeschäft telefonisch, schriftlich/postalisch oder online möglich.
- Sprechen sie bei Zweifeln mit Verwandten oder Nachbarn, tauschen sie sich dazu aus. Nur keine falsche Scham."
Zudem weist die Verbraucherzentrale Sachsen daraufhin: "Verträge, welche im Shop abgeschlossen wurden, sind nicht widerrufbar! Daher ist hier besondere Vorsicht geboten. Unterschreiben sie nichts, was sie nicht verstehen oder nicht gelesen haben. Lassen sie sich ausreichend Zeit und nehmen sie die Vertragsunterlagen mit nach Hause, um dort alles lesen zu können, bevor sie unterschreiben."
Wer doch einmal einen Vertrag ungewollt an der Haustür abgeschlossen hat, kann diesen widerrufen. "Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage ab Vertragsschluss unter der Voraussetzung, dass seitens des Anbieters rechtskonform über das Widerrufsrecht belehrt wurde. Ist das nicht der Fall gewesen, dann erlischt das Widerrufsrecht erst spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss. Ein Vertrag, der durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung zustande gekommen ist, kann angefochten werden. Die Anfechtung muss grundsätzlich innerhalb der Jahresfrist erfolgen. Bevor ein Verbraucher diesen Weg geht, sollte er sich allerdings vorab möglichst Rechtsrat einholen und insbesondere das Prozessrisiko bewerten lassen. Ansprechpartner sind die Verbraucherzentralen und Rechtsanwälte nach freier Wahl", erläutert Simone Meisel von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt.
Laut Simone Meisel kann eine Rechtsschutzversicherung in einem solchen Fall helfen. "Allerdings steht die Frage im Raum, was hat der Verbraucher über die Rechtsschutzversicherung abgesichert? Meist wird Verkehrsrechtsschutz abgesichert, alles andere eher nicht. Hier wäre Rechtsschutz in Zivilrechtssachen angesagt, das haben die wenigsten", erläutert sie. Aus diesem Grund sei es wichtig, dass die Rechtsschutzversicherung vor Beauftragung eines Rechtsanwaltes zum Deckungsschutz angefragt wird. "Erfolgt keine Deckungszusage, muss der Verbraucher die Kosten (Gerichts-, Rechtsanwaltskosten) im Vorgriff tragen. Erst mit Endurteil wird seitens des Gerichts die Kostenfrage entschieden", sagt sie.
Alternativen zum Kabelfernsehanschluss
Der Wegfall des Nebenkostenprivilegs bietet auch die Möglichkeit, sich ganz vom Kabelfernsehen zu verabschieden. Andere Empfangsmöglichkeiten sind:
- Satellit (zum Beispiel DVB-S2)
- Antenne (zum Beispiel DVB-T2 HD)
- Internet (Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Internetverbindung stark und schnell genug ist, um ohne Aussetzer schauen zu können)
MDR (jvo)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 29. Mai 2024 | 21:45 Uhr