Der Redakteur | 11.11.2024 Auswandern: Aber wohin und was sollte man dabei beachten?
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11. November 2024, 19:13 Uhr
Die politische Lage in Deutschland und das trübe Novemberwetter wecken in so manch einem den Traum vom Auswandern. Wer aber ernsthaft mit dem Gedanken spielt, sollte Einiges beachten, um in der neuen Heimat gut anzukommen.
Nur 17 Prozent der Auswanderer gaben 2018/2019 in einer Erhebung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung an, aus Unzufriedenheit über das Leben in Deutschland auszuwandern. Fast genauso viele, nämlich 15 Prozent ehemaliger Auswanderer, waren mit der neuen Heimat unzufrieden und kehrten zurück. Die Hauptgründe für das Auswandern sind andere, wenngleich die Datenlage nur unzureichend ist.
Gab es 2016 die große Flucht aus Deutschland?
Der Blick auf die Jahresvergleichskurve offenbart eine Verdopplung der Auswandererzahlen 2016. Das liegt aber nur daran, dass zuvor die Menschen, die kein Zielland angegeben hatten, in der Statistik nicht erfasst wurde. Das schiefe Bild wurde damals korrigiert. Aktuelle Zahlen über Auswanderungsgründe gibt es nicht. Nur die von 2019.
Die Gründe damals waren der Beruf mit 58 Prozent (40 Prozent bei den Rückkehrern), der Lebensstil, wozu auch das Wetter gehört, war für 45 Prozent ausschlaggebend, während die Rückkehrer nur zu 22 Prozent auch diesen Grund ankreuzten.
Mehrfachnennungen waren möglich. Interessant ist: Während 21 Prozent der Auswanderer aus familiären Gründen auswanderten, kamen stolze 40 Prozent der Rückkehrer aus diesen Gründen zurück. Offensichtlich ist die Sehnsucht nach den Lieben daheim sehr groß, auch wenn im Paradies öfter die Sonne scheint.
Wo kann ich mich informieren?
Eine sehr umfangreiche Informationsquelle ist tatsächlich das Auswärtige Amt. Die Internetseite hält wirklich für jedes Land Informationen bereit, die fast alle Bereiche des Lebens abdecken, auch wenn sie in erster Linie für Besuchsreisen gedacht sind. Gerade dann, wenn es etwas exotischer werden soll, ist es hilfreich, die größten Klippen zu kennen, bevor man lossegelt. Auch der Verein Deutsche im Ausland (DIA) hält umfangreiches Informationsmaterial bereit.
Das geht mit den Einreisebestimmungen los, weiter über die Sicherheitslage, die Impfempfehlungen und die hygienische Situation auch bezüglich des Wassers. Wir dürfen nämlich nicht vergessen: Was das Immunsystem der Einheimischen noch wegdrückt, macht uns vielleicht Beschwerden. Auch bewegen wir uns als dann Zugewanderte nicht mehr im geschützten Raum einer Hotelanlage, sondern im realen Leben.
Ungewohnte Standards können da schnell zum Problem werden. Und die Karibikinseln und andere wassernahe Gegenden haben mit den Klimafolgen zu kämpfen. Man muss damit rechnen, dass das Paradies regelmäßig von Stürmen zerstört wird.
Was sind die ersten Schritte?
Rein faktisch sind es die Visa- und Passangelegenheiten und die Versicherungen. Welchen Schutz bieten für den Anfang die Reisekrankenversicherung und die bestehende Auslandskrankenversicherung? Welchen Sozialversicherungsschutz bietet die neue Heimat bezüglich Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung oder Arbeitslosenversicherung?
Aber auch die eher "weicheren" Dinge sollte man nicht aus dem Auge verlieren. Hilfreich ist der Perspektivwechsel. Unsere Willkommenskultur in Deutschland ist auch nicht mehr so ausgeprägt wie vor der Flüchtlingskrise. Das ist in anderen Ländern ähnlich. Viele "Traumziele" leiden zudem darunter, dass reiche Ausländer Immobilien erwerben, Wohnungen werden dadurch knapp und teuer. Zu beobachten ist das zum Beispiel aktuell in Spanien, Portugal oder Griechenland. Entsprechend muss man damit rechnen, nicht überall mit offenen Armen empfangen zu werden.
Andere Länder, andere Sitten
So wie wir gern verlangen, Neuankömmlinge mögen sich bitte an unsere Regeln halten, sehen das die Einheimischen anderswo ähnlich. Wer in der Karibik seine deutschen Gepflogenheiten beibehalten möchte, muss sich nicht wundern, wenn das schief geht. Deshalb steht die Frage "Sind Sie gut informiert über das Land, die Mentalität, Sitten und Gebräuche?" bei den Auswanderer-Experten vom DIA ganz oben. Dann folgt gleich der Tipp, sich mindestens eine Woche schon einmal in dem Land aufgehalten zu haben. Ganz wichtig ist auch das Erlernen der Sprache. Wer glaubt, er käme wie im Urlaub mit Händen und Füßen zurecht, der hat noch kein fremdes Amt aufgesucht.
Auch die mit ausreisenden Familienmitglieder sollten die Landessprache rudimentär beherrschen.
Bürokratie gibt es nämlich nicht nur in Deutschland. Was machen wir mit einem unleserlichen Formular, das die Schwelle ist zu einer Wohnung, Arbeitsstelle oder Firmengründung? In den USA, die gerade Spanien vom dritten Platz verdrängt haben in der Auswanderer-Beliebtheit, hat z.B. jeder Bundesstaat seine eigenen Steuergesetze. Immobilienkauf, Firmengründung usw., das wird man ohne nicht ganz billige Berater nicht schultern können.
In einigen Ländern sollte man auch schon mal Bargeld dabeihaben, um die Prozesse überhaupt anzustoßen. Das alles sollte man wissen, bevor man sich ernsthaft auf den Weg macht.
Als "Geheimtipp" wird im Moment z.B. Georgien gehandelt. Das aufstrebende Land ist auf wackeligen Füßen unterwegs in Richtung Europa und lockt nicht nur mit einer traumhaften Landschaft und viel Sonne am Schwarzen Meer, sondern auch mit Unternehmensgründungen innerhalb eines Tages. Und das für wenig Geld. Auch sonst sind die Lebenshaltungskosten im Vergleich zu Deutschland paradiesisch. Einige Standards hingegen nicht.
In guten, wie in schlechten Zeiten
Wer niedrige Preise schätzt, darf keinen Luxus erwarten. Solange die Sonne scheint, ist das auch auszuhalten. Wer aber mit Blick auf einen Altersruhesitz auswandert, sollte sich gut informieren, ob die eventuell nötig werdenden Arztbesuche und Behandlungen überhaupt realistisch abzubilden sind.
Um beim Beispiel Georgien zu bleiben: Das Auswärtige Amt empfiehlt Reisenden, operative und nicht dringende Zahnbehandlungen in Deutschland durchführen zu lassen. Solche Sätze finden sich häufig und sollten zumindest nachdenklich machen. Außerhalb von Tiflis sei die medizinische Versorgung unzureichend.
In entlegenen Gebieten des Landes kann bei Krankheit oder Unfall nicht mit einer raschen und effizienten medizinischen Betreuung gerechnet werden.
Auch die Geschichten vieler gescheiterter TV-Auswanderer zeigen beispielhaft: Spätestens dann, wenn ein paar Wolken auftauchen am Horizont, erinnern sich viele wieder an ihre deutsche Heimat. Die ist unterm Strich vielleicht doch besser als ihr Ruf.
MDR (dvs, ost)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 11. November 2024 | 16:40 Uhr