Der Redakteur | 07.11.2024 Luft anhalten oder abwenden: Was hilft gegen Ansteckung bei Erkältung?
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07. November 2024, 19:55 Uhr
Wir ertappen uns selbst dabei, wie wir unser Verhalten ändern, wenn es hustet und niest in unserer Nähe. Aber bringen die typischen Abwehrreaktionen wirklich etwas? MDR-Redakteur Thomas Becker hat nachgefragt bei Professor Mathias Pletz vom Uniklinikum Jena.
Es kann alles helfen, was die Intensität des Erregerkontakts minimiert. Prof. Mathias Pletz, Direktor des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Uniklinikum Jena erklärt, dass eine Infektion durch eine ganze Reihe von Faktoren begünstigt wird. Je mehr man minimieren kann, umso besser. Dazu zählen die Dauer des Kontakts mit Infizierten, der Abstand zu ihnen, die Frage, wie die Luftsituation im Raum ist, oder ob das drinnen oder draußen stattfindet. Auch die Umstände, wie ist das eigene Immunsystem gerade drauf und ob man gut geschlafen hat, spielen eine Rolle.
Sind wir derzeit so erkältet, weil wir zwei Jahre kaum Erreger-Kontakt hatten?
Wir sehen durchaus einige Erreger, die vor der Pandemie nicht so häufig waren, erklärt Prof. Pletz, vor allem Bakterien. Es gibt hier auch durchaus Überlegungen, ob fehlende Kontakte eine Ursache sein könnten. Aber im Winter kommen Atemwegserreger immer zurück und auch nicht immer die gleichen. Vieles in der Biologie sei multifaktoriell, so Prof. Pletz. Es gebe nur selten die eine Ursache und die eine Wirkung, das erschwere die öffentliche Diskussion etwas.
Warum erkälten wir uns vorwiegend im Winter?
Auch hier sind es oft unsere veränderten Lebensumstände. Wir halten uns in Räumen auf, wo Erreger viel effizienter auf Kundenfang sind, die Schleimhäute sind trockener und damit weniger widerstandfähig. Wir haben weniger Licht und bilden weniger Vitamin D. Dass dessen künstliche Gabe - abgesehen von echten Mangelzuständen - in Studien aber nicht wirklich Effekte gegen Erkältungen gezeigt hat, gehört aber auch zur Wahrheit. Hinzu kommt, dass Erreger gemeinsam auftauchen, erwischt uns einer und schwächt uns, haben andere leichtes Spiel.
Wie hilfreich ist Salzwasser-Spray?
Eine mindestens 0,9-prozentige Kochsalzlösung hat in einer großangelegten Studie sehr gute Ergebnisse gebracht. Besser noch als gesunde und vitaminreiche Kost. Die Probanden hatten 20 Prozent weniger Tage, an denen sie sich krank fühlten. Prof. Pletz empfiehlt ein paar Sprühstöße nach direktem Kontakt mit erkälteten Menschen oder nach einem Tag, an dem es im ÖPNV etwas eng gewesen ist. Auch beim ersten Anflug von Symptomen kann das noch helfen. Einen Dauergebrauch empfiehlt er ausdrücklich nicht, das kann den Effekt wieder zunichtemachen. "Es gibt zwei Effekte: Die Erreger mögen das nicht und die Schleimhäute werden feucht gehalten", sagt Prof. Mathias Pletz.
Überraschungen bei Gummihandschuhen und Türklinken
Gummihandschuhe sind vor allem Selbstschutz. Die gründlich gewaschene, im Krankenhaus oder im Lebensmittelbereich auch desinfizierte Hand, gibt weniger Erreger weiter als der Gummihandschuh. Das ist das Ergebnis der Datenanalysen nach der Corona-Pandemie. Prof. Mathias Pletz sieht deshalb auch die Fleischverkäuferin kritisch, die mit dem Gummihandschuh zwischen Geld und Wurst wechselt. Auf unserer Haut und auch auf Metallen fühlen sich Erreger nicht so wohl. Kupfer und Silber sind hier gerade für die Forschung sehr interessant. Bis diese als Beschichtung unsere Kontaktflächen - zum Beispiel in Kliniken - erreicht haben, gilt: Nach der Klinke ist vor dem Händewaschen.
Sollte ich mich noch gegen Grippe impfen lassen?
Klares "Ja" von Prof. Mathias Pletz. Das Gefährliche an der Erkrankung ist nicht nur das Unangenehme und sofort Spürbare. Aktuelle internationale Studien zeigen, die Schädigungen der Blutgefäße durch die Erreger und die Entzündungen lassen die Risiken für Herzinfarkt oder Schlaganfall deutlich ansteigen. Deshalb die Empfehlung gerade für Ältere: Mit dem Hausarzt über Impfungen gegen Influenza sprechen, aber auch Impfungen gegen RSV sind ab 75 Jahren oder ab 60 Jahren bei Vorerkrankungen ein Thema. Wegen Corona sollten die Risikogruppen auch nachfragen, gleiches gilt für Gürtelrose und Pneumokokken - das sind die Bakterien, die schwere Lungenentzündungen verursachen.
"Wir haben in Deutschland pro Jahr im Schnitt 250.000 Menschen, die mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus müssen und von denen sterben 13 Prozent", so Prof. Pletz. In Zahlen: 32.000 Menschen, die mit einer Impfung möglicherweise überlebt hätten. Zum Vergleich: 2023 hatten wir in Deutschland 2.839 Verkehrstote zu beklagen.
Was ist mit der Grippeimpfung für Kinder?
In Sachsen - das eine eigene Ständige Impfkommission hat - wird die Impfung tatsächlich empfohlen, die aber als Nasenspray gegeben wird. Davon können nicht nur die Kinder profitieren, sondern auch die Älteren. Prof. Pletz verweist hier auf Erkenntnisse aus Japan, wo man in den 60er Jahren die Kinder nach einer Epidemie eine Weile durchgeimpft hat, was die Sterblichkeit bei über 65-Jährigen in der Zeit signifikant gesenkt hat. Es gab einfach weniger kleine Überträger.
Sollte man sich alle Impfungen auf einmal geben lassen?
Die Ständige Impfkommission empfiehlt, die Influenza-, die Covidimpfung und die Impfung gegen Pneumokokken bei einem Termin zu geben. Prof. Pletz kennt viele Kollegen, die RSV gleich mit verimpfen. Untersuchungen zeigen, dass die Immunantwort dadurch sogar besser ist: "Man fühlt sich zwar einen Tag etwas 'grippig', aber genau diese Reaktion befeuert die Antikörperbildung", erklärt der Mediziner.
MDR (dgr)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Nachmittag | 07. November 2024 | 15:38 Uhr