Extra-Beiträge für mehr Rente Rentensteigerung "selbstgemacht"
Hauptinhalt
15. Mai 2023, 09:22 Uhr
Sonderzahlungen, Nachzahlungen, freiwillige Beiträge – diese Begriffe aus dem Rentenrecht haben eins gemeinsam: Mit Extra-Beiträgen können Versicherte ihre gesetzliche Rente aufbessern oder überhaupt erst einen Rentenanspruch erwerben. Oft winken hohe Steuervorteile. Doch wie funktioniert das – und rechnet es sich auch?
1) Sonderzahlungen bei Frührente
41.483 Versicherte haben im Jahr 2021 sogenannte Sonderzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse geleistet, um Rentenkürzungen wegen frühzeitigen Rentenbeginn (z.B. wegen Rente ab 63) zu vermeiden oder zu minimieren. Im Jahr 2012 waren es gerade 933 Versicherte, zeigen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung.
Bundesland | Zahl der Einzahler |
---|---|
Sachsen | 1.079 |
Sachsen-Anhalt | 383 |
Thüringen | 422 |
Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund |
Für jeden Monat, der einem Versicherten zum Erreichen der Regelaltersgrenze fehlt, wird die Rente um 0,3 Prozent gekürzt – bis zu maximal 14,4 Prozent. Und das solange man Rente bezieht. Mit Sonderzahlungen lässt sich diese Rentenminderung also ganz oder teilweise ausgleichen. Möglich sind eine Einmalzahlung oder auch mehrere Teilzahlungen – auch innerhalb eines Jahres. Aus steuerlichen Gründen könnte es günstiger sein, die Sonderzahlung auf mehrere Jahre zu verteilen, zum Beispiel wenn der steuerlich abzugsfähige Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen pro Jahr überschritten wird.
Wer kann das nutzen?
Um solche Sonderzahlungen leisten zu können, müssen Versicherte mindestens 50 Jahre alt sein und bis zum Eintritt in die Rente die Wartezeit von 35 Versicherungsjahren für die Altersrente für langjährig Versicherte oder für die Altersrente für schwerbehinderte Menschen erreichen können.
Eine Beispielrechnung der Deutschen Rentenversicherung Ein Rentner, der zwei Jahre früher in Rente geht, muss dafür Abschläge von 7,2 Prozent (0,3 pro Monat) in Kauf nehmen. Das reduziert die Rente von 1.000 Euro pro Monat um 72 Euro. Um diesen Verlust jeden Monat auszugleichen, wären Zusatzbeiträge von etwa 15.600 Euro nötig.
Christian Lindner, Rentenberater aus Langebrück bei Dresden, verweist darauf, dass für Menschen mit einer Versicherungsbiografie ausschließlich oder überwiegend in den neuen Bundesländern der Beitragsaufwand etwas geringer ist, da der Kaufpreis für einen Entgeltpunkt-Ost aktuell noch etwa 220,00 Euro niedriger liegt als für einen Westpunkt, obwohl ab 1. Juli ein einheitlicher Rentenwert für Ost- und Westpunkte gilt. Das hängt damit zusammen, dass bis Ende 2024 Ost-Verdienste für die Rente höher bewertet werden als West-Verdienste.
Früher in Rente zu gehen ist dann aber keine Pflicht
Übrigens: eine Sonderzahlung verpflichtet nicht dazu, tatsächlich früher in Rente zu gehen. Wer Sonderzahlungen tätigt und es sich dann doch anders überlegt und später als geplant in Rente gehen will, der kann auch über den geplanten Rentenbeginn hinaus arbeiten. In diesem Fall erhöht die Sonderzahlung dann einfach die Rente. Eine Rückzahlung einer einmal geleisteten Sonderzahlung ist jedoch nicht möglich.
Hinweis Man kann solche Zahlungen jedoch nicht einsetzen, um die Anspruchsvoraussetzungen der Rente zu erfüllen.
Interesse an freiwilligen Sonderzahlungen wächst
Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland registriert ein wachsendes Interesse an Sonderzahlungen und damit einen entsprechenden Beratungsbedarf, sagt Pressesprecherin Anne-Kathrin Sturm: "Bis zum Herbst 2008 wollten Versicherte selten wissen, wie sie mit Hilfe von Sonderzahlungen Frührentenabschläge vermeiden können und welche Voraussetzungen es dabei bedarf. Mit der Finanzkrise änderte sich das. Das Angebot wurde nicht nur verstärkt angefragt, sondern auch genutzt."
Von den 44.535 Neurentnern des Jahres 2022 in Sachsen haben sich 270 für eine Sonderzahlung entschieden, in Sachsen-Anhalt von 26.727 Neurentnern 86 und in Thüringen von 25.660 106. Diese nur Neurentner betreffende Zahlen verraten aber nicht den tatsächlichen Umfang von Sonderzahlungen, weil viele freiwilligen Beitragsleistungen noch nicht rentenwirksam geworden sind.
2) Nachzahlungen schließen Rentenlücken
Neben Sonderzahlungen gibt es auch die Möglichkeit, Rentenlücken durch Nachzahlungen zu schließen. Dafür kann man bis zum 45. Geburtstag einen Antrag stellen und freiwillig Beiträge für Ausbildungszeiten nachzahlen, in denen man nicht in die Rentenversicherung eingezahlt hat. Diese Nachzahlungen für bestimmte Ausbildungszeiten sind für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine der wenigen Möglichkeiten, um im Nachhinein noch Rentenlücken zu stopfen. Möglich ist das aber nur für Ausbildungszeiten, die für die Rente nicht berücksichtigt werden.
Dazu zählen Zeiten für den Besuch einer Schule, Fach- oder Hochschule sowie für die Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme zwischen dem 16. und 17. Lebensjahr. Versicherte können auch Beiträge für Ausbildungszeiten nachzahlen, die ab dem 17. Geburtstag länger als acht Jahre gedauert haben, also über den 25. Geburtstag hinaus.
Sind für rentenrechtliche Zeiten jedoch bereits Beiträge gezahlt worden, können nachträglich keine weiteren Beiträge gezahlt werden. Es ist also nicht möglich, durch Nachzahlungen Rentenansprüche für Jahre zu verbessern, in denen man schlecht verdient hat.
Wer Nachzahlungen tätigt, bessert seinen Rentenanspruch auf und kann unter Umständen früher in Rente gehen, wenn dadurch sogenannte Mindestversicherungszeiten erfüllt werden. Das könnte dann wichtig sein, wenn man z.B. vor der gesetzlichen Regelaltersgrenze Rente (Frührente) beziehen möchte. Denn dafür sind 35 Beitragsjahre nötig. Fehlen für diese Anspruchsvoraussetzungen also Beitragsjahre, können diese durch freiwillige Nachzahlungen unter Umständen erfüllt werden.
Und wer im Laufe seines Lebens absehbar keine fünf Jahre in die Rentenkasse einzahlen wird, kann durch freiwillige Beitragszahlungen dieses Ziel erreichen und so einen Anspruch auf Altersrente erwerben. Derzeit müssen Versicherte für jeden Monat, für den sie freiwillige Beiträge zahlen möchten, mindestens 96,72 Euro einzahlen. Der Höchstbetrag liegt aktuell bei 1.357,80 Euro. Je höher die Nachzahlung, umso mehr erhöht sich der spätere Rentenanspruch. Die Nachzahlung kann auch über fünf Jahre in Raten gestreckt werden, auch über das 45. Lebensjahr hinaus. Vorteil: Die Nachzahlung kann steuerlich geltend gemacht werden.
3) Freiwillige Versicherung – wenn man will, aber nicht muss
Neben Sonderzahlungen (wegen Frührentenabschlägen) und Nachzahlungen (wegen Rentenlücken) gibt es auch noch freiwillige Rentenbeiträge im Sinne einer freiwilligen Rentenversicherung. Diese ist für all jene eine Option, die in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht pflichtversichert sind, zum Beispiel Selbständige. Sie müssen nicht in die gesetzliche Rente einzahlen, können das aber.
Um sich freiwillig rentenzuversichern, muss man in Deutschland wohnen, mindestens 16 Jahre alt sein und noch keine Vollrente wegen Alters beziehen. Auch Deutsche, die im Ausland wohnen, können freiwillig Beiträge in die deutsche Rentenversicherung zahlen. Freiwillige Rentenbeiträge erhöhen später die Rente oder es lassen sich damit auch Wartezeiten für einen Rentenanspruch vervollständigen. Die freiwillige Rentenversicherung ist also vor allem für nicht versicherungspflichtige Personen hilfreich, wie zum Beispiel Hausfrauen und Hausmänner, Selbstständige und Freiberufler oder eben für Deutsche, die im Ausland leben.
Unbedingt prüfen – pflichtversichert ja oder nein?
Frank Parche, Dozent für Rentenrecht aus Leipzig, empfiehlt Selbständigen vorab unabhängig prüfen zu lassen, ob sie tatsächlich nicht rentenpflichtversichert sind oder ob unter Umständen in ihrem Fall doch eine Versicherungspflicht besteht. Viele Selbständige oder Freiberufler glauben nämlich, nicht rentenpflichtversichert zu sein, zahlen seit Jahren – meist aus Unwissenheit – keine Beiträge und könnten tatsächlich doch einer Versicherungspflicht unterliegen. Das betrifft z.B. Lehrer, Pflegekräfte, Hebammen oder Künstler, die ihren Beruf selbständig ausüben.
Melden sich diese Selbstständigen nun bei der Rentenversicherung, um freiwillig Beiträge zu zahlen, drohe diesen Selbstständigen hohe Nachforderungen, da sie nun von den Rentenkassen wie normale gesetzlich Versicherte angesehen werden. "Hier können hohe Nachzahlungsforderungen von mehreren Zehntausenden Euro auf die Betroffenen zukommen, meist rückwirkend für vier Jahre. Ich kenne selbst mehrere solcher Fälle. Hier besteht hoher Beratungsbedarf, insbesondere was die Gestaltung der selbständigen Tätigkeit betrifft", so Parche.
Beratung freiwillig Versicherter wichtig
Beratungen zu freiwilligen Beiträgen für nicht rentenversicherungspflichtige Personen seien inzwischen Alltag unserer Beraterinnen und Berater, so Anne-Kathrin Sturm von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland. Von den 1.793.582 Menschen, die zum 31. Dezember 2021 in Sachsen aktiv versichert waren, haben 7.784 freiwillige Beiträge eingezahlt. In Sachsen-Anhalte waren es 3.560 von 974.196 Menschen und in Thüringen 3.982 von 919.716. Für 2022 liegen noch keine Zahlen vor.
Rentenberater Christian Lindner habe zu seiner Überraschung durch Mandanten indes die Erfahrung gemacht, dass die Deutsche Rentenversicherung Selbstständige oft nur sehr negativ berät, nach dem Motto, die gesetzliche Rente würde sich für Selbstständige nicht lohnen: "Traumrenditen gäbe es in der gesetzlichen Rentenversicherung zwar auch nicht, aber die freiwillige Versicherung sei immer noch deutlich lukrativer als die Produkte der privaten Versicherungswirtschaft wie Rürup- oder Basisrente."
Er empfiehlt Versicherten, darauf zu achten, mit der Beitragszahlung rechtzeitig vor dem beabsichtigten Rentenbeginn zu starten: "Freiwillige Beträge dürfen nämlich immer nur für das laufende Kalenderjahr gezahlt werden. Eine Zahlung für das vorangegangene Kalenderjahr ist nur bis spätestens 31. März des Folgejahres zulässig. Größere Nachzahlungen für die Vergangenheit scheiden damit aus."
Hinweis Der monatliche Beitrag für eine freiwillige Rentenversicherung liegt für 2023 bei mindestens 96,72 Euro und höchstens 1.357,80 Euro.
"Wer ein Jahr lang den freiwilligen Mindestbeitrag zahlt, erhöht seinen monatlichen Rentenanspruch um etwa 5,20 Euro. Bei der Zahlung des Höchstbeitrags sind es aktuell etwa 73,00 Euro. Hierbei handelt es sich um dynamische Ansprüche, die mit jeder Rentenanpassung steigen und damit relativ inflationssicher sind", so Lindner
Forderung: freiwillige Beiträge für alle
Genau diese Kopplung der Renten an die Entwicklung der Löhne und Gehälter sieht Thomas Neumann, Präsident des Bundesverbandes der Rentenberater, als großen Vorteil: "Auf diese Weise sind freiwillige Rentenbeiträge eine nahezu inflationsgeschützte Investition". Durch freiwillige Beiträge können Versicherte die Rentenhöhe selbst aktiv mitgestalten.
Der Haken: Solche freiwilligen Beiträge sind eben nur für Beitragszahler möglich, die nicht pflichtversichert sind. Normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind davon ausgeschlossen. Das heißt, ein Arbeitnehmer, der z.B. beitragsschwache Jahre ausgleichen will, weil er in diesen Jahren schlecht verdient hat oder sogar arbeitslos war, kann das in Jahren mit besseren Verdiensten nicht tun. "Hier könnte der Gesetzgeber nachbessern und wir fordern schon lange, das zu ändern", so Thomas Neumann.
Rechnen sich Extra-Beiträge?
Doch wie lange muss man leben, damit sich eine Sonderzahlung, eine Nachzahlung oder freiwillige Beiträge lohnen? Rentenberater Christian Lindner, der auch als Dozent für Sozialversicherungsrecht tätig ist, hat das von seinen Studenten an der Berufsakademie Dresden berechnen lassen. "Danach müssen Versicherte unter der Annahme einer durchschnittlich dreiprozentigen Rentenanpassung ziemlich genau 17 Jahre Rente beziehen, bis die eingezahlten Beiträge zurückgeflossen sind. Dabei nicht berücksichtigt sind allerdings die Auswirkungen der Steuerersparnis, die sich durch Einzahlungen ergibt. Sie können je nach steuerlicher Situation der Versicherten dazu führen, dass sich die Rückflussdauer spürbar verkürzt."
Tipp: Steuervorteile nutzen
Alle genannten Extra-Beiträge, also Sonderzahlungen, Nachzahlungen und Beiträge in eine freiwillige Rentenversicherung sind als Altersvorsorgeaufwendungen von der Steuer absetzbar. Ab 2023 sind bis zu 100 Prozent möglich. Zu beachten ist dabei jedoch der jährliche Höchstbetrag, der 2023 bei 26.528 Euro liegt.
Beratung dringend empfohlen
Egal ob Sonderzahlung, Nachzahlung oder freiwillige Rentenbeiträge – Betroffene sollten sich beraten lassen – beim Steuerberater, in den Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung oder bei einem privaten Rentenberater.
Andreas Irion, Rentenberater aus Siegburg bei Köln erklärt, dass er und seine Kollegen in den letzten Jahren einen steigenden Beratungsbedarf bei allen drei zusätzlichen Beitragsformen registrieren: "Das hängt insbesondere mit den über viele Jahren sehr niedrigen Sparzinsen zusammen. Dadurch sei die Verzinsung der Beiträge in der gesetzlichen Rente besonders attraktiv.“ Durch die Koppelung der Renten an die Entwicklung der Löhne und Gehälter bestehe ein guter Inflationsschutz. Der Verband verweist darauf, dass konkrete Berechnungen ziemlich kompliziert seien und sogar der Beitragsrechner, den die Deutsche Rentenversicherung auf ihrer Seite empfiehlt, nur Werte für Versicherte liefert, die in diesem Jahr in Rente gehen wollen.
Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland empfiehlt, einen Beratungstermin über die kostenlose Service-Hotline 0800 1000 48090 zu vereinbaren. Auch eine Videoberatung ist online buchbar.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 06. Mai 2023 | 10:50 Uhr