Rentenvorschlag der CDU Experten uneins über Anhebung des Renteneintrittsalters
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12. Mai 2023, 13:43 Uhr
Das Rentensystem steht vor vielen Herausforderungen: Sehr geburtenstarke Jahrgänge gehen bald in Rente, es gibt nicht genug Beitragszahler und die Lebenserwartung steigt an. Die CDU hat deshalb vorgeschlagen, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln. Die Deutsche Rentenversicherung hält die Debatte für verfrüht. Wirtschaftsexperten haben unterschiedliche Meinungen.
- Am ifo-Institut geht man davon aus, dass das Eintrittsalter erst 2070 neu evaluiert werden muss, weil die Lebenserwartung steigt.
- Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft muss jetzt über das Anheben des Eintrittsalters gesprochen werden.
- Am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung sieht man die Anhebung des Alters kritisch, geht aber von einer Erhöhung der Beiträge aus.
Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, war so klar wie optimistisch in ihrer Analyse: Die Rahmenbedingungen seien gut. Die Lebenserwartung steige langsamer als erwartet. Immer mehr 60- bis 65-Jährige stünden in Lohn und Brot und genauso sei das bei den Frauen. Außerdem profitiere der Arbeitsmarkt von der höheren Zuwanderung, sagt Roßbach.
Kurzum: Jetzt müsse nicht entschieden werden, lieber solle man die Entwicklungen in den nächsten Jahren abwarten.
Handlungsbedarf wegen höherer Lebenserwartung
Ein Ansatz, den Joachim Ragnitz vom Dresdner ifo-Institut grundsätzlich für richtig hält. Teile der Begründung seien aber vage: "Dass die Lebenserwartung derzeit nicht stärker steigt, liegt viel an der Corona-Pandemie. Sowas wird sich hoffentlich nicht wiederholen. Und wie es mit der Zuwanderung weitergeht und Ähnliches weiß man eben auch nicht."
Bis 2031 sieht Ragnitz aber keinen Handlungsbedarf. Bis dahin steige das gesetzliche Renteneintrittsalter sowieso planmäßig auf 67 an. "Und danach werden sich die Finanzierungsprobleme der Rentenversicherung erstmal ein bisschen entspannen, sodass ich da auch nicht wirklich großartigen Handlungsbedarf sehe", sagt Ragnitz.
Ragnitz geht davon aus, dass die Zahl der Rentner spätestens ab 2040 nicht weiter steigen wird.
Handlungsbedarf werde es langfristig aber durchaus geben, sagt Ragnitz und peilt hier das Jahr 2070 an. Bis dahin würde etwa die Lebenserwartung bei Männern laut Prognosen um sechs Jahre steigen. "Wenn man das Renteneintrittsalter von 67 Jahren beibehält, würde es bedeuten, dass die Rentenbezugszeit immer länger wird, während die Beitragszeit konstant bliebe. Das würde dann dazu führen, dass die Rentenfinanzierung zusätzlich unter Druck geraten würde", erklärt Ragnitz.
Höhepunkt der Verrentung 2030
Dezidiert anderer Auffassung ist Holger Schäfer vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft. Die momentan guten Rahmenbedingungen dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass Änderungen am Rentensystem einen sehr langen Vorlauf bräuchten, sagt Schäfer und verweist auf die laufende Anhebung des Rentenalters: "Wenn sie dann letztendlich umgesetzt worden ist, dann hat dieser Prozess 20 Jahre gedauert. Der Höhepunkt der Verrentung der Babyboomer steht unmittelbar im Jahr 2030 bevor. Da haben wir nur noch einige Jahre und wenn wir am Renteneintrittsalter etwas drehen wollen, um diesem Prozess entgegenzuwirken, dann müssen wir es jetzt tun."
Auch Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung will sich von der unerwartet guten Finanzsituation nicht blenden lassen. Akut gebe es zwar keine Finanzprobleme: "Aber die sind am Horizont sichtbar. So ab Mitte der Zwanziger-Jahre, also in den nächsten drei bis vier Jahren, wird es dazu kommen, dass wir Beiträge erhöhen müssen. Und die Frage der Altersgrenzen-Anhebung ist, glaube ich, eine Frage, die man nicht kurzfristig entscheiden sollte, wenn man es denn will, sondern so, dass sich Menschen auch darauf einstellen können", findet Geyer.
Dabei sieht Geyer eine mögliche Anhebung des Rentenalters über 67 Jahre hinaus durchaus kritisch: "Man kann das draufsetzen, das reduziert die Kosten. Aber die Menschen müssen natürlich auch in der Lage sein, so lange zu arbeiten. Und da sehe ich bei der ganzen Debatte ein bisschen Nachholbedarf."
Letztlich sei es eine politische Entscheidung, die Regelaltersgrenze anzupassen, sagt Geyer. Dann müsse man aber auch darüber diskutieren, wie man die Arbeitswelt entsprechend anpassen kann. Und auch das müsse langfristig geschehen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 12. Mai 2023 | 06:00 Uhr