Finanzen Rente beziehen und arbeiten: Worauf muss ich achten?
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08. Juni 2023, 15:28 Uhr
Immer mehr Rentner und Rentnerinnen gehen arbeiten. Doch was gibt es zu beachten bei Frührente und Flexirente? Wann bekommen arbeitende Rentner Krankengeld? Wer bekommt sogar Rentenpunkte für die Pflege Angehöriger?
Früher undenkbar, jetzt neuer Trend: Arbeitgeber rollen älteren Arbeitnehmern und sogar Rentnern den roten Teppich aus, damit sie möglichst lange dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Damit ist im Idealfall beides möglich: Lohn kassieren und Rente. Doch wie funktioniert es und worauf ist zu achten? Mit so manchem Schachzug können ältere Beschäftigte ihr Einkommen mächtig steigern – und sogar ihre Rente.
1) Der Früh- oder Flexirentner
Frühverrentung – das war einst das Lieblingsprogramm vieler Unternehmen, um ältere Beschäftigten auf Kosten des Steuerzahlers und der Rentenkassen loszuwerden. Heute können ältere Beschäftigte meist problemlos bis zur Regelaltersgrenze arbeiten, so sie wollen und gesundheitlich können. Arbeitgeber sind meist froh, erfahrene Mitarbeiter lange im Unternehmen zu halten.
Dennoch gibt es sie noch, die Frührente. Wer mindestens 35 Rentenversicherungsjahre hat, kann ab 63 und damit vor der Regelaltersgrenze in Frührente gehen, muss allerdings mit Abschlägen bei der Rente rechnen. 0,3 % der Rente gibt es für jeden Monat vorzeitigen Rentenbeginns weniger. Und das dann ein Leben lang.
Anders sieht es bei Versicherten aus, die auf 45 Versicherungsjahre kommen. Dann dürfen Versicherte des Geburtsjahrgangs 1959 mit 64 und 2 Monaten – und zwar ohne Abzüge. (Früher war dieses Modell als Rente mit 63 bekannt). Da wegen der demografischen Entwicklung Jahr für Jahr die Regelaltersgrenze um einen Monat angehoben wird, wurde aus der Rente mit 63 inzwischen die Rente mit 64. Für jeden Jahrgang jünger erhöht sich die Altersgrenze um zwei Monate. Für besonders langjährig Versicherte (45 Versicherungsjahre), die ab 1964 oder später geboren sind, liegt die Altersgrenze bei 65.
Aus Frührentner wird Flexirentner
Damit die Frührente nicht zum Missbrauch einlädt, hatte der Gesetzgeber festgelegt, dass Frührentner nur begrenzt hinzuverdienen dürfen - nämlich 6.300 Euro im Jahr – das sind 525 Euro im Monat. Liegt der jährliche Verdienst höher, wird die Rente gekürzt.
Frührentner, die arbeiten, heißen auch Flexirentner, weil sie flexibel den Eintritt in den Ruhestand gestalten. Als 2020 mit Beginn der Coronapandemie dringend Arbeitskräfte in systemkritischen Bereichen wie z.B. Krankenhäusern oder Pflegeheimen benötigt wurden, sollte dies auch durch Ruheständler erfolgen. Dazu hat der Gesetzgeber die Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro im Jahr drastisch erhöht – auf 44.090 Euro im Jahr; mehr als der statistische Durchschnittsverdienst. Diese neue höhere Hinzuverdienstgrenze wurde für die Jahre 2021 und 2022 abermals erhöht, auf nunmehr 46.060 Euro. Diese Hinzuverdienstgrenze gilt aber für alle Berufe und Tätigkeiten. Ab 2023 gibt es nun gar keine Hinzuverdienstgrenze mehr.
Was aber bedeutet der Wegfall der Hinzuverdienstgrenze?
Mit ihr sind am Ende des Arbeitslebens hohe Einkommenssteigerungen möglich! Ein älterer Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst, der noch gar nicht in Rente ist, arbeitet wie bisher weiter, beantragt und bezieht eine Frührente und kassiert so beides: den vollen Arbeitslohn und die volle Rente. (Achtung: Für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei der Anrechnung von Einkommen auf Hinterbliebenenrenten gibt es keine Änderungen der Hinzuverdienstgrenzen.)
Ein Rechenbeispiel Ein Arbeitnehmer, der 45 Versicherungsjahre hat und dabei stets den Durchschnittsverdienst aller Versicherten erzielte, kann mit diesem Modell ca. 1.500 Euro brutto im Monat mehr Einkommen erzielen, was einer Einkommenssteigerung von sagenhaften ca. 45% entspräche.
Das höhere Einkommen muss natürlich, wie jedes Extra an Einkommen, versteuert werden und auf die Rente sind auch Krankenklassenbeiträge fällig, unterm Strich bleibt aber ein dickes Plus. Und da mit dem Erwerbseinkommen auch Sozialbeiträge gezahlt werden, steigt die Rente nochmals, wenn der Betroffene die Regelaltersgrenze erreicht hat.
Tipp Fallen bei der Frührente Abschläge an, sollten Sie sich beraten lassen, z.B. wann der günstigste Rentenbeginn ist oder wie Abschläge kompensiert werden können.
2) Altersrente und Arbeit
Es gibt viele Gründe, auch über die Regelaltersgrenze (von aktuell 66 Jahren) hinaus zu arbeiten. Ein wichtiger Grund ist sicher Geld, aber es kann auch einfach nur Spaß an der Arbeit sein oder das Gefühl gebraucht zu werden. Vielleicht müssen noch Kredite bedient oder Kinder, Enkel oder andere Angehörige versorgt werden. Oder man weiß nichts mit der Zeit anzufangen, vielleicht auch, weil der Partner noch ein paar Monate oder Jahre arbeiten muss bis zum Ruhestand.
Fakt ist: Wer jenseits der Regelaltersgrenze arbeitet, muss keinerlei Rücksicht auf Hinzuverdienstgrenzen nehmen. Er oder sie kann unbegrenzt zur Rente hinzuverdienen. Oder – um es noch einfacher zu sagen – er oder sie kann beides problemlos kassieren: Lohn und Rente! Wer über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten will, für den gibt es drei Varianten.
Variante 1 – die Standardvariante
Wer eine Vollrente als Altersrentner bezieht und zusätzlich arbeitet, der muss keine Rentenbeiträge und auch keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlen. Das erhöht spürbar das Netto.
Variante 2 – Rentenbeiträge zahlen und Rente erhöhen
Auch das gibt es: Man bittet den Arbeitgeber, vom Arbeitslohn Rentenbeiträge abzuziehen. Das senkt zwar das Netto – im Folgejahr gibt es dafür aber eine Gutschrift für die Rente, d.h. die Rente steigt. Bei einem Durchschnittsverdiener wäre das 1 Rentenpunkt, aktuell kämen also 35,52 Euro (ab Juli 37,60 Euro) auf die Rente hinzu. Der Verlust durch den geringeren Nettolohn wird nach etwa acht Jahren Rentenbezug wieder ausgeglichen.
Variante 3 – Pokern auf ein langes Leben
Experten raten davon ab, aber auch diese Variante ist denkbar: Ein älterer Arbeitnehmer arbeitet über die Regelaltersgrenze hinaus und verzichtet darauf, die Rente zu beziehen. Er geht z.B. erst ein Jahr später in Rente. Dann gibt es bei Rentenbeginn ein Jahr später ein Plus zur Rente von 6% (12 x 0,5%). Um den Verlust der Rentenzahlungen in diesem Zeitraum auszugleichen muss man allerdings ca. 16 Jahre Rente beziehen. Erst dann lohnt sich diese Variante.
Immer gilt: Arbeitgeber einbeziehen!
Egal welche Variante man wählt – immer sollte der Arbeitgeber einbezogen werden. Ein Renteneintritt wirkt sich zwar nicht zwangsläufig auf ein Beschäftigungsverhältnis aus, allerdings gibt es durchaus Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen die regeln, dass ein Beschäftigungsverhältnis endet, sobald eine Rente bezogen wird.
Kompliziert könnte es werden, wenn man als Rentner bereits den Ruhestand angetreten hat und dann zurück ins Arbeitsleben kehren möchte. Hier sind besondere arbeitsrechtliche Regelungen, vor allem bzgl. des Kündigungsschutzes, zu berücksichtigen.
Auch eine Idee: Der 99%-Trick – Teilrente statt Vollrente
Wer zusätzlich zur Erwerbstätigkeit eine Rente bezieht, sollte prüfen, ob er nicht mit einer Teilrente besser fährt. Im Gegensatz zu einer Vollrente, bei der die Rente zu 100% ausgezahlt wird, gilt rechtlich schon ein Rentenbezug von 99% als Teilrente. Nach einem erst kürzlich rechtswirksam gewordenen Urteil des Landessozialgerichtes Bayern gilt sogar ein Bezug von 99,99 % als Teilrente. Das heißt: Bei einer Bruttorente von 1.000 Euro verzichtet der Rentner auf zehn Cent im Monat.
Warum aber eine Teilrente?
- Anspruch auf Krankengeld bei längerer Krankheit
Auch als berufstätiger Rentner hat man bei Krankheit Anspruch auf Lohnfortzahlung. Dauert die Krankschreibung jedoch länger als sechs Wochen, zahlt die Krankenkasse Krankengeld. Allerdings gibt es keinen Anspruch auf Krankengeld bei Bezug einer Vollrente – bei einer Teilrente schon, selbst wenn die Teilrente nur 99,99% beträgt.
- Kurzarbeitergeld
Ähnlich sieht die Regelung aus, sollte der Arbeitgeber Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Dann steht Beziehern einer Vollrente kein Kurzarbeitergeld zu – Beziehern einer Teilrente schon.
- Arbeitsvertrag
Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen können regeln, dass ein Arbeitnehmer automatisch aus dem Unternehmen ausscheidet, sobald er eine Vollrente bezieht. Mit dem Bezug einer Teilrente kann eine solche Regelung umgangen werden.
Teilrente bringt Rentenpunkte bei Pflege von Angehörigen
Wer Angehörige in häuslicher Umgebung pflegt, kann unter bestimmten Umständen Rentenansprüche erwerben und so die eigene Rente erhöhen. Die Zahlung von Rentenbeiträgen ist dafür nicht nötig.
Oft sind die Pflegenden selbst schon Rentner – denn nicht selten pflegt ein Ehepartner den anderen, sollte dies notwendig werden. Bezieht der pflegende Angehörige eine Vollrente, dann gibt es für dafür keine zusätzlichen Rentenpunkte mehr – bei einer Teilrente ist das möglich. Je nach Schweregrad und Umfang kann ein Jahr Pflege die Rente um bis zu 30,90 Euro erhöhen. Hat die Pflegeperson die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht, gibt es die Gutschrift der Entgeltpunkte auch beim Bezug der Vollrente. Diese Menschen sollten aber beim Erreichen der Regelaltersgrenze daran denken, ihre Altersrente zu diesem Zeitpunkt auf eine Teilrente in Höhe von 99,99 % umstellen zu lassen.
MDR (cbr)| Update; erstmals erschienen am 26.01.2022.
Dieses Thema im Programm: Das Erste | Plusminus | 26. Januar 2022 | 21:45 Uhr