Heimatlose Hunde Einen Tierschutzhund aus dem Ausland adoptieren - Worauf muss ich achten?

21. Februar 2024, 11:29 Uhr

Gerettete Hunde aus dem Ausland machen inzwischen einen großen Teil der Hundepopulation in Deutschland aus. Aber sollte man einen heimatlosen Hund aus dem Ausland adoptieren? In jedem Fall ist ein heimatloser Hund ein Überraschungspaket. Es kann wunderbar laufen mit diesen Hunden - oder viel Arbeit und Kummer bedeuten. Unsere Autorin Ute Gebhardt hat sich im Rahmen der Dokuserie "Heimatlose Hunde" genauer mit diesem Thema beschäftigt und war auf der Suche nach Antworten.

Welche Eindrücke hinterlässt die Arbeit an der Serie "Heimatlose Hunde"?

Beeindruckt hat mich das Engagement vieler Menschen für Tierschutz-Hunde aus dem Ausland. Etliche gehen dabei an ihre Grenzen und manche darüber hinaus. Auch die meisten geretteten Hunde sind bemerkenswert. Trotz schlimmer Erlebnisse haben sie noch Vertrauen und Lebensfreude.

Verblüfft hat mich, wie ungenau die Informationen zum Thema sind, obwohl Tierschutzhunde aus dem Ausland in Deutschland stark im Trend liegen. Mindestens ein Viertel der Hunde in Deutschland dürften inzwischen gerettete Auslandshunde sein. Aber niemand kann genau sagen, wie viele von ihnen jährlich ins Land kommen. 100.000, sagen manche, andere sprechen von 300.000. Unbekannt ist auch, wie viele Tierschutzvereine diese Hunde vermitteln. Es ist nicht einmal klar, wie viele Hunde überhaupt in Deutschland leben. Man ist auf Schätzungen und Zahlen aus der Marktforschung angewiesen. Danach sind es inzwischen mehr als zehn Millionen, Tendenz steigend.  

Bestürzt hat mich, wie herzlos in vielen Ländern mit Hunden umgegangen wird. Auf die Frage, wie diese oder jene Hündin mit ihren Welpen hier auf die Straße geriet, war die Antwort am Straßenrand wieder und wieder: Die hat jemand trächtig aus dem Auto geworfen.

Soll man einen geretteten Hund aus dem Ausland nehmen?

Leute vom Tierschutz würden sofort antworten: Auf jeden Fall. Ich denke aber, dass gerade Hunde-Anfänger überfordert sein können. Heimatlose Hunde bringen ihre Ängste, Defizite und Traumata mit. Oft brauchen sie Hilfe beim Überwinden dieser Last. Da ist Erfahrung hilfreich. In jedem Fall sollte man auf ein paar Probleme vorbereitet sein. Für diese Hunde kann ein sehr langer Atem nötig sein, Toleranz und die Bereitschaft, neue Wege einzuschlagen. Wer dazu bereit ist, für den ist der heimatlose Hund bestimmt eine gute Wahl.

Wie findet man einen heimatlosen Hund?

Bevor man auf die Suche nach einem Auslandshund geht, kann man gar nicht genug Informationen haben. Beim Deutschen Tierschutzbund oder bei den größeren Tierrechtsorganisationen wie Peta finden sich auf den Websites viele Empfehlungen. Darunter sind wichtige Warnungen. Werden zum Beispiel Welpen unter dem Alter von 15 Wochen vermittelt, ist die Sache ganz gewiss nicht korrekt. Auch Direktvermittlungen sind bedenklich. Es kann schiefgehen, wenn man einen Hund aus dem Süden per Foto kennenlernt und ihn dann im Morgengrauen auf einem Autobahnrastplatz in Empfang nehmen soll. Die Transport-Papiere samt Impfausweis könnten gefälscht sein. Bei Problemen mit dem Hund gäbe es dann keine Ansprechpartner.

Was ist besser: Tierheim oder Pflegestelle?

Nach meinen Beobachtungen hat es so ein Auslandshund leichter, wenn er sich auf einer Pflegestelle einleben konnte. Viele Seiten des Lebens hier hat er dann schon kennengelernt, meistens an der Seite von nervenstarken Hunden. Pflegefamilien haben meistens eigene Hunde, die die Neuen unter ihre Fittiche nehmen. Von so einer Pflegestelle bringt der heimatlose Hund oft auch schon ein paar Manieren mit. Stubenreinheit und Leinenführigkeit zum Beispiel. Auf Pflegestellen lässt sich besser als im Tierheim herausfinden, wie der Hund auf Kinder oder andere Haustiere reagiert. Nur: Es gibt nicht genug Pflegestellen für alle Hunde. Und in den Tierheimen wird auch großartige Arbeit geleistet.

Was tun, wenn mir im Ausland ein Hund in Not auf der Straße begegnet?

Einen Straßenhund in Not einfach mitnehmen, ist nicht legal. Der Hund bräuchte zumindest Impfungen, bevor er nach Deutschland einreisen dürfte. Die Tollwutimpfung wird erst nach 21 Tagen gültig. Man kann versuchen, mit Menschen im Umfeld ins Gespräch zu kommen, eventuell Futter und Medikamente spenden, damit dem Hund vor Ort geholfen wird. Will man sich darauf nicht verlassen, muss man nach Tierheimen vor Ort suchen, die Kontakte zu deutschen Tierschutzorganisationen haben.

Talih ist ein Pointer-Mix und lebt seit einem Vierteljahr bei Sarah. Talih wurde in der Türkei auf der Straße geboren. Sarah und ihr Freund fanden ihn mit seinen Geschwistern und der Hundemutter auf dem Grundstück des Ferienhauses. Die Rettung der Hundefamilie war nicht einfach.
Sarah und ihr Partner Dominik fanden Hundewelpe Talih mit Mutter und Geschwistern im Türkei-Urlaub vor ihrem Feriendomizil - halb verhungert und dehydriert. Sie brachten die Tiere vor Ort in ein Tierheim und entschieden sich anschließend dafür, einen der Welpen zu adoptieren. Bildrechte: MDR/Simon Roloff

Die Situation der Straßenhunde im Süden und Osten Europas insgesamt lässt sich nur durch nachhaltigen Tierschutz verbessern. Das bedeutet Kastrationen, politische Arbeit, Bildungsarbeit. Viele Vereine aus Deutschland arbeiten nachhaltig im Ausland oder unterstützen Vereine vor Ort, die so arbeiten. All diese Vereine arbeiten ausschließlich mit Spenden. Vielleicht würden auch Tierrechte als Standard in der EU helfen. Doch das scheint ein langer, zäher Weg zu sein.

Schleppen Auslandshunde neue Krankheiten ein?

Theoretisch ist das möglich. Die größte Gefahr geht wohl von der braunen Hundezecke aus, die in Deutschland noch nicht heimisch ist. Weil sie immer wieder eingeschleppt wird, könnte sie bei steigenden Temperaturen eines Tages auch hier überleben. Doch Tierschutzhunde aus dem Ausland sind heutzutage gegen Parasiten behandelt. So stellen sie kaum mehr eine "Einflugschneise" dar. Bedenklicher scheint die Urlaubsreise mit dem Hund in den Süden ohne strenge Parasiten-Prävention.

Zwar haben wir die braune Hundezecke noch nicht, aber auch die heimische Auwald-Zecke oder der gemeine Holzbock übertragen Krankheiten, die man Mittelmeererkrankungen nennt, beispielsweise die Hunde-Malaria. Solche Fälle scheinen zuzunehmen. Das könnte aber einfach an genauerer Diagnostik liegen.

Auslandshunde werden vor der Einreise nach Deutschland auf die so genannten "Mittelmeerkrankheiten" getestet. Ordentlich arbeitende Tierschutzvereine lassen die Hunde in Deutschland vor der Vermittlung noch einmal testen. Wer einen Auslandshund hat, dessen Blutbild Antikörper bei den einschlägigen Krankheiten zeigt, sollte das Thema lebenslang im Auge behalten. Womöglich braucht es Expertenwissen, zum Beispiel vom Verein Parasitus Ex. 

Warum liegt der Auslandshund in Deutschland im Trend?

Es scheint, als hätte der Trend zum geretteten Hund schlicht mit der Bereitschaft zum Helfen zu tun. Was viele Menschen an Tierschutzhunden lieben, ist deren Bescheidenheit und Zufriedenheit. Womöglich hatte der Tierschutzhund schon genug Stress in seinem Leben, und so braucht er zum Glücklichsein einfach nur Futter, einen gemütlichen Schlafplatz und Zuwendung.

Der Auslandshund ist im Vergleich zu hiesigen Artgenossen oft viel besser sozialisiert. Er hat in Rudeln gelebt, entweder auf der Straße oder im Tierheim-Zwinger. Er hätte kaum überlebt, würde er die Kommunikation unter Hunden nicht bestens beherrschen.

Welche Trends gibt es noch in Sachen Hund?

Der Trend zum Hund scheint ungebrochen, die Zahlen steigen und der Anteil der geretteten Hunde nimmt zu. Ein seit Jahrzehnten anhaltender Wandel zum "Sozialpartner" Hund ist sichtbar. In dem Maße, wie seine alten Funktionen als Wach- oder Hütehund verschwinden, wird er zum Familienmitglied und Freizeitpartner. Ich glaube, der Hund ersetzt uns die Beziehung zu den Nutztieren, die weitgehend aus dem Leben verschwunden sind. Und er dient vielleicht als "Sozialkitt" in den locker gewordenen familiären Beziehungen. Außerdem wird der Hund immer mehr zum Konsumfaktor.

Interessant finde ich, dass die Verhaltensforschung den Hund seit einigen Jahren entdeckt hat. Es ist erstaunlich, was wir alles nicht genau über unser wichtigstes Haustier wissen. Was aber inzwischen unstrittig ist: Der Hund begleitet uns schon viel länger, als die Forschung früher annahm. Mich faszinieren die Theorien zur Evolution von Hund und Mensch, die manche als Symbiose betrachten. Nimmt man all diese Trends zusammen, dürften Hunde in Deutschland eine gute Zukunft haben.

MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | Heimatlose Hunde - Rette mich wer kann | 14. August 2023 | 19:50 Uhr

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