Mogelpackungen Wie die Hersteller tricksen und was die Politik dagegen tun will
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13. November 2023, 12:45 Uhr
Verbraucherschützer prangern seit Jahren öffentlich Produkte an, die nach mehr Inhalt aussehen als enthalten ist. Wir nennen ein paar jüngere Beispiele und zeigen auf, wo die Hersteller am Inhalt der Ware gespart haben, ohne die Preise zu senken. Per Gesetz könnten Mogelpackungen übrigens demnächst verboten werden. Die Debatte dazu läuft.
Inhalt des Artikels:
- Verbraucherschützer kritisieren gleiche Verpackungen bei weniger Inhalt: "Shrinkflation"
- Wenn an den Zutaten gedreht wird: Skimpflation
- Hier werden Shrinkflation und Skimpflation kombiniert
- Verbraucherschützer: Tendenz zu Mogelpackungen steigend
- Debatte um Verbot von "Mogelpackungen" im deutschen Handel
- Supermärkte in Frankreich warnen Kunden vor Mogelpackungen
Verbraucherschützer kritisieren gleiche Verpackungen bei weniger Inhalt: "Shrinkflation"
Weniger Inhalt, doch der Preis bleibt gleich: Das ärgert viele Kunden. Verbraucherschützer enttarnen immer wieder Produkte, bei denen die Hersteller weniger Inhalt einfüllen, die Packungsgröße unverändert lassen und dennoch dasselbe Geld verlangen. Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg enttarnt seit 18 Jahren solche Praktiken im Handel. Fachleute sprechen hier von "Shrinkflation", auch "Schrumpflation" genannt.
Ein Beispiel sind die Katjes "Joghurt-Gums". In der alten Packung waren 200 Gramm Gummitiere, in der neuen sind es noch 175 Gramm. Der Preis ist mit 99 Cent gleich geblieben. Damit ist die neue Packung 14 Prozent teurer als die alte.
Wenn an den Zutaten gedreht wird: Skimpflation
Ein Mittel der Hersteller, an den Inhalten zu sparen, ist auch, die Zutatenrezeptur zu verändern. Fachleute sprechen hier von "Skimpflation". Das englische Wort "skimp" heißt "knausern" oder "einsparen". "Damit meint man, dass eine schlechtere Qualität drin ist, die man dann zum gleichen Preis bekommt", sagt Armin Valet. "Wertgebende Zutaten werden in der Menge reduziert oder schlechtere Zutaten eingesetzt", erklärt der Verbraucherschützer.
Ein Beispiel hier ist die "Rama". Der Butteranteil ist von 65 auf 63 Prozent gesunken, der Rapsölanteil von 19 auf 13 Prozent. Der Hersteller schreibt dazu: "Verbraucher haben keinen Unterschied in Geschmack oder Konsistenz des Produktes festgestellt." Für Armin Valet bekommt der Kunde damit weniger Qualität geboten: "Bei einem Streichfett gehört natürlich an erster Stelle Fett rein und nicht Wasser. Wenn man dann statt Fett plötzlich Wasser reinmacht, ist es aus unserer Sicht eine Qualitätsverschlechterung."
Auch spannend: Erst ab einem Fettanteil von 80 Prozent darf man bei einem Produkt von Margarine reden. Bei 60 Prozent Fettanteil muss es eigentlich Streichfett heißen. Rama vermerkt als Kennzeichnung auf der Verpackung "Dreiviertelfettmargarine". "Es war ja früher eine Margarine", sagt Valet. Doch nach mehrfachen Reduktionen liege der Fettanteil nun bei 60 Prozent. "Da steht irgendwo im Kleingedruckten 'Streichfett'. So hat der Hersteller dem Lebensmittelrecht genüge getan. Aber die Verbraucherinnen und Verbraucher, die ja oftmals Jahrzehnte treu so eine Marke kaufen, bekommen das gar nicht mit und sind dann vor den Kopf gestoßen, wenn wir dazu etwas veröffentlichen.“
Podukt | Veränderung |
---|---|
Kellogs Cini Minis von Nestlé | Sonnenblumenöl durch billigeres Palmöl ersetzt |
Vanille-Eis von Edeka | Schlagsahne durch Kokosfett ersetzt |
Nutella von Ferrero | Magermilchpulveranteil von 7,5% auf 8,7% erhöht |
Rahmspinat von Penny | Spinatanteil von 88% auf 67% reduziert |
Apfelschorle von Adelholzer Alpenquelle | Anteil von reinem Apfelsaft von 55% auf 50% verringert |
Ungesalzene Butter Kaergarden von Arla | Von 65% Butter und 19% Rapsöl zu 63% Butter und 13% Rapsöl |
Hier werden Shrinkflation und Skimpflation kombiniert
Manchmal verändern Anbieter sogar Rezeptur und Füllmenge. Ein Beispiel ist die Marzipan-Schokolade von Aldi. Die Packung ist dabei größer geworden, nur sind mit 150 Gramm Füllmenge nun 34 Gramm weniger drin. Dabei kostet die Tafel jetzt 1,69 Euro und ist damit zehn Cent teurer. Das ist eine Preiserhöhung von 31 Prozent. Aldi Nord teilt auf MDR-Nachfrage mit: "Von einer versteckten Preiserhöhung kann hier nicht gesprochen werden, da die Preise im ganzen Schokoladensortiment zuletzt gestiegen sind." Auch die Inhaltsstoffe haben sich hier verändert. Früher enthielt die Schokolade 45 Prozent Marzipan, heute sind es nur noch 38 Prozent.
"Das ist für uns schon eine Produktverschlechterung, weil ich eine Marzipan-Schokolade auch mit möglichst viel Marzipan haben möchte. So haben uns das auf jeden Fall sehr viele Verbraucherinnen und Verbraucher gemeldet", betont Valet. Der Verbraucherzentrale in Hamburg habe der Konzern mitgeteilt, den Anteil des Marzipans reduziert zu haben, um Kundenwünschen zu entsprechen. "Das ist jetzt ein Fall, wo dann eine Meinung neben der anderen steht, aber wir in dem Fall doch dabeibleiben und sagen, wenn in der Marzipan-Schokolade weniger Marzipan drin ist, dann ist es eine Produktverschlechterung", so Valet.
Verbraucherschützer: Tendenz zu Mogelpackungen steigend
Wurden 2021 noch 50 Mogelpackungen gefunden, waren es 2022 schon 80. Allein in diesem Jahr zählte die Verbraucherzentrale Hamburg bereits 86 Mogelpackungen, erwartet aber bis Jahresende noch die 100 zu übertreffen. Was sich im ersten Moment nach einer geringen Zahl anhört, steht für ganze Produktgruppen.
"Wenn große Hersteller das bei all ihren Sorten verändern, wenn Sie an Süßwaren denken wie Haribo, sind 40 Sorten betroffen. Wir nehmen da ein oder zwei repräsentative Sorten auf, so dass die Menge deutlich höher ist", erklärt Valet. Zudem sei ein Domino-Effekt festzustellen, wenn am Markt erfolgreiche Hersteller Füllmengenreduzierungen vornehmen. Ende 2022 sei dies bei Chips der Fall gewesen, mit über 60 Produkten von allen führenden Unternehmen. Verbraucherschützer fordern hier immer wieder gesetzliche Änderungen.
Debatte um Verbot von "Mogelpackungen" im deutschen Handel
Per Gesetz ist bislang nicht vorgeschrieben, wann davon ausgegangen werden kann, dass eine Produktaufmachung Kunden über den tatsächlichen Inhalt täuschen könnte. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen kritisiert, dass es bislang lediglich "schwammige Bestimmungen" etwa im Verwaltungsrichtlinien und im Lebensmittelrecht gebe. Diese würden es schwer machen, "Mogeleien schnell und wirkungsvoll zu unterbinden und unnötigen Verpackungsmüll zu vermeiden". Doch erst im September entbrannte in der Politik eine neue Debatte um Mogelpackungen.
"Hier werden die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Irre geführt", erklärte Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) im "Handelsblatt". "Solche Praktiken sind sowohl aus Sicht des Verbraucherschutzes als auch aus Sicht der Abfallvermeidung problematisch", führte sie aus. Dies solle bei einer Novelle des Verpackungsgesetzes mit berücksichtigt und klare Vorgaben gemacht werden. Dabei solle geregelt werden, dass der Inhalt im Vergleich zur Verpackungsgröße nicht schrumpfen dürfe, ohne dass auch der Preis sinke. Auch die Bundes-FDP sieht Handlungsbedarf, äußert aber Kritik an der "Vermischung von Umweltschutz und Verbraucherschutz". Befürwortet werden Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Supermärkte in Frankreich warnen Kunden vor Mogelpackungen
In Frankreich werden Kunden in "Carrefour"-Supermärkten direkt auf Mogelpackungen hingewiesen. Auf Schildern vor den Artikeln heißt es: "Bei diesem Produkt ist der Inhalt weniger geworden und der von unserem Lieferanten berechnete Preis hat zugenommen". Außerdem wird betont: "Wir verpflichten uns, diesen Preis neu zu verhandeln."
Auch die französische Politik wolle mehr tun, um Verbraucher zu schützen, erklärt Lisa Christl, Reporterin vom Saarländischen Rundfunk. "Mit der Aktion greift Carrefour einem Gesetzentwurf der französischen Regierung vor", sagt sie. Auf Produktverpackungen solle eindeutig gekennzeichnet werden, wenn es Änderungen bei Größe, Preis oder Inhalt gebe. "Anders als in Deutschland mischt sich die Regierung in Frankreich außerdem aktiv in die Preisverhandlungen der Branche ein. Ab spätestens Mitte Januar sollen so die Preise gesenkt werden – vor allem von Grundnahrungsmitteln", führt Christl aus. Damit die Neuregelung in Frankreich verabschiedet werden kann, muss der Senat jedoch noch zustimmen.
Anders als in Frankreich steht eine Hinweispflicht im Supermarkt beim aktuellen Gesetzesvorhaben bei der Novelle des Verpackungsgesetzes in Deutschland gar nicht zur Debatte. Es gibt jedoch freiwillige Vorstöße einzelner Händler. So hat beispielsweise Edeka kürzlich angekündigt, nach französischem Vorbild Kunden über versteckte Preiserhöhungen zu informieren. "Wir stellen zunehmend fest, dass insbesondere die internationale Markenindustrie alles versucht, um ihre Margen zu maximieren. Dazu gehört auch der Trick der Shrinkflation", erklärte das Unternehmen. Bis jetzt blieb es bei Edeka aber bei der Ankündigung.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Voss & Team | 09. November 2023 | 21:00 Uhr