Das Gasleck bei Nordstream 2 in der Ostsee.
Gas steigt nach den Nord-Stream-Sprengungen im September bei Bornholm an die Oberfläche. Bildrechte: IMAGO / TT

"New York Times"-Bericht USA vermuten pro-ukrainische Gruppe hinter Nord-Stream-Sprengungen

08. März 2023, 10:19 Uhr

Die US-Regierung geht der "New York Times" zufolge davon aus, dass eine "pro-ukrainische Gruppe" hinter den Nord-Stream-Sprengungen steckt. Auch deutsche Ermittler gehen offenbar davon aus, dass die Spuren in die Ukraine führen. Die Regierung in Kiew weist eine Beteiligung an den Sprengungen zurück. Auch besitze man keine Informationen über eine pro-ukrainische Sabotagegruppe.

Die US-Regierung geht nach einem Bericht der "New York Times" davon aus, dass eine "pro-ukrainische Gruppe" hinter der Sprengung der Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee im September steht. Wie die US-Zeitung unter Berufung auf mehrere anonyme US-Regierungsvertreter berichtet, würden neue Geheimdienstinformationen darauf hindeuten. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj oder sein enges Umfeld in den Sabotageakt verwickelt seien.

Keine Details zu "pro-ukrainischer Gruppe"

Laut "New York Times" räumten die US-Regierungsvertreter ein, dass vieles noch unklar sei – etwa wer genau die Sprengungen verübt, wer sie angeordnet und wer den Einsatz finanziert habe. Aus den neuen Hinweisen gehe nicht hervor, wer für die Anschläge bezahlt oder sie in Auftrag gegeben habe oder aus welchen Mitgliedern sich die pro-ukranische Gruppe zusammensetze. Es gebe aber Hinweise darauf, dass es sich um Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin handle. Verantwortlich seien vermutlich ukrainische oder russische Staatsbürger. Britische oder US-Staatsbürger seien nicht beteiligt gewesen.

Ukraine bestreitet Beteiligung an Sprengung von Nord Stream

Eine Sprecherin der Bundesregierung teilte mit, dass man den jüngsten Bericht der "New York Times" zur Kenntnis genommen habe. Der Generalbundesanwalt ermittle seit Anfang Oktober 2022 in der Sache. Darüber hinaus würden Untersuchungen in Schweden und Dänemark zu den Explosionen laufen.

Die Ukraine wies Berichte über eine mögliche Beteiligung an der Sprengung der Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee zurück. Präsidentenberater Michailo Podoljak twitterte, Kiew habe nichts mit dem Vorfall zu tun. Auch besitze man keine Informationen über eine pro-ukrainische Sabotagegruppe. Als Drahtzieher der mutmaßlichen Sabotage wurde unter anderem auch Russland verdächtigt. Die Regierung in Moskau wies das entschieden zurück und verwies auf Washington. Die US-Regierung hatte den Bau von Nord Stream 2 als geopolitisches Druckmittel des Kremls verurteilt. Von den USA waren zunächst keine Stellungnahmen zu erhalten.

Auch deutsche Ermittler sehen Spuren in die Ukraine

Nach ARD-Informationen gehen auch deutsche Ermittler davon aus, dass die Spuren in die Ukraine führen. Demnach sei es den Ermittlern gelungen, das Boot zu identifizieren, das mutmaßlich für die Geheimoperation verwendet wurde. Es soll sich um eine Jacht handeln, die von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet wurde, die offenbar zwei Ukrainern gehört. Die Geheimoperation auf See solle von einem Team aus sechs Personen, darunter zwei Tauchern, durchgeführt worden sein. Die Nationalität der Täter sei offenbar unklar. Auch hätten die Ermittler bislang keine Beweise dafür gefunden, wer die Zerstörung in Auftrag gegeben hat, berichtet tagesschau.de.

Terrorexperte: Ermittler haben Vorbereitung und Ablauf rekonstruiert

Nach Aussage von ARD-Terrorexperte Holger Schmidt gehen die deutschen Ermittler davon aus, dass der Sprengstoff am 06. oder 07. September, etwa zwei Wochen vor der Tat in Rostock auf die Jacht gebracht worden sein könnte. Dann sei das Schiff über Wieck auf dem Darß in Richtung Norwegen gestartet. An Bord soll auch eine Ärztin gewesen sein. Diese sei wegen der enormen Tauchtiefe von 70 Metern erforderlich gewesen, erläutert der Journalist im Gespräch mit MDR AKTUELL. Schmidt zufolge haben die deutschen Ermittlungsbehörden "Hinweise in Richtung ukrainische Staatsbürger". Es gebe keinerlei Beweise dafür, wer die Zerstörung in Auftrag gegeben haben könnte.

US-Investigativreporter beschuldigte US-Regierung

Anfang Februar hatte der US-Investigativreporter und Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh mit einem Bericht für Aufsehen gesorgt, wonach die USA die Pipelines gesprengt haben sollen. Demnach hätten US-Marinetaucher während eines Nato-Manövers in dem betroffenen Seegebiet im Juni 2022 bei einer von US-Präsident Joe Biden angeordneten und vom US-Auslandsgeheimdienst CIA geplanten verdeckten Operation mit Hilfe Norwegens Sprengsätze an den Gaspipelines angebracht. Die Sprengsätze seien dann im September ferngezündet worden.

Die US-Regierung wies das entschieden zurück. Hersh untermauerte später in einem Interview mit der "Berliner Zeitung" seine Version. Dabei erklärte er, Biden habe die Pipelines sprengen lassen, weil er Deutschland nicht traute. Demnach habe man im Weißen Haus Angst gehabt, dass die Bundesrepublik die Sanktionen gegen Russland wegen eines kalten Winters aufheben könnte.

Durch die Pipeline Nord Stream 1 hatte Russland Gas aus Sibirien nach Deutschland und in weitere europäische Länder gepumpt. Nord Stream 2 wurde wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht in Betrieb genommen. Die beiden Nord Stream-Doppelröhren waren mit Ausnahme von einem Nord Stream 2-Strang im September 2022 durch Explosionen unweit der dänischen Insel Bornholm in 80 Meter Tiefe unterbrochen worden.

AFP/Reuters/Tagesschau (dni/dkn/kkö)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 07. März 2023 | 19:00 Uhr

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