Andrij Melnyk 4 min
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Interview Ukrainischer Botschafter Melnyk: "Wir dürfen die Amerikaner nicht verlieren"

20. Februar 2025, 21:13 Uhr

Der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, warnt nach den Attacken von US-Präsident Donald Trump vor einem "Überbietungswettbewerb an Scharfzüngigkeit". Die Ukraine dürfe die USA als Partner nicht verlieren, sagte Melnyk im Interview mit MDR AKTUELL. Melnyk, nun Botschafter der Ukraine in Brasilien, fordert zugleich Europa dazu auf, Stärke zu zeigen und die Verteidigungsausgaben zu erhöhen.

MDR AKTUELL: Herr Melnyk, Sie hatten vor unserem Gespräch eine Schalte mit dem ukrainischen Außenminister. Können Sie uns mitnehmen in die Stimmungslage, die da gerade herrscht angesichts der Attacken, die von US-Präsident Donald Trump ausgehen?

Andrij Melnyk: Also natürlich herrscht jetzt in der Ukraine eine tiefe Besorgnis wegen dieser jüngsten Entwicklungen. Gleichzeitig wollen wir weg von diesen Emotionen, die gerade kochen – auch in der Gesellschaft, nicht nur in der Politik. Denn wir brauchen jetzt keinen Überbietungswettbewerb an Scharfzügigkeit, wer wie reagiert auf diese Äußerungen aus Washington, die wir immer wieder hören. Eins ist klar, und auch das haben wir gerade besprochen mit dem Außenminister: Wir dürfen die Amerikaner, die für uns Nummer eins als Partner waren, seit den ersten Kriegstagen, nicht verlieren.

Wir dürfen die Amerikaner, die für uns Nummer eins als Partner waren, seit den ersten Kriegstagen, nicht verlieren.

Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine

Jetzt ist die Zeit, in der die Gunst der Diplomatie zum Tragen kommt. Wir sollten einen Weg finden, wie man den amerikanischen Präsidenten überzeugt, auch unseren Argumenten zuzuhören. Und dann ein Bild zu haben, um diese große Aufgabe, die er sich vorgenommen hat, nämlich den Krieg zu stoppen, auch tatsächlich zur erfüllen. Wir wollen wirklich jetzt deeskalieren. Wir müssen auch verbal abrüsten und schauen, wie wir einen gemeinsamen Nenner finden, damit wirklich ein Verhandlungsprozess beginnt, bei dem die Ukraine am Tisch sitzt, denn nur so kann man auch etwas erreichen.

Wie sehen denn die Argumente der Ukraine aus? Wie weit wäre die Ukraine bereit, Kompromisse einzugehen, den USA und Russland entgegenzukommen, um am Frieden zu arbeiten?

Also wir sind gerade dabei. Jetzt gerade vor einer Stunde hat sich Präsident Selenskyj mit einem Sonderbotschafter von Donald Trump, Keith Kellogg, in Kiew getroffen. Und darum geht es, nämlich, dass die amerikanische Seite unsere Position hört und auch mögliche Kompromisslinien, die sich abzeichnen könnten. Wir wollen jede Möglichkeit nutzen, die wir haben, um die Amerikaner zu überzeugen, dass nur, wenn sie unsere Interessen in Betracht ziehen, wenn sie diese Interessen dann auch als Vermittler einbringen, man eine Balance finden kann.

Nur, wenn die EU eine gewisse Stärke zeigt, wird sie auch wahrgenommen. Sie muss auch mit am Tisch sitzen. Ohne Europa geht es aus unserer Sicht gar nicht.

Andrij Melnyk, Botschafter der Ukraine

Aber für mich ist eines wichtig, gerade jetzt, weil es so viele apokalyptische Stimmen gab, die sagten, die Amerikaner scherten aus und die Geschichte des Westens sei zu Ende: Ich glaube nicht, dass man so weit ist. Das wäre eine Übertreibung. Wir sollten gerade jetzt schauen, welche Rolle Europa, die EU, spielen könnte. Denn nur, wenn die EU eine gewisse Stärke zeigt, wird sie auch wahrgenommen. Und sie muss auch mit am Tisch sitzen. Ohne Europa geht es aus unserer Sicht gar nicht.

Aber dafür müssen auch Schritte erfolgen, vor allem, was die Verteidigung angeht, also die Ausgaben. Das war fast wie ein Tabuthema, auch im Wahlkampf jetzt in Deutschland. Ich finde, es wäre an der Zeit, dass alle politischen Parteien, die Verantwortung tragen werden nach den Wahlen am Sonntag, sich dazu äußern und sagen: Ja, wir müssen die Ausgaben erhöhen. Also mindestens 3,5, vielleicht sogar fünf Prozent. Man muss den Bürgern die Wahrheit sagen. Denn sonst, wenn man weiterhin hofft, dass das irgendwie so geht, könnte das nicht nur für die Ukraine, sondern auch für Deutschland wie die Europäer gefährlich sein.

MDR (mze)

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 20. Februar 2025 | 18:00 Uhr

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