Benjamin Netanyahu - Vereidigung Regierung in Israel
Benjamin Netanjahu ist als Israels Präsident vereidigt worden. Bildrechte: IMAGO/UPI Photo

Jerusalem Israelisches Parlament billigt neue Regierung von Netanjahu

29. Dezember 2022, 19:27 Uhr

Zwei Monate nach seinem Wahlsieg hat der designierte israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Donnerstag sein neues Kabinett in Jerusalem vorgestellt. Erstmals in der Geschichte des Landes gehören auch rechtsextreme sowie vorbestrafte Personen der Regierung an. Dafür wurde eine Gesetzesänderung durchgesetzt.

In Israel hat das Parlament die neue Regierung von Benjamin Netanjahu gebilligt, der künftig als Ministerpräsident die am weitesten rechts stehende Regierung in der Geschichte des Landes anführen wird. Netanjahu legte den Amtseid als Premierminister ab. Erstmals sind auch rechtsextreme Politiker in der Regierungskoalition vertreten. In der Sitzung stellte Netanjahu seine 33 Minister vor.

63 der 120 Abgeordneten der Knesset stimmten am Donnerstag für die neue Regierungskoalition, die unter der Führung von Netanjahus konservativer Likud-Partei zwei ultraorthodoxe und drei rechtsradikale Gruppierungen vereint. Unmittelbar danach legte Netanjahu seinen Amtseid ab.

Der ehemalige Geheimdienstminister Eli Cohen wurde von Netanjahu zum Außenminister bestimmt. Cohen hatte jüngst eine wichtige Rolle bei der Normalisierung der Beziehungen Israels zu mehreren arabischen Staaten gespielt.

Umstrittene Minister in umstrittenen Ämtern

Auch mehrere umstrittene Politiker erhalten Ministerposten. Für den Vorsitzenden der strengreligiösen Schas-Partei, Arie Deri, wurde eigens ein Gesetz geändert, damit er trotz einer Verurteilung wegen Steuervergehen Innenminister werden kann.

Bezalel Smotrich von der rechtsextremen Religiös-Zionistischen Partei soll neben dem Amt des Finanzministers auch einen Posten im Verteidigungsministerium erhalten. Smotrich gilt als glühender Verfechter des Siedlungsausbaus im besetzten Westjordanland. Künftig soll er auch Einfluss auf die Verwaltung des Westjordanlandes und das Leben der Palästinenser erhalten. Smotrich strebt die Legalisierung weiterer israelischer Siedlungen an.

Minister für Nationale Sicherheit wird Itamar Ben-Gvir, der in der Vergangenheit wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation verurteilt worden war. Neben der Polizei soll er nach einer Gesetzesänderung auch für die Grenzpolizei im Westjordanland zuständig sein. Der ehemalige Armeekommandeur Joav Galant wird Verteidigungsminister. Zum Parlamentspräsidenten wurde der frühere Justizminister Amir Ohana gewählt. Der 46-jährige ist der erste offen homosexuell lebende Mann in dieser Position in Israel. 

Justizsystem soll gezielt geschwächt werden

Noch vor der Vereidigung wurde eine ganze Reihe umstrittener Gesetzesänderungen im Parlament durchgesetzt. Diese galten als Voraussetzung für den gemeinsamen Koalitionsvertrag. Die Koalition aus Netanjahus Likud-Partei und dem rechtsextremen Religiös-Zionistischen Bündnis sowie zwei strengreligiösen Parteien will tiefgreifende politische Veränderungen durchsetzen und das Justizsystem gezielt schwächen. Die Änderungen könnten laut Experten auch eine Aufhebung des aktuell laufenden Korruptionsprozesses gegen Netanjahu bewirken. Netanjahu betont immer wieder, er werde selbst die Agenda bestimmen und sich nicht von seinen radikalen Partnern lenken lassen.

Begleitet von wütenden Zwischenrufen der Opposition stellte Netanjahu im Plenum die wichtigsten Ziele für die kommenden vier Jahre vor. Man werde alles tun, "damit der Iran uns nicht mit einer Atombombe zerstört". Seine Regierung werde sich außerdem für Annäherungsabkommen mit weiteren arabischen Staaten einsetzen und den Bau eines Hochgeschwindigkeitszugs durch Israel planen.

Ferner wolle die Regierung die Sicherheit verbessern und die hohen Lebenshaltungskosten senken. Netanjahu forderte in seiner Rede die Abgeordneten der Opposition auf, "den Willen der Wähler zu respektieren und die Niederlage zu akzeptieren". Begleitet wurde die Sondersitzung von Unterbrechungen durch Mitglieder der künftigen Opposition, von denen mehrere aus der Knesset entfernt wurden.

Scholz gratuliert zur Amtsübernahme

Bundeskanzler Scholz hat dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu zur Amtsübernahme gratuliert. Scholz teilte mit, Deutschland und Israel verbinde eine besondere und enge Freundschaft. Das werde man weiter pflegen. Nach einer anderthalbjährigen Pause hatte der frühere Langzeit-Ministerpräsident Netanjahu am Nachmittag den Amtseid abgelegt. Vor seiner Vereidigung hatte Netanjahu im Parlament gesagt, oberste Priorität habe die Beendigung des Konflikts zwischen Israelis und Arabern.

Anspruch auf "alle Teile Israels"

In den Leitlinien der Regierung ist festgelegt, dass die Koalition den Siedlungsausbau auch in Gebieten vorantreiben will, die die Palästinenser für einen künftigen Staat beanspruchen. "Das jüdische Volk hat ein alleiniges und unumstößliches Recht auf alle Teile des Landes Israel", heißt es dort. Die Regierung werde die Besiedlung aller Teile Israels voranbringen und entwickeln – in Galiläa, in der Negev-Wüste, auf den Golanhöhen und in Judäa und Samaria (Westjordanland).

Bei Palästinenstern stießen die Leitlinien auf Kritik. Ohne einen unabhängigen palästinensischen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt werde es keine Sicherheit und Stabilität in der Region geben, sagte der Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, Nabil Abu Rudeineh, laut örtlichen Medien. Nach den Resolutionen der Vereinten Nationen seien alle Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem, illegal.

Auch der scheidende Verteidigungsminister Benny Gantz warnte angesichts der Änderungen vor einer weiteren Eskalation der Gewalt und vor Blutvergießen in der Region Westjordanland. Angesichts rassistischer und homophober Äußerungen von künftigen Koalitionsmitgliedern regt sich bereits Widerstand aus verschiedenen Teilen der Bevölkerung. Proteste kamen etwa von Repräsentanten der IT-Branche, Unternehmen, der Luftwaffe und Ärzten.

Linke Proteste gegen neue Regierung in Israel
Linke Proteste in Tel Aviv gegen neue Regierung Netanjahus. Bildrechte: IMAGO / APAimages

Auch während der Parlamentssitzung am Donnerstag hat es laut Berichten vor dem Parlament eine Demonstration mit Hunderten Menschen gegen die neue rechtsextreme Regierung gegeben. Sie trugen Schilder mit der Aufschrift "Kriminelle Regierung" sowie Fahnen der LGBTQ-Bewegung. Zu den Protesten aufgerufen hatte unter anderem die Organisation "Movement for the Quality of Government in Israel".

Lapid: korrupteste Regierung aller Zeiten

Netanjahus Amtsvorgänger, Jair Lapid von der liberalen Zukunftspartei, sagte nach den Gesetzesänderungen, die neue Regierung habe sich bereits vor ihrer Vereidigung als "die korrupteste aller Zeiten" erwiesen. 

Auch Israels Präsident Isaac Herzog äußerte Bedenken über die neue Regierung. Eine Situation, in der Bürger Israels aufgrund ihrer Identität oder ihrer Werte Drohungen befürchten müssten, widerspreche den grundlegenden demokratischen und ethischen Prinzipien des Landes, schrieb er am Sonntag auf Twitter

Netanjahu kehrt mit seiner Vereidigung nach anderthalb Jahren zurück an die Macht. In Israels Geschichte war niemand länger im Amt als der 73-Jährige. Es ist bereits die sechste Regierung, die der Vorsitzende der rechtskonservativen Likud-Partei bildet.

Reuters,AFP,dpa,KNA(amu)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 29. Dezember 2022 | 10:11 Uhr

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