Migration Bund und Länder sehen Asylpolitik auf richtigem Weg
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06. März 2024, 21:44 Uhr
Bundeskanzler Olaf Scholz und die Regierungschefs der Länder haben sich ohne neuerlichen Streit über die weitere Flüchtlingspolitik verständigt. Scholz sagte nach dem Treffen, man sei weggekommen von einem politischen Irrweg mit Achselzucken und abenteuerlichen Vorschlägen. Themen waren unter anderem die Bezahlkarte und eine Obergrenze für Geflüchtete.
- Bundeskanzler Olaf Scholz will weiterhin Bürgergeld für ukrainische Flüchtlinge.
- Haseloff: Kapazitäten der Kommunen sind erschöpft.
- Bis zum nächsten Treffen im Juni sollen Asylverfahren in Drittstaaten geprüft werden.
Die Regierungschefs der Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sehen Deutschland in der Migrationspolitik insgesamt auf einem guten Weg, rechnen aber nicht mit einem schnellen Rückgang der Asylbewerberzahlen. Es seien in den vergangenen Monaten bereits "grundlegende Veränderungen auf den Weg gebracht" worden, betonte der Kanzler nach einer Besprechung in Berlin. Man dürfe bei der Begrenzung der irregulären Migration jetzt nur nicht die Hände in den Schoß legen, sondern müsse "immer am Thema dranbleiben". Scholz erklärte, man sei weggekommen von einem politischen Irrweg mit Achselzucken und abenteuerlichen Vorschlägen.
Scholz will weiter Bürgergeld für ukrainische Geflüchtete
Scholz wies Überlegungen zurück, aus der Ukraine kommenden Geflüchtete statt Bürgergeld künftig nur noch Asylleistungen zu zahlen. Die nach Beginn des Kriegs in der Ukraine getroffene Entscheidung, die ukrainischen Geflüchtete im Bürgergeld einzustufen, habe den 11.000 Gemeinden und 16 Bundesländern eine riesige Entlastung von fünf Milliarden Euro gebracht, sagte Scholz.
Bei seinen Beratungen mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Bundesländer sei dies aber auch nicht diskutiert worden. Im Vorfeld des Treffens hatte es Forderungen gegeben, die Einstufung aus der Ukraine kommender Flüchtlinge zu ändern.
Haseloff: Kapazitäten der Kommunen sind erschöpft
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff beklagte bei MDR AKTUELL, bei der Steuerung der Flüchtlingszahlen habe sich von Seiten des Bundes noch nichts getan. Die Kapazitäten der Kommunen seien aber erschöpft.
Bei MDR SACHSEN-ANHALT erklärte er, die Zahl der Rückführungen müsse deutlich erhöht werden. "Hier sollte der Bund dafür sorgen, dass mehr Länder als sichere Herkunftsstaaten gelten." Grundsätzlich begrüßte Haseloff aber das Engagement von Ländern und Bundesregierung, bereits beschlossene Maßnahmen umzusetzen und zu unterstützen.
Er sei froh, dass der Bund etwa bei der Bezahlkarte für Asylbewerber noch rechtliche Fragen klären wolle. Haseloff stellte klar: "Wir wollen alle eine gelingende Integration und unsere humanitäre Aufgabe erfüllen. Aber wir erleben auch, dass die Unterbringung von Geflüchteten in den Kommunen an die Grenze gekommen ist." Das habe gravierende Auswirkung auf den sozialen Bereich wie Kitas und Schulen.
Kretschmer fordert flexiblere Integration
Auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer betonte, so könnten die Flüchtlingszahlen nicht bleiben. "Das Ziel muss sein: Wir Deutschen haben die Kontrolle darüber, wer kommt", sagte er. Sein Vorschlag für eine Obergrenze von 60.000 Asylbewerbern pro Jahr fand bei dem Treffen jedoch keinen Rückhalt.
Außerdem brauche man neue Ansätze für die Integration, erklärte Kretschmer. "Wir müssen Menschen schnell in die Arbeit bringen und den Spracherwerb parallel organisieren. Dazu muss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge etwas flexibler werden", sagte er bei MDR AKTUELL.
Ramelow: "Brauchen Brücken für reguläre Zuwanderung"
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) betonte, dass bislang vor allem im Fokus stand, wie irreguläre Zuwanderung gebremst werden kann. Jetzt müsse man sich darauf konzentrieren, ein Klima der Akzeptanz zu schaffen. "Wir brauchen Brücken für reguläre Zuwanderung in unsere Arbeitswelt", sagte er. Dafür müsse die Bundesregierung nun Migrationsverhandlungen führen.
Rhein: Debatte über Obergrenze legitim
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sagte, er persönlich finde die von Parteikollegen angestoßene Debatte über eine Obergrenze für Asylbewerber legitim. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat sich für eine Begrenzung auf 40.000 bis 60.000 Menschen im Jahr nach Deutschland ausgesprochen.
Rhein sagte, er habe die große Hoffnung, dass beim nächsten Treffen dieser Runde am 20. Juni klar sei, an welchem Tag die Bezahlkarte für Asylbewerber starten werde. Sie soll teilweise Bargeld-Auszahlungen ersetzen.
Weil mahnt Realismus an
Niedersachsens Landeschef Stephan Weil (SPD) sprach als stellvertretender Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) von einem "grundsätzlichen Wechsel" in der Asylpolitik. Allerdings dürfe man keine unrealistischen Erwartungen haben. Es dauere eine Zeit, bis die Zahlen sinken würden, weil etwa das Ende 2023 beschlossene neue europäische Asylsystem erst noch in die Praxis umgesetzt werden müsse.
Wegner: Berlin stößt bei Unterbringung von Geflüchteten an Grenzen
Nach Einschätzung des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) stößt Berlin bei der Aufnahme und angemessenen Versorgung von Geflüchteten an Grenzen. "Die irreguläre Migration muss wirksam und nachhaltig begrenzt werden. Hier stehen Bund und Länder weiter gemeinsam in der Pflicht", sagte Wegner nach der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin am Mittwoch. "Besonders Berlin und andere Ballungszentren stoßen bei der Unterbringung, aber auch bei Schul- und Kitaplätzen und an vielen anderen Stellen an faktische Grenzen."
Es sei seine Überzeugung, dass der beste Weg für mehr Akzeptanz und schnellere Integration der Menschen, die in Deutschland Schutz suchten, in der zügigen Arbeitsaufnahme liege. "Im Jahr 2023 stand die Türkei in Berlin an der Spitze der Hauptherkunftsländer. Es ist deshalb ein gutes Signal, dass die Bundesregierung klar erklärt hat, dass sie die Fortsetzung des EU-Türkei-Abkommens aktiv vorantreiben wird."
Söder kritisiert Ergebnisse der Konferenz als unzureichend
Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) hat die Ergebnisse der Ministerpräsidenten-Beratungen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Migrationspolitik als unzureichend kritisiert. "Das reicht nicht: Die heutige MPK war wieder nur eine Bestandsaufnahme und hat nichts Neues gebracht", schrieb Söder auf X (ehemals Twitter). Er forderte: "Es braucht endlich eine grundlegende Wende der Migrationspolitik in Deutschland." Länder und Kommunen seien überfordert – und die Ampel unternehme zu wenig dagegen.
Prüfung von Asylverfahren in Drittstaaten
Themen in der knapp zweistündigen Beratung waren auch die Einstufung von Ländern als sichere Herkunftsstaaten, um Asylverfahren beschleunigen zu können sowie striktere Kontrollen der deutschen Binnengrenzen.
Bei dem für Juni angekündigten Treffen soll die Bundesregierung außerdem vortragen, was bei ihrer Prüfung von Asylverfahren in Drittstaaten herausgekommen ist. Das Bundesinnenministerium ist zu der Frage, ob solche Verfahren außerhalb der EU rechtlich und praktisch möglich wären, mit Juristen und Experten im Gespräch.
dpa/AFP/Reuters (yvo)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL - Das Nachrichtenradio | 06. März 2024 | 17:00 Uhr