Hintergrund Absturz von Prigoschin-Flugzeug – was bekannt ist und was nicht

05. Oktober 2023, 20:26 Uhr

Bei einem Flugzeugabsturz am 23. August soll Wagner-Söldnerführer Jewgeni Prigoschin getötet worden sein. Ein Überblick, was über den Absturz bislang bekannt ist und was nicht.

Darum geht es

Abgestürzt ist am 23. August ein Business-Jet vom Typ Embraer Legacy, der regelmäßig von Jewgeni Prigoschin und seiner Privatarmee Wagner genutzt wurde.

Die Insassen

Russische Behörden bestätigten am 27. August, dass der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, beim Absturz getötet wurde. Das staatliche Ermittlungskomitee teilte mit, dass per DNA-Tests alle zehn Personen identifiziert werden konnten, die auf der Passagierliste standen. Neben Prigoschin war unter anderem sein Stellvertreter und der Mitbegründer der Wagner-Gruppe, Dmitri Utkin, auf der Liste mit vermerkt.

Die Passagierliste war kurz nach dem Absturz und für die Luftaufsichtsbehörde ungewöhnlich schnell bereitgestellt worden.

Prigoschin, der lange als Günstling von Präsident Wladimir Putin galt, ist durch die Beteiligung seiner Wagner-Truppe an der Eroberung Bachmuts im Osten der Ukraine zu einem der bekanntesten Männer Russlands aufgestiegen. Später kritisierte er immer wieder die Militärführung in Moskau. Zwei Monate vor dem Flugzeugabsturz hatte er einen kurzlebigen Aufstand angeführt, den Putin als "Verrat" bezeichnete. Für die Beendigung des Aufstands sicherte ihm der Kreml Straffreiheit zu und ließ ihn nach Belarus ausreisen.

Die Wagner-Truppe

Die Wagner-Truppe ist eine Privatarmee, die der Kreml lange für seine Schattenkriege in verschiedenen Weltregionen eingesetzt hatte. Wagner-Söldner waren lange vor dem offiziellen Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine im Donbass aufseiten der Separatisten aktiv. In Syrien kämpften sie als Bodentruppen auf der Seite Moskaus. Auch in vielen Staaten Afrikas ist Wagner aktiv, so in der Zentralafrikanischen Republik und Mali. Die Hilfe für die dortigen Regimes sicherten Russland Einfluss. Prigoschin selbst soll beispielsweise bei der Ausbeutung von Bodenschätzen in den Ländern viel Geld verdient haben.

Der Absturzort

Die Maschine war von Moskau auf dem Weg nach St. Petersburg. Der Absturzort Kuschenkino liegt im nordrussischen Gebiet Twer nahe dem Waldai-See, wo auch Kreml-Chef Putin eine Residenz hat. In der Gegend befindet sich eine Militärbasis, auf der eine Flugabwehreinheit stationiert ist.

Augenzeugen sprachen von zwei lauten Explosionen vor dem Absturz. Die Trümmer liegen weit verteilt, was für ein Auseinanderbrechen des Flugzeugs vor dem Aufprall spricht.

Die Absturzzeit

Die Embraer verlor um 18:19 Uhr Ortszeit (17:19 Uhr MESZ), eine halbe Stunde nach dem Start, deutlich an Höhe. Innerhalb einer halben Minute sank das Flugzeug nach Angaben von Flightradar24 gut zwei Kilometer. Dann hielt es sich einige Sekunden auf der Höhe von rund sechs Kilometern, ehe es abstürzte. Vorher soll es keine Auffälligkeiten beim Flug gegeben haben.

Die Absturzursache

Anderthalb Monate nach dem Absturz hat Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte, dass in den sterblichen Überresten der Absturzopfer Splitter von Handgranaten gefunden wurden. Er verwies dabei auf Angaben des Leiters der Untersuchungskommission. Er versicherte, dass es keine äußere Auswirkung auf das Flugzeug gebe.

Der Prigoschin nahestehende Telegram-Kanal "Grey Zone" hatte kurz nach Absturz von einem Abschuss des Flugzeugs durch die Flugabwehr gesprochen. Auch von einer Bombe an Bord und technischen Problemen war die Rede. Russische Ermittler meldeten zwei Tage nach dem Absturz am 25. August, dass sie den Flugschreiber sichergestellt hätten.

Reaktionen des Kreml auf Absturz

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Absturztag zunächst zu dem Vorfall geschwiegen. Tags darauf sprach er den Angehörigen von Prigoschin sein Beileid aus und kündigte eine umfassende Aufklärung des Absturzes an. Anschuldigungen, wonach der Kreml in den Flugzeugabsturz verwickelt sei, wies Sprecher Dmitri Peskow umgehend zurück.

Experten: Prigoschin war zu selbstsicher

Experten erklärten nach dem Absturz, Prigoschin habe sich zu sicher gefühlt, wenngleich ihn Putin zuletzt als "Verräter" bezeichnet hatte. Der Militärexperte Gustav Gressel sagte MDR AKTUELL, der Chef der "Wagner"-Truppe habe nach seinem Putsch das Exil nicht sehr ernst genommen. Er sei wieder oft in Russland unterwegs gewesen, obwohl er es hätte besser wissen müssen.

Sicherheitsexperte Nico Lange sagte im Interview mit MDR AKTUELL, es sei sehr wahrscheinlich, dass Prigoschin von Putin getötet worden sei. Der Söldnerchef habe den Kremlchef offen herausgefordert. Putin habe gezeigt, dass er das nicht dulde. Das gesamte Interview mit Lange können Sie im folgenden Video sehen.

dpa, afp (kjs, amue)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 27. August 2023 | 18:00 Uhr

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