Migranten klettern über einen Zaun auf der Insel Lampedusa
Das EU-Parlament hat sich auf neue Asylregeln geeinigt. Bildrechte: picture alliance/dpa/Zuma Press | Cecilia Fabiano

Schärfere Regeln für Migration EU-Parlament beschließt Asylreform

10. April 2024, 20:40 Uhr

Das Europäische Parlament hat die umstrittene Asylreform final gebilligt. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwoch in Brüssel für alle zehn Gesetzesvorschläge der Reform. Die neuen Regeln sollen die Migration in die EU begrenzen und steuern. Das Gesetzespaket sieht unter anderem vor, dass Asylsuchende mit geringer Bleibechance schneller und direkt von den EU-Außengrenzen abgeschoben werden.

Das Europaparlament in Brüssel hat der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas) am Mittwoch mehrheitlich zugestimmt. Die zehn Gesetzesvorschläge sollen die Migration in die EU begrenzen und steuern. Im Kern geht es um einheitliche Verfahren, schnellere Abschiebungen und mehr Solidarität unter den EU-Staaten. Über viele der Vorschläge streitet die EU bereits seit 2016, ausgelöst durch die Migrationskrise 2015. Die Abstimmung im EU-Parlament wurde von Protestrufen unterbrochen.

Schnellverfahren an EU-Grenzen für Asylsuchende mit geringen Bleibechancen

Das Gesetzespaket sieht unter anderem vor, dass Asylsuchende mit geringer Bleibechance schneller und direkt von den EU-Außengrenzen abgeschoben werden. Dies betrifft etwa Menschen aus Marokko, Tunesien oder Bangladesch, die eine höchstens 20-prozentige Anerkennungsquote in der EU haben. Solche Verfahren müssen zudem Migranten, die als Sicherheitsgefahr eingestuft werden oder die die Behörden in die Irre geführt haben, etwa mit einem falschen Pass, durchlaufen.

Für die Schnellverfahren sollen die Menschen bis zu zwölf Wochen unter haftähnlichen Bedingungen untergebracht werden. Während der Verfahren gelten sie juristisch als nicht eingereist. Das bedeutet, sie haben nicht dieselben Rechte wie Asylbewerber. Die Mitgliedsländer wollen zunächst 30.000 Plätze in Grenzlagern schaffen, nach vier Jahren sollen es 120.000 sein. Zudem sollen Geflüchtete besser erfasst werden. Dafür müssen künftig bereits sechsjährige Kinder Fingerabdrücke und andere biometrische Daten abgeben.

Gerechtere Verteilung von Geflüchteten innerhalb der EU

Die sogenannte Krisenverordnung ist ein weiterer Baustein des Reformpaketes. Sie sieht Sonderregeln für EU-Staaten vor, die unter besonders hohem Migrationsdruck stehen. Schutzsuchende können dadurch noch länger an der Außengrenze festgehalten werden. Deutschland hatte diese Regelung zunächst wegen humanitärer Bedenken abgelehnt.

Gemäß den neuen Regeln ist grundsätzlich weiterhin das EU-Land für einen Asylbewerber zuständig, in dem dieser zuerst europäischen Boden betreten hat. Zusätzlich ist ein EU-Solidaritätsmechanismus geplant. Dieser soll insbesondere die EU-Staaten an der Außengrenze entlasten und Schutzsuchende innerhalb der EU umverteilen. Länder, die keine Personen aufnehmen wollen, sollen Ausgleichszahlung leisten.

Innenministerin Faeser begrüßt Einigung auf Asylreform

Bundesinnenministerin Nancy Faeser begrüßte die Zustimmung des EU-Parlaments. Die Reform werde die irreguläre Migration wirksam begrenzen und zu einer Entlastung der Kommunen führen, erklärte sie in Berlin. Mit der Einigung habe Europa "eine tiefe Spaltung" überwunden. "Die heutige Entscheidung zeigt auch: Wir überlassen dieses zentrale Thema nicht den Rechtspopulisten, die Menschen in Not für ihre Stimmungsmache missbrauchen", sagte sie.

Asylreform: Gemischte Resonanz im Europaparlament

Innerhalb des EU-Parlaments fällt die Bewertung der EU-Asylreform sehr unterschiedlich aus. "Das heutige Votum ist ein historischer Moment für Europa und ein Meilenstein für ein gemeinsames europäisches Asylsystem", erklärte die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont. Ähnlich sieht es die FDP. "Endlich schaffen wir klare Regeln für die ankommenden Menschen und schnellere Verfahren an den Außengrenzen. Damit bringen wir mehr Ordnung in das europäische Migrationssystem", erklärte der FDP-Parlamentarier Jan-Christoph Oetjen.

Mitglieder des Europäischen Parlaments nehmen an einer Reihe von Abstimmungen teil, während sie an einer Plenarsitzung im Europäischen Parlament teilnehmen.
Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwoch im EU-Parlament für die Asylreform. Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Geert Vanden Wijngaert

Die Sozialdemokraten betrachten die Reform mit gemischten Gefühlen. Die Europaabgeordnete Birgit Sippel (SPD) erklärte, um einen Kompromiss zu erzielen, habe ihre Fraktion "hohe Zugeständnisse" machen müssen. Sie wolle Kritik nicht verschweigen. So seien etwa verpflichtende Grenzverfahren für Familien eines der "hochproblematischen Elemente."

Die Grünen im Europaparlament sehen das Paket als eine "Verschlechterung der aktuellen Situation" und stimmten gegen eine Mehrheit der Gesetzesentwürfe, wie die Europaabgeordnete Katrin Langensiepen (Grüne) erklärte. Auch die Linke äußerte heftige Kritik. Der Beschluss "ebnet den Weg für einen beispiellosen Rechtsruck in der EU-Asylpolitik", sagte die Abgeordnete Cornelia Ernst.

Sorge um Menschenrechte

Zuvor hatte es massive Kritik an der Reform gegeben, unter anderem, weil auch Familien mit Kindern in die streng kontrollierten Auffanglager kommen könnten. Die Bundesregierung und das Europaparlament hatten versucht, dies zu verhindern, scheiterten in den Schlussverhandlungen allerdings am Widerstand von Ländern wie Italien.

Für Kritik sorgte auch, dass abgelehnte Asylbewerber künftig leichter in sichere Drittstaaten abgeschoben werden können. Denn mit der Einigung können jetzt mehr Drittstaaten als sicher eingestuft werden, dies gilt auch für bloße Teilgebiete von Staaten. Grundlage dafür können auch nationale Einschätzungen sein. Das Bündnis "Seebrücke" sprach davon, dass die Verschärfungen die grundlegenden Rechte von Menschen auf der Flucht bedrohten. Es sei an der Zeit, dass Europa seine Verantwortung wahrnehme und Schutzsuchenden einen sicheren Hafen biete.

Staaten haben zwei Jahre für Umsetzung

Nach dem EU-Parlament muss noch der Rat der EU-Mitgliedstaaten der Reform zustimmen. Dies gilt als Formsache. Anschließend haben die Staaten zwei Jahre Zeit für die Umsetzung.

EPD, AFP, dpa, MDR (smk)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 10. April 2024 | 19:00 Uhr

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