Ein Mitarbeiter in Schutzkleidung desinfinziert die Reifen eines Trucks.
Seit Wochen kämpft die Slowakei gegen die Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche. An den Grenzen werden alle Fahrzeuge desinfiziert. Bildrechte: IMAGO / CTK Photo

Debatte eskaliert Tierseuche in der Slowakei: Zwischen Desinfektion und Desinformation

28. April 2025, 05:00 Uhr

Seit Wochen kämpft die Slowakei gegen die Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche – mit drastischen Maßnahmen und tiefgreifenden Konsequenzen für Landwirte. Die Lage scheint inzwischen stabilisiert, doch rechte Influencer und Radikale versuchen, die Krise politisch auszunutzen.

Der tschechische Journalist Robert Schuster
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Kontrollen und Desinfektion an den Grenzen

Um ein Überschwappen der Maul- und Klauenseuche auf ihr Territorium zu verhindern, schränkten die Nachbarstaaten Tschechien und Österreich den grenzüberschreitenden Verkehr mit der Slowakei ein und verhängten Restriktionen bei der Einfuhr von landwirtschaftlichen Produkten aus dem Land. Viele kleine Grenzübergänge wurden geschlossen, um die Lkw an den übrigen besser kontrollieren und desinfizieren zu können. Auch Pkw müssen über einen Desinfektionsteppich fahren. An den noch offenen Übergängen bilden sich deshalb lange Staus. Insbesondere für Pendler, die täglich in die eine oder andere Richtung fahren, ist das strapaziös.

Polizeibeamte und Mitarbeiter der staatlichen Veterinärverwaltung inspizieren und desinfizieren Autos.
An den Grenzübergängen und rund um infizierte Zuchtbetriebe müssen Pkw über spezielle Desinfektionsmatten fahren. Bildrechte: IMAGO/CTK Photo

Zu dieser Gruppe gehört Elena Seeber, die in der Slowakei arbeitet und in Österreich kurz hinter der Grenze wohnt. Sie fährt mehrmals täglich zwischen beiden Staaten hin- und her. "Die größte Herausforderung ist das Warten in Kolonnen, die sich regelmäßig bilden, vor allem zu Stoßzeiten, vor Wochenenden und Feiertagen", sagt die Pendlerin dem MDR. Dennoch würde sie nicht so weit gehen, die Beschränkungen mit jenen aus den Zeiten der Corona-Pandemie zu vergleichen. Damals habe es in jedem Land eigenständige Regeln gegeben, die häufig nicht aufeinander abgestimmt gewesen seien.

Und ob die jetzigen Maßnahmen auch von allen eingehalten werden? Da hat Elena Seeber ihre Zweifel: "Ein wenig augenzwinkernd kann man sagen, dass natürlich jede Regel dazu da ist, umgangen zu werden", sagt sie, fügt allerdings hinzu: "Ich denke andererseits, dass so manchem, der die vielen Tausend notgeschlachteten Tiere gesehen hat, die Lust vergangen ist, die geltenden Beschränkungen und Regeln zu missachten."

Kontrolle eines Pferdetransporters an der Grenze zwischen der Slowakei und Ungarn
Kontrollen des Veterinäramts sollen verhindern, dass Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen aus der Slowakei nach Tschechien eingeführt werden. Pferde haben dagegen grünes Licht, weil sie sich mit der Maul- und Klauenseuche nicht anstecken können. Bildrechte: IMAGO/CTK Photo

Tausende Tiere notgeschlachtet

Seit etwas mehr als einem Monat ist die Slowakei im Bann der Maul- und Klauenseuche. Während für Menschen diese äußerst aggressive Virus-Krankheit weitgehend ungefährlich ist, hat sie für befallene Rinder, Schweine und Schafe fatale Folgen. Ihr können allerdings auch exotische Tiere in Zoos zum Opfer fallen, etwa Elefanten oder Antilopen. Die Ausbreitung der Krankheit kann eigentlich nur durch radikale Lösungen unterbunden werden: Ganze Herden müssen notgeschlachtet werden. Ebenso ist es notwendig, die betroffenen Gebiete von der Außenwelt zu isolieren und strenge Hygienevorschriften einzuhalten, einschließlich einer gründlichen Desinfizierung.

Entsprechend intensiv waren die behördlichen Kontrollen. Bei den Zufahrten zu den Infektions-Brennpunkten standen Polizei-Patrouillen, die Unbefugten den Zutritt verweigerten und gleichzeitig verhindern sollten, dass die Eigentümer der Herden versuchen, noch auf die Schnelle, häufig in Nacht- und Nebelaktionen, ihre Tiere wegzubringen, um sie vor einer Notschlachtung zu retten. Für viele Züchter war das eine äußerst emotionale Angelegenheit, denn schließlich bestand das Risiko, dass sie wegen der Krankheit binnen kürzester Zeit um die Grundlage ihrer über Jahre aufgebauten wirtschaftlichen Existenz gebracht werden. Daher waren bei den Notschlachtungen oft auch Psychologen zur Stelle, um den Tierhaltern seelisch beizustehen.

Polizei- und ein Rettungswagen stehen an einem Acker.
Tausende Tiere mussten in betroffenen Zuchtbetrieben gekeult werden. Neben einem Polizei- und Feuerwehraufgebot waren auch Pychologen vor Ort, um die betroffenen Landwirte zu betreuen. Bildrechte: IMAGO / Branislav Racko

Wie die Krankheit ins Land gekommen ist, gilt nach wie vor als nicht hundertprozentig gesichert. Die wohl wahrscheinlichste Hypothese lautet, dass das für die Tiere tödliche Virus aus dem benachbarten Ungarn eingeschleppt wurde, wo die Krankheit schon zuvor ausgebrochen war. Dem würden auch die Seuchen-Brennpunkte im Süden der Slowakei, also in Grenznähe zu Ungarn, entsprechen. Eine weitere Annahme, die auch von Experten der EU-Kommission vertreten wurde, lautet, dass die hoch ansteckende Infektion auf natürlichem Weg ins Land gelangen konnte, beispielsweise auf Grund der Witterung. Das Virus, dass die Maul- und Klauenseuche auslöst, kann nämlich durch Wind übertragen werden, wenn eine hohe Viruskonzentration in der Luft vorliegt.

Maul- und Klauenseuche endlich unter Kontrolle?

In der Slowakei scheint mittlerweile die Lage unter Kontrolle zu sein. In den letzten Tagen wurden keine neuen Fälle von Maul- und Klauenseuche gemeldet. Landwirtschaftsminister Richard Takáč hat bereits angedeutet, dass Anfang Mai die bestehenden Maßnahmen aufgehoben werden könnten.

Jetzt beginnt allerdings auch die Zeit des Bilanzierens: An insgesamt sechs Standorten mussten mehr als 7.000 Tiere notgeschlachtet werden – entweder, weil sie bereits krank waren, oder aber aus präventiven Gründen, da sie sich im Umkreis von drei Kilometern von einem Ort befanden, an dem die Infektion ausgebrochen war.

Ein Mann in Schutzkleidung gibt einem LKW mit der Hand Zeichen, für eine Desinfektion anzuhalten.
Die Szenen an den Grenzübergängen zwischen der Slowakei und den Nachbarländern erinnern an die Akw-Katastrophe von Tschernobyl. Bildrechte: IMAGO / CTK Photo

Die Regierung hat angekündigt, die Eigentümer der notgeschlachteten Tiere zu entschädigen. Dafür will sie einen zweistelligen Millionen-Betrag lockermachen und kann dabei wohl auch auf Unterstützung der EU hoffen.

Politische Extremisten kapern das Thema

Es sei keine Frage, dass an den Grenzen der Slowakei zu den Nachbarstaaten früher oder später wieder Normalität einkehren wird. Was wohl aber nicht in ruhigen Bahnen verlaufen wird, ist die politische Aufarbeitung der Maul- und Klauenseuche. Seit Wochen versuchen politische Extremisten, das Thema zu kapern. So werden z.B. die Behörden der Anwendung von "Gestapo-Methoden" bezichtigt, weil sie angeblich auf die Höfe vordrangen und dort die Tiere "wahllos hinrichteten". Dazu wurden Videos auf Social-Media-Plattformen veröffentlicht, die viral gingen und von Tausenden von Usern gesehen und geteilt wurden.

Der Neonazi Marian Kotleba behauptete wiederum in einem Video, die Seuche sei künstlich verbreitet worden, um zu erreichen, dass die Menschen zwangsweise mit Impfstoffen auf mRNA-Basis geimpft werden. Und natürlich darf in diesem Zusammenhang auch nicht die so genannte "Ukraine-Theorie" fehlen, wonach die Maul- und Klauenseuche ihren Ursprung in der Ukraine habe – dort soll es ja entsprechende Labors geben, wie eine der gängigsten Verschwörungsgeschichten besagt. In der Slowakei soll die Infektion dann quasi aus Rache verbreitet worden sein, weil die Regierung von Premier Robert Fico die Ukraine weder militärisch, noch politisch unterstützen will.

Die sprichwörtliche "Krone" aufgesetzt hat dem Ganzen allerdings Sportminister Rudolf Huliak, ebenfalls ein Radikaler. Er bezeichnete die erfolgten Notschlachtungen unlängst als "Vaterlandsverrat an der slowakischen Landwirtschaft" und forderte den Landwirtschaftsminister auf, den Leiter der obersten slowakischen Veterinärbehörde zu entlassen. Einmal mehr zeigt sich also, dass die Regierung die Geister, die sie vor den letzten Wahlen geweckt hat, indem sie auf die Unterstützung von radikalen Influencern setzte, nicht mehr loswird.

MDR (baz)

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