Bahnfahren in Osteuropa Ukraine - eine Herausforderung für die Deutsche Bahn
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02. Februar 2020, 05:00 Uhr
Die Deutsche Bahn steigt bei der ukrainischen Eisenbahn Ukrsalisnyzja ein. Die DB will die Ukrainische Eisenbahn in den nächsten Jahren unternehmerisch und technisch beraten und unterstützen, heißt es dazu aus der deutschen Bahnzentrale. Die Ukrsalisnyzja hat massive Probleme mit Infrastuktur und Korruption, ist aber aus Sicht der Kunden durchaus gut aufgestellt.
Die Ukrainische Eisenbahn - ein Zuschussgeschäft
Die Ukrsalisnyzja, die Ukrainische Eisenbahn, hat zwar im Jahr 2019 nach eigenen Angaben mehr als 90 Millionen Euro Gewinn gemacht. Doch der Personenreiseverkehr brachte nach wie vor ein dickes Minus - umgerechnet rund 440 Millionen Euro Defizit fuhr er ein. Ohne staatliche Hilfe kommt die ukrainische Bahn also nicht aus. Denn Bahntickets dürfen nicht viel kosten in der Ukraine, das Durchschnittsgehalt liegt bei umgerechnet etwa 440 Euro im Monat. So kostet eine fünfstündige Fahrt zwischen der Hauptstadt Kiew und Charkiw im Osten des Landes in der zweiten Klasse eines modernen Schnellzuges umgerechnet nur etwa zwölf Euro.
Mehr Komfort seit der Fussball-EM 2012
Zur Fussball-Europameisterschaft 2012 hatte die Ukraine Schnellzüge des südkoreanischen Herstellers Hyundai eingekauft, um schnelles Reisen von Kiew aus in die wichtigsten Städte des Landes, nach Lwiw im Westen, nach Charkiw im Osten oder nach Odessa im Süden möglich zu machen. Mittlerweile fahren neben den Hyundai-Zügen auch solche des tschechischen Herstellers Skoda und aus ukrainischer Produktion. 16 Schnellzüge bedienen inzwischen täglich acht Routen im größten Land Europas.
In den Zügen gibt es, wie in ICs oder ICEs in Deutschland, eine 1. und 2. Klasse und kostenloses WLAN. Das funktioniert aber nicht besonders gut, was vor allem am schlechten 3G-Empfang in der ukrainischen Provinz liegt. Dafür ist der Kaffee gut. In den Nachtzügen, die noch immer einen großen Anteil am Personenverkehr in der Ukraine haben, ist auch ein "Lunchpaket" inklusive.
Verspätung? - Wie bitte?!
Großes Lob bekommt die Ukrainische Eisenbahn von den Ukrainern in Sachen Pünklichkeit. Verspätungen, wie sie in Deutschland an der Tagesordnung sind, kommen in der Ukraine selten vor. Das hat zum einen damit zu tun, dass das Schienennetz in der Ukraine längst nicht so dicht und so komplex ist wie in Deutschland. Zum anderen sind die Fahrpläne großzügig getaktet. Denn Bahndämme und Gleise sind recht veraltet und stark sanierungsbedürftig. Deswegen heißt auch für die Schnellzüge: Spitzengeschwindigkeit 160 km/h.
Sanierungsstau
Doch das Schienennetz ist nicht der einzige Bereich, in dem die ukrainische Bahn dringend Investitionen bräuchte. Ukrsalisnyzja schätzt den Abnutzungsgrad seines Waggon- und Lokomotivparks auf 80 Prozent, im Nahverkehr spricht man sogar von 90 Prozent.
Und auch im Fernverkehr, der vor allem mit Nachtzügen bestritten wird, gibt es nur wenige Erneuerungen. Im Herbst 2019 hat Ukrsalisnyzja einen neuen Nacht-Schnellzug von Kiew nach Mariupol eingesetzt, in die größte Stadt im Donbass, die noch nicht in die Hände pro-russischer Kämpfer gefallen ist. Allerdings sind das alte Loks und Waggons, die nur von Grund auf renoviert wurden. Bis zu 14 Stunden brauchen sie für die fast 800 Kilometer lange Strecke.
Deutsche Hoffnung für die Ukrainische Eisenbahn?
Es gibt also eine Menge zu tun. Die ukrainische Regierung setzt große Hoffnungenauf die Deutschen. "Ja, wir wollen unsere Bahn für zehn Jahre an die Deutschen abgeben. Die politische Entscheidung ist bereits gefallen“, sagte der ukrainischen Ministerpräsident Olexij Hontscharuk am Rande des Wirtschaftsforums in Davos. Doch ukrainische Experten zweifeln daran, ob die DB bei Abnutzungsproblemen hilfreich sein kann. "Dass die Eisenbahn in Deutschland modern ist, hat in erster Linie nicht mit dem Management der DB zu tun, sondern mit den riesigen staatlichen Subventionen", meinte etwa der ehemalige stellvertretende Infrastukturminister Olexander Kawa im ukrainischen Fernsehsender Nasch. Der Tenor: Hätte die Ukraine ebenfalls mehr als zehn Milliarden Euro jährlich in die Bahn investieren können, wäre die Zusammerarbeit mit der DB sicher nicht notwendig. Das Grundproblem liege woanders.
Hilfe bei der Korruptionsbekämpfung?
Eventuell können die Deutschen ihren ukrainischen Kollegen bei der Korruptionsbekämpfung helfen. Die Lage soll so schlimm sein, dass Ministerpräsident Hontscharuk Ende 2019 offen von "totaler Korruption" sprach. "Die Ukrsalisnyzja wird einfach ständig ausgeraubt", klagt Hontscharuk. Verschiedene Einflussgruppen innerhalb der Bahn würden massiv von vorentschiedenen Ausschreibungsergebnissen profitieren, einsatzfähige Lokomotiven würden nicht im Interesse der Bürger auf die Strecke geschickt, sondern dorthin, wo man privat mehr abkassieren kann. Seit Jahren gelingt es nicht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Die ukrainische Regierung präsentiert den Einstieg der Deutschen deshalb nun als großen Erfolg. Kritik oder Befürchtungen, da finde ein Ausverkauf staatlicher Infrastruktur statt, werden zerstreut. Ministerpräsident Hontscharuk versichert: "Wir zeigen nur, wie offen wir für Investitionen sind. Erst werden wir einfach nur deutsche Berater haben. Dann schauen wir, ob sie in die Unternehmensführung geholt werden." Die Ukrainer würden in den nächsten Jahren Beratung und Unterstützung in unternehmerischen und technischen Fragen bekommen, heißt es von der Deutschen Bahn. Die mögliche Einbindung in die operative Unternehmensführung solle Anfang Februar in einem Memorandum geregelt werden.
Ukrsalisnyzja ist eines der staatlichen Unternehmen, die von Gesetzes wegen nicht privatisiert werden dürfen. Es bleiben letztlich die Übernahme der Verwaltung und Beratungsdienste. Hinauskommen wird es also auf einen Mix aus einer Rolle in der Unternehmensführung und der Beratungstätigkeit.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 25. Dezember 2019 | 19:30 Uhr