Szene aus Musikvideo
Der fiktive Ministerpräsident im Musikvideo des ungarischen Rappers Majka auf Youtube. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ungarische Politsatire "Es muss Geld vom Himmel fallen!" – Warum ein Musikvideo in Ungarn zum Aufreger wird

24. Januar 2025, 09:19 Uhr

In Ungarn macht Rapper Majka mit einem satirischen Musikvideo Furore. Ein fiktiver Premierminister gesteht Korruption und Manipulation – Parallelen zur ungarischen Realität sind unübersehbar. Warum das Video in Ungarn stürmische Reaktionen auslöst.

Dem ungarische Rapper Majka, der mit bürgerlichem Namen Péter Majoros heißt, ist gelungen, wovon viele Musiker nur träumen können: Das ganze Land diskutiert das Video zu seinem neuen Song "Csurran, cseppen". Wörtlich übersetzt heißt das "Es rinnt, es tropft". Gemeint ist Geld, nämlich im Sinne von "Kleinvieh macht auch Mist" oder "Da fällt etwas für jemanden ab". Auf YouTube wurde der Mitte Januar veröffentlichte Clip innerhalb einer Woche mehr als sieben Millionen Mal aufgerufen – und das, obwohl in Ungarn nur 9,6 Millionen Menschen leben. Dort wie auch im benachbarten Österreich steht der Clip an der Spitze der Trend-Charts, in Deutschland immerhin in den Top 10.

Im Musikvideo zu dem Song geht es um den korrupten Premierminister des fiktiven Landes "Bindzsisztán", der nach Jahren an der Regierung ein seltenes Live-Interview im Fernsehen geben soll. Doch kurz zuvor bekommt er von einem Kellner ein Wahrheitsserum verabreicht, woraufhin er live in deftigen Worten zugibt, dass es ihm die ganze Zeit nur ums Geld gegangen sei und dass er die Wähler verachte und manipuliere. "Es muss Geld vom Himmel fallen! Ich überlebe alles!", singt der machtbesoffene Politiker.

Parallelen zu ungarischen Zuständen

Obwohl der fiktive Premier ganz anders aussieht als der tatsächliche ungarische Regierungschef Viktor Orbán, ist doch sehr klar, dass Majka auf die Zustände in Ungarn anspielt. Dafür sorgen zahlreiche Textpassagen: Etwa, wenn er sagt, dass er "nur die Homosexuellen beschimpfen musste" und den Menschen Angst machen müsse, um Wahlen zu gewinnen. Oder wenn er über seine Freunde aus Kindheitstagen spricht, mit denen er gemeinsame Sache mache. So ist die LGBTQI-Feindlichkeit der Regierung Orbán dokumentiert, genauso wie ihre Angst-Rhetorik. Und zahlreiche Menschen aus Orbáns persönlichem Umfeld sind seit einem Amtsantritt sehr reich geworden – ein Freund aus Kindertagen ist sogar vom erfolglosen Geschäftsmann zum reichsten Mann Ungarns und Forint-Billionär aufgestiegen. 

Dass ein kleiner Kreis um den Ministerpräsidenten es zu viel Reichtum gebracht hat, während große Teile der Bevölkerung unter der hohen Inflation stöhnen, stößt vielen Menschen in Ungarn übel auf – und wird von der Opposition harsch kritisiert. Gerade der Oppositionspolitiker Péter Magyar, dessen Tisza-Partei in den Umfragen derzeit vor Orbáns Fidesz liegt, wird nicht müde, darauf hinzuweisen. Daher ist es wohl auch kein Zufall, dass der Kellner, der dem Premier von "Bindzsisztán" das Wahrheitsserum verabreicht, Péter Magyar ziemlich ähnlich sieht.

Peter Magyar, früherer Ehemann von Orbans ehemaliger Justizministerin Varga, hält eine Rede am Kossut-Lajos-Platz.
Viktor Orbáns politischer Konkurrent Péter Magyar (Archiv). Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Denes Erdos

Majkas Song hat ganz offensichtlich einen Nerv getroffen, wie man auch an den Kommentaren unter dem Video ablesen kann: "Das zeigt perfekt, was sich hinter der Maske der Politik verbirgt", heißt es da oder: "Möge das die Hymne der Revolution im nächsten Jahr sein!" In Ungarn wird 2026 ein neues Parlament gewählt. Und immer schreiben die User mit Blick auf die Klick-Zahlen: "Das ist die wahre nationale Konsultation!" Gemeint ist eine von der Regierung initiierte Briefbefragung der Bevölkerung, genannt "Konsultation", die die ungarische Regierung immer wieder zu verschiedenen Themen durchführt. Allerdings werden die – auch wegen der oft suggestiven Fragestellung – von vielen Menschen als Manipulation wahrgenommen.  

Kommentare zum Clip in Politik und Medien

Derweil hat der Song des Rappers Majka weite Kreise gezogen. Sowohl der ehemalige Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány als auch Péter Magyar haben auf Social Media amüsiert auf den Clip hingewiesen. Manch ein Medium hat gar Wissenschaftler bemüht, um das Video und seine Auswirkungen auf die Politik zu analysieren. Orbán-treue Medien dagegen veröffentlichten Artikel, die lautstark betonen, wie irrelevant das Musikvideo und der Künstler seien. Und der regierungstreue Fernsehsender TV2, in dessen Programm Majka oft auftrat, veröffentliche derweil eine Distanzierung von dem Rapper. Die nimmt zwar nicht auf das Video selbst Bezug, sondern kritisiert den Musiker dafür, dass er sich in der Vergangenheit kritisch zu Donald Trumps Wiederwahl in den USA geäußert hatte.

Und der Künstler selbst? Der ließ auf Facebook wissen, er wolle sich nicht auf eine politische Seite schlagen, denn: "Ich stehe der gesamten politischen Elite kritisch gegenüber." Im Übrigen hätte er den Song in erster Linie geschrieben, um zu unterhalten.

MDR (usc)

Geschäfte mit großem SPAR-Logo 4 min
Bildrechte: IMAGO / Depositphotos
4 min

Ungarn gilt als besonders wirtschafts- und investorenfreundliches Land. Doch seit mehreren Jahren bereiten verschiedene Sondersteuern den Unternehmen Kopfschmerzen.

MDR AKTUELL Sa 14.12.2024 11:25Uhr 03:32 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/ostblogger/heute-im-osten-ungarn-steuern-kiss-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Ein Angebot von

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten | 04. Dezember 2024 | 11:25 Uhr

Mehr Politik in Osteuropa

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk nimmt an einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj (nicht im Bild) nach ihrem Treffen im Büro des Premierministers teil. mit Audio
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk nimmt an einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj (nicht im Bild) nach ihrem Treffen im Büro des Premierministers teil. Bildrechte: picture alliance/dpa/PAP | Pawel Supernak
Zerstörung und ein Toter nach russischen Raketenangriffen auf Kiew 1 min
Zerstörung und ein Toter nach russischen Raketenangriffen auf Kiew Bildrechte: EBU
1 min 12.02.2025 | 10:01 Uhr

Kiew ist in der Nacht zu Mittwoch von Russland mit mehreren Raketen angegriffen worden. Dabei wurde ein Mensch getötet und mindestens drei verletzt. An mehreren Orten brannte es.

MDR FERNSEHEN Mi 12.02.2025 08:19Uhr 00:26 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/video-kiew-angriff-rakete-ukraine-russland-tot-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus Osteuropa

Ein Arbeiter kontrolliert den Abbau von Ilmenit, einem Schlüsselelement für die Gewinnung von Titan, in einem Tagebau in der Zentralukraine. Ilmenit ist das bedeutendste Titan-Mineral. mit Audio
Ein Arbeiter kontrolliert den Abbau von Ilmenit, einem Schlüsselelement für die Gewinnung von Titan, in einem Tagebau in der Zentralukraine. Ilmenit ist das bedeutendste Titan-Mineral. Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Efrem Lukatsky