Debatte um Euro-Einführung Die Tschechen wollen bei der Krone bleiben
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13. Januar 2024, 16:16 Uhr
Der Euro ist in Tschechien äußerst unbeliebt und seine Einführung wird wohl noch lange Zukunftsmusik bleiben – obwohl das Land dazu eigentlich seit seinem EU-Beitritt vor rund 20 Jahren verpflichtet ist! Die emotionale Bindung der Bürger an die tschechische Krone ist einfach zu groß. Das wird jetzt auch in der Debatte deutlich, die entbrannt ist, nachdem Präsident Petr Pavel, die Einführung der Gemeinschaftswährung angemahnt hatte.
Mit dem Beginn des neuen Jahres ist über Tschechien ein Thema hereingebrochen, das bis dahin ein Nischendasein fristete: Die Einführung des Euro.
Präsident mahnt Euro-Einführung an
Ausgelöst hat die Debatte Staatspräsident Petr Pavel in seiner Neujahrsansprache. Für viele überraschend, appellierte das Staatsoberhaupt an die Politiker des Landes, konkrete Schritte in Richtung europäischer Gemeinschaftswährung zu unternehmen. Er verwies darauf, dass sich das Land bei seinem EU-Beitritt vor zwanzig Jahren dazu verpflichtet habe und es nun an der Zeit sei, dem auch nachzukommen.
Die Reaktionen der anderen Politiker ließen nicht lange auf sich warten und waren bis auf einige wenige Ausnahmen negativ. Es ist allerdings fraglich, wie viele von ihnen den Euro tatsächlich ablehnen und wie viele das aus konjunkturellen Gründen machen, um "auf der sicheren Seite der Geschichte" zu stehen. Eine überwiegende Mehrheit der Tschechen lehnt nämlich die Einführung des Euro ab. Entsprechende Erhebungen belegen das schon seit vielen Jahren.
Umfragen: Tschechen lehnen Euro ab
Erst im vergangenen Sommer bestätigte das erneut eine Umfrage von Eurobarometer. Demnach sind 54 Prozent der Tschechen gegen die Einführung der Gemeinschaftswährung, lediglich 44 sind dafür. Im Vergleich zu den übrigen EU-Mitgliedsländern, die den Euro ebenfalls noch nicht eingeführt haben, also Rumänien, Schweden, Polen und Ungarn, ist die Unterstützung für den Euro nirgendwo so niedrig wie in Tschechien. Die größten Euro-Enthusiasten in dieser Gruppe sind laut Eurobarometer die Ungarn mit 72 Prozent, dicht gefolgt von den Rumänen mit 71 Prozent.
Ein ähnliches Bild, was die Tendenz angeht, zeigt auch eine Erhebung des tschechischen Meinungsforschungsinstituts CVVM, das bei der Akademie der Wissenschaften angesiedelt ist. Dessen Zahlen gehen sogar von einer noch größeren Ablehnung des Euro aus, nämlich 73 Prozent, wohingegen lediglich 22 Prozent der Befragten dessen Einführung unterstützen würden.
Dabei ist, wie in fast allen Umfragen zu diesem Thema, ein festes Muster sichtbar: Je älter die Befragten sind und je niedriger deren Bildungsstand ist, desto größer ist ihre Ablehnung des Euro. Auf politische Sympathien bezogen ist sie am größten unter den Anhängern der populistischen Bewegung ANO von Ex-Premier Andrej Babiš, der rechtsradikalen SPD von Tomio Okamura und den Kommunisten. Für die beiden letztgenannten Gruppierungen kommt eine Unterstützung für den Euro fast einem Landesverrat gleich.
Regierungskoalition uneinig über Euro-Einführung
Uneins in dieser Frage ist aber auch die regierende Fünf-Parteien-Koalition von Premier Petr Fiala. Klare Euro-Befürworter sind die Piraten-Partei, die liberale TOP09, wie auch die aus der Kommunalpolitik hervorgegangene Bürgermeister-Partei STAN. Die Christdemokraten sind zwar im Prinzip ebenfalls für den Euro, sehen allerdings noch nicht den geeigneten Zeitpunkt gekommen.
Kategorisch dagegen stellt sich die stärkste politische Kraft in der Regierung, die Demokratische Bürgerpartei (ODS) von Premier Fiala. Unlängst hat er der Gemeinschaftswährung mit folgenden Worten eine klare Absage erteilt: "In dieser Legislaturperiode werden wir uns nicht mit dem Euro beschäftigen." Er verwies auch auf den gültigen Koalitionsvertrag, wo dieses Thema nicht enthalten ist.
Die beiden Parteien TOP09 und STAN haben als Reaktion auf die Aufforderung Präsident Pavels dennoch vorgeschlagen, zumindest einen offiziellen Regierungsbeauftragten für den Euro zu ernennen. Dessen Aufgabe sollte es sein, eine landesweite Debatte anzustoßen und dafür zu sorgen, dass Tschechien in den als "Euro-Warteraum" bezeichneten Wechselkursmechanismus II eintritt.
Das stieß allerdings bei Finanzminister Zbyněk Stanjura, auch er ist ein Politiker der ODS, auf wenig Verständnis. Im Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (ČT) erinnerte er daran, dass die Regierung nicht angetreten sei, den Euro einzuführen, sondern die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen. Für dieses Jahr hat sich das bürgerliche Kabinett als Ziel gesetzt, das Haushaltsdefizit von den gegenwärtigen 3,6 Prozent des BIP auf 2,2 Prozent zu drücken. Damit würde Tschechien tatsächlich eines der Maastricht-Kriterien erfüllen.
Emotionale Bindung an tschechische Krone
Einer der Gründe für die geringe Akzeptanz des Euro könnte sein, dass die Tschechen zu ihren Kronen ein sehr emotionales Verhältnis haben. Mit einer Währung dieses Namens wurde noch zu Zeiten der K.u.K.-Monarchie bezahlt. Nach der Gründung der Tschechoslowakei im Jahr 1918 wurde die tschechoslowakische Krone eingeführt, die sich mit der Zeit zu einer sehr stabilen und für damalige Verhältnisse "harten" Währung entwickelte, die für viele Bürger damals auch zu einem Symbol des Wohlstands wurde. Auch die Kommunisten wollten an der Krone nicht rütteln, obwohl sie viel an Wert eingebüßt hatte und in Zeiten der Planwirtschaft nicht frei konvertierbar war.
Die starke Bindung der Bevölkerung an die Landeswährung erklärt vielleicht auch, warum Tschechiens Europaminister Martin Dvořák von der STAN für den größten Aufreger in der gegenwärtigen Euro-Debatte sorgte. Nicht nur, dass er sich hinter den Euro stellte – er bezeichnete die tschechische Krone vielmehr als "Mini-Währung" und somit als unbedeutend, womit er sich eine Reihe von Rücktrittsforderungen einhandelte.
Euro-Einführung – ein Präsidententhema
Nicht nur die Neujahrsansprache von Staatsoberhaupt Pavel zeigt aber auch, dass der Euro in Tschechien eine Art Präsidententhema ist. An vorderster Front gegen die Gemeinschaftswährung kämpft nämlich der einstige Staatspräsident und vormalige Premierminister Václav Klaus. Er hält nicht nur den Euro, sondern auch die gesamte Europäische Union für ein Fehlkonstrukt und daher zum Scheitern verurteilt. Dementsprechend harsch fiel auch seine Reaktion auf den Vorstoß seines Nachfolgers Pavel aus, den er wörtlich als "Laien" bezeichnete. Die Überlegungen hinsichtlich einer Euro-Einführung bezeichnete Klaus schlichtweg als "einen Anschlag auf die Tschechische Republik".
Der direkte Nachfolger von Klaus, der bis zum Frühjahr vergangenen Jahres amtierende Ex-Präsident Miloš Zeman, ist da etwas gemäßigter, obwohl auch ihm Populismus nicht fremd ist. Unlängst meinte er, dass er zwar die Vorteile der europäischen Währung anerkenne, insbesondere was das Wegfallen der Umrechnungskurse für die Unternehmen angehe. Gleichzeitig warnte er jedoch davor, dass die tschechischen Bürger "für die griechischen Schulden" aufkommen müssten.
So scheint der Euro in Tschechien noch Lichtjahre entfernt zu sein. Allerdings brachte das Jahr 2024 dennoch eine wichtige Neuerung mit sich: Einheimische Unternehmen können ihre Buchhaltung seit Jahresbeginn in Euro, nebst US-Dollar und britischen Pfund, führen, wenn diese Währungen in ihren unternehmerischen Tätigkeiten überwiegen, d.h. wenn sie vor allem in die entsprechenden Länder exportieren. In diesen Währungen können sie auch die Steuern bezahlen. Ein winziger Schritt in Richtung Euro, immerhin.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten – Der Osteuropa-Podcast | 06. Januar 2024 | 07:17 Uhr