
Gesundheit Ohne Zusatzgebühr kein Termin – die Folgen des Ärztemangels in Tschechien
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10. März 2025, 05:00 Uhr
Einen Facharzttermin zu bekommen ist in Deutschland oft eine Geduldsprobe. In Tschechien ist die Lage teilweise noch schlechter. Der Ärztemangel verleitet viele Mediziner dort, illegale Zusatzgebühren zu verlangen – oft für Leistungen, die die Krankenkasse bereits bezahlt hat. Die Patienten lassen sich das meist gefallen – aus Angst, keinen Termin zu bekommen. Die tschechische Regierung will nun durchgreifen.
Einen Facharzt zu finden und in seiner Praxis als Patient aufgenommen zu werden, kommt in Tschechien manchmal einer unlösbaren Aufgabe gleich. Außerhalb der urbanen Zentren Prag, Brünn und Ostrava gibt es nämlich einen eklatanten Ärztemangel. In den vergangenen Monaten hat sich die Lage noch weiter verschlimmert, weil viele Ärzte aus der Nachkriegsgeneration der Baby-Boomer (Jahrgänge 1946-1964) in den Ruhestand gegangen sind. Viele von ihnen haben ihre Praxen nicht weitergegeben oder haben keine geeigneten Nachfolger gefunden. Und in den großen Städten wiederum haben viele gefragte Spezialisten, zu denen in Tschechien insbesondere Zahn-, Kinder- und Frauenärzte gehören, einen Aufnahmestopp für neue Patienten verfügt, weil sie schon so viele haben.
Termine gegen Gebühr und fragwürdige Extras
So wird die Arztsuche zu einer Geduldsprobe – es sei denn, man ist bereit zusätzlich etwas zu bezahlen. Etwa eine Registrierungsgebühr, die alljährlich zu entrichten ist. Prager Gynäkologen kassieren hierfür oft einige Hundert Kronen. Einige verlangen etwas mehr, wenn die Frau hormonell verhütet, und wieder andere haben spezielle Schwangerschaftspakete im "Angebot" – Kostenpunkt einige Tausend Kronen. So kommen je nach Arzt und "Paket" Beträge zwischchen umgerechnet zehn und mehr als 100 Euro zusammen. Oder es gibt Praxen, die zusätzlich zur "normalen" Terminvergabe vor Ort und per Telefon eine bequeme Online-Buchung ermöglichen – allerdings ebenfalls kostenpflichtig.
Diese Extra-Zahlungen werden häufig dadurch verschleiert, dass sie offiziell für die Nutzung von spezifischen Instrumenten eingefordert werden, die einen Mehrwert darstellen sollen und von der Kasse nicht übernommen werden. Das kommt typischerweise bei Frauenärzten vor, wie Martina aus Prag dem MDR berichtet: "Wenn ich zur jährlichen Routine-Untersuchung bei meiner Frauenärztin gehe, bezahle ich 150 Kronen (ca. 6 Euro – Red.) in bar, und zwar für einen Einwegspiegel aus Plastik. Meine Ärztin macht immer die Packung vor meinen Augen auf und nach der Untersuchung entsorgt sie das."
Martina sagt, sie habe sich nie besonders dafür interessiert, wofür sie da immer extra bezahle und auch nicht, ob das rechtens sei. Dabei geht es oft um Spitzfindigkeiten, die die Zusatzgebühr rechtfertigen sollen. Das von Martina erwähnte Instrument beispielsweise wird zwar auch von der Krankenkasse bezahlt, allerdings nur in einer Grundvariante, die nicht aus Plastik, sondern aus Metall ist.
Viele Arztgebühren in Tschechien illegal
In vielen Fällen sind diese weit verbreiteten Sondergebühren illegal, denn die Ärzte verlangen Geld für Leistungen, die ohnehin von der Krankenversicherung gedeckt werden. Somit werden die Versicherten im Prinzip zweimal zur Kasse gebeten. Gegen solche Praktiken will das tschechische Gesundheitsministerium nun mit einer Gesetzesänderung vorgehen. Unberechtigte Extra-Zahlungen sollen demnach künftig mit empfindlichen Geldstrafen geahndet werden.
"Wird die zusätzliche Zahlung für eine Leistung verlangt, die bereits von der Gesundheitsversicherung abgedeckt ist, kann eine Strafe von bis zu einer Million Kronen (ca. 40.000 Euro – Red.) verlangt werden. Wenn der Anbieter einer Leistung die Aufnahme eines Versicherten von der Entrichtung einer Registrierungsgebühr bzw. einer anderen Vergütung abhängig macht, droht ihm eine Strafe von bis zu 300.000 Kronen (ca. 12.000 Euro – Red.)", teilte das tschechische Gesundheitsministerium auf MDR-Anfrage mit.
Gesundheitsministerium unter Druck
Der Druck auf das Ministerium, in dieser Sache etwas zu unternehmen, kam u.a. von verschiedenen Patientenverbänden, die an dieser gesetzwidrigen Praxis immer wieder Anstoß nahmen. Eine dieser Interessenvertretungen ist der Verein "Juno Moneta", der von Petra Langová ursprünglich als Beratungsstelle für werdende Eltern gegründet wurde. Mittlerweile engagiert sich der Verein aber auch in Patienten-Angelegenheiten und bietet Rechtsberatung an.
"Meine Vereinigung hat letztes Jahr Hunderte von Fällen registriert, in denen diese illegitimen Zahlungen erhoben wurden, auch wenn es dabei fast nie um besonders hohe Beträge ging. Wenn ein Arzt oder eine Ärztin aber Hunderte Patienten in der Kartei hat, dann kann schon in Summe durchaus etwas zusammenkommen", erklärt Langová im Gespräch mit dem MDR.
Patienten wehren sich nur selten – aus Angst
Damit die geplanten Strafen ihre abschreckende Wirkung entfalten können, muss allerdings eine wichtige Voraussetzung gegeben sein: Betroffene Patienten müssen Anzeige erstatten, denn die Gesundheitsbehörden können nach diesen illegalen Praktiken nicht selbst aktiv Ausschau halten. Dies erweist sich für viele Patienten als eine unüberbrückbare Hürde, denn sie sind mit den Gebühren zwar nicht einverstanden, scheuen aber einen offenen Konflikt aus Angst, bei einer späteren Behandlung benachteiligt zu werden.
"Viele Patientinnen und Patienten wissen immer noch viel zu wenig über ihre Rechte Bescheid und wollen keine Schwierigkeiten haben. Im ganzen Land herrscht etwa ein großer Mangel an Zahnärzten, und man ist froh, dass man überhaupt einen hat, auch wenn er dann Geld für etwas haben will, wofür er nichts verlangen darf", so Langová.
Dennoch hätten sich manche Patienten getraut, sich gegen die Zusatzgebühren zu wehren. Langová zufolge reichte in manchen Fällen bereits eine offizielle Anfrage an die Krankenkasse, was es mit der einen oder andren Gebühr auf sich hatte, damit der Arzt auf deren künftige Erhebung verzichtet. Denn schließlich wollten auch Ärzte keine unnötigen Schwierigkeiten mit den Kassen haben, so Langová.
Helfen härtere Strafen gegen unfaire Ärzte?
Dass die geplante Gesetzesänderung die illegalen Zahlungen in tschechischen Arztpraxen flächendeckend eindämmen wird, glaubt Patientenvertreterin Langová allerdings eher nicht: "Die Ärzte werden es immer wieder versuchen, weil es sich für sie auszahlt – trotz der Strafen, die bislang nicht hoch waren und jetzt etwas angehoben werden. Vor allem werden sie schon irgendwelche neuen Wege finden, etwa indem sie von den Patienten Spenden für ihre Praxen einfordern, also eine Art Sponsoring. Mancherorts passiert das jetzt schon: Arztpraxen sammeln Spenden für Toilettenpapier oder Desinfektionsmittel."
Die Patientin Martina aus Prag ist da weitaus nachsichtiger: "Bei diesen Extra-Zahlungen hängt viel von deren Höhe ab. Wenn die Ärzte es nicht übertreiben, ist das verkraftbar", meint sie. Immerhin sei das im Fall ihrer Frauenärztin mit einer kleinen Zusatzleistung verbunden. Schlimmer ist es ihrer Ansicht nach, wenn man allein schon dafür abkassiert wird, dass sich der Arzt des Falls überhaupt annimmt. "Das wäre dann wie im Sozialismus in der Tschechoslowakei, wo man z.B. vor einer Operation den Arzt aufgesucht hat, der den Eingriff vornehmen sollte, und ihm einen Umschlag mit ein paar Tausend Kronen übergab, und sich so erkenntlich zeigte, obwohl es ja die Pflicht jedes Arztes ist, alle Patienten gleich zu behandeln", erzählt Martina.
Die Gesetzesnovelle soll bald vom Parlament verabschiedet werden. Die Regierung möchte das offenbar gern noch vor den Wahlen im kommenden Herbst schaffen, um ihr Ansehen bei den Bürgern etwas aufzubessern.
MDR (baz)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten | 08. März 2025 | 07:17 Uhr