Nach dem Attentat auf Premier Fico Slowakei: Der Ton in der Politik bleibt rau
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31. Mai 2024, 09:58 Uhr
Gut zwei Wochen sind mittlerweile seit dem Attentat auf den slowakischen Premier Robert Fico vergangen, das er trotz vier aus nächster Nähe abgefeuerten Schüssen knapp überlebte. Seither erholt sich die Slowakei allmählich vom kollektiven Schock, den diese Tat hervorrief. Doch die Hoffnung, dass sich der überhitzte politische Betrieb des Fünf-Millionen-Landes etwas abkühlen könnte, erfüllte sich keineswegs.
Die Slowakei befindet sich seit anderthalb Jahren in einem permanenten Wahlkampf, zunächst für die Parlaments-, dann für die Präsidentschafts- und schließlich für die Europawahlen. Die Gesellschaft ist seit langem gespalten, die Covid-Pandemie und der Krieg in der benachbarten Ukraine haben das ihre beigetragen. Um die Aufmerksamkeit der Wähler aufrechtzuerhalten und ihre Botschaften unters Volk zu bringen, griffen Politiker und Parteien oft zu einer starken Emotionalisierung. So wurde in der politischen Auseinandersetzung des Landes immer wieder eine weitere Eskalationsstufe erreicht.
Unmittelbar nach dem Attentat auf den Regierungschef luden zwar die scheidende liberale slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová und ihr designierter Nachfolger Peter Pellegrini, der aus dem Regierungslager kommt, zu einer Art "Rundem Tisch" ins Präsidenten-Palais. Dort sollten Vertreter aller Parlamentsparteien über die angespannte Lage im Land diskutieren. Geplant war auch eine gemeinsame Erklärung, in der sie sich zur Mäßigung bei ihrer politischen Tätigkeit verpflichten sollten. Es war als Signal an die verunsicherte Öffentlichkeit gedacht, dass man nun anders miteinander umgehen wolle. Doch nach ein paar Tagen wurde das Gipfeltreffen abgesagt. Zwei der drei Regierungsparteien, Ficos Smer, wie auch die national-populistische Nationalpartei (SNS) wollten ihre Teilnahme nicht zusagen, weil – wie sie verlauten ließen – die Zeit dafür noch nicht reif sei.
Keine Hoffnung mehr auf Versöhnung
Kurz darauf gelang es jedoch, eine vergleichbare Entschließung im slowakischen Parlament zu verabschieden, und zwar einstimmig, mit den Stimmen von Regierung und Opposition. Wer jedoch meinte, das wäre der Anfang einer neuen politischen Zeitrechnung im Land, wurde bald eines Besseren belehrt. Die Regierungsmehrheit schien im Gegenteil in den vergangenen Tagen sogar noch aufs Tempo zu drücken. Auch ohne ihren Chef Fico, der sich nach wie vor auf der Intensivstation befindet, zieht sie ihr Programm ohne zu zögern durch.
So setzten die Regierungsparteien nur eine Woche nach den Schüssen auf den Premier im Parlament ihre Beratungen zum umstrittenen Gesetz über die Neugründung der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalt (STVR) fort. Sie soll die bisherige öffentlich-rechtliche RTVS ersetzen, der die gegenwärtigen Regierungsparteien seit Jahren angeblich unobjektive Berichterstattung vorwerfen. Die bisherigen RTVS-Beschäftigen befürchten jedoch, die Neugründung sei in erster Linie ein Vorwand für Säuberungen. Der Plan sieht vor, dass die neue Medienanstalt ab 1. Januar 2025 entstehen soll.
Slowakische Regierung tritt aufs Gaspedal
Die Opposition befürchtet, dass auch viele andere Regierungsvorlagen nach dem gleichen Muster gestrickt sind und das Ziel verfolgen, den Einfluss der Koalitionsparteien auf das öffentliche Leben zu sichern. So etwa beim Gesetz zum Kulturförderungsfonds. Nach den Vorstellungen der umstrittenen Kulturministerin Martina Šimkovičová soll künftig nur originär slowakische Kultur aus staatlichen Mitteln gefördert werden, für alles "Unpatriotische", etwa avantgardistische oder experimentelle Kunst, soll es kein Geld vom Staat mehr geben. Darüber, wer die staatlichen Mittel bekommt, soll eine ausschließlich von Angestellten des Kulturministeriums zusammengesetzte Kommission entscheiden.
Etwas Vergleichbares plant die Regierung auch für NGOs. Sie will sie nicht nur mittelfristig von jeglichen staatlichen Zuwendungen abschneiden, sondern erwägt sogar, noch einen Schritt weiter zu gehen. Die NGOs müssten dann, sofern vorhanden, ihre ausländischen Finanzierungsquellen offenlegen. Das käme dann im Prinzip jenem "Gesetz über ausländische Agenten" gleich, welches schon seit Jahren in Russland gilt und nun auch in Georgien verabschiedet wurde, wo es für heftige Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften sorgt.
Einschränkung der Pressefreiheit befürchtet
Zu den größten Unterstützern einer solchen Rechtsnorm gehört nicht zuletzt der Chef der mitregierenden Nationalpartei Andrej Danko. Dieser Politiker vertritt seit langem prorussische und panslawische Positionen. Er genießt einen überdurchschnittlich hohen Rückhalt in der Szene der sogenannten alternativen Medien, während er den traditionellen Medien gegenüber feindlich eingestellt ist. Kurz nach den Schüssen auf den Regierungschef hat Danko der seriösen Presse mit einer Art "politischem Krieg" gedroht. Er sprach von "sehr harten Gesetzen", die nun folgen würden, ohne es näher zu erläutern. Was immer das auch heißen mag, für die nahe Zukunft deutet das auf nichts Gutes hin. Schon jetzt ist bei den Regierenden eine Tendenz festzustellen, dass selbst legitime Kritik als Bedrohung für die Sicherheit des Landes ausgelegt wird.
In diese Kerbe schlug in den vergangenen Tagen insbesondere Innenminister Matúš Šutaj Eštok ein. Immer wieder versuchte er einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem Fico-Attentäter, der Opposition und den regierungskritischen Medien. In seinen öffentlichen Auftritten seit dem Attentat spricht der Innenminister zwar einerseits stets von der Notwendigkeit, die Lage im Land zu beruhigen und ruft zur Mäßigung auf. Gleichzeitig vergisst er aber nie darauf hinzuweisen, dass der Attentäter regelmäßiger Teilnehmer regierungskritischer Demonstrationen war und sich durch die kritische Berichterstattung der Medien radikalisiert habe.
Opposition hält sich vorerst zurück
Die Opposition versucht die Lage nicht weiter zuzuspitzen und hat bislang auf ihr wohl wichtigstes Instrument verzichtet, nämlich große Anti-Regierungs-Proteste in den slowakischen Städten. Es ist wohl aber nur eine Frage der Zeit, bis auch sie ihre Skrupel ablegt und wieder ins traditionelle Fahrwasser zurückkehrt, auch weil ihr die Regierung keine andere Wahl lässt. Die tief gespaltene Slowakei wird also so schnell nicht wieder zur Ruhe kommen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten | 25. Mai 2024 | 07:18 Uhr