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Barbara Nowak, die Schulaufsichtschefin von Kleinpolen, ist wegen ihrer kontroversen Auftritte und Äußerungen landesweit bekannt. Mit einem Rosenkranz in der Hand protestierte sie beispielsweise gegen eine CSD-Demo in Krakau. Nun sorgte sie für einen neuen Eklat: Sie bezeichnete die Corona-Impfung als "Experiment" und lehnte eine Impfpflicht für Lehrer ab. Bildrechte: imago images/Eastnews

Impfpflicht Eklat in Polen: Ist die Corona-Impfung ein Experiment mit offenem Ausgang?

21. Januar 2022, 11:10 Uhr

Die Impfquote in Polen ist im EU-Vergleich niedrig. Die Sterblichkeitsrate ist derzeit deutlich höher als in Deutschland. Dennoch kämpft die Regierung nur halbherzig gegen die weit verbreitete Impfskepsis. Konsequenzen gegen Impfgegner aus den Reihen der regierenden PiS-Partei werden nicht gezogen – denn die stehen für wichtige Wählergruppen. Und jetzt tanzte auch die prominente Schulaufsichtschefin der Region Kleinpolen aus der Reihe und sorgte für einen Eklat.

Barbara Nowak ist in Polen inzwischen ein Begriff – die Chefin der Schulaufsichtsbehörde der Region Kleinpolen gilt als besonders linientreue Anhängerin der PiS-Partei und sorgt mit kontroversen Aussagen regelmäßig für Schlagzeilen. Nun löste sie einen Eklat aus: Auf die Impfpflicht für Lehrer angesprochen, bezeichnete sie Corona-Impfungen als Experiment.

Ich bin absolut nicht damit einverstanden, jemanden zu irgendetwas zu zwingen. Vor allem nicht, wenn es sich um Impfstoffe handelt, bei denen bekanntlich die Folgen dieses Experiments noch nicht vollständig bekannt sind.

Barbara Nowak, Chefin der Schulaufsichtsbehörde von Kleinpolen

Corona-Impfstoff also ein Experiment? Die Äußerung sorgte polenweit für Empörung. Sowohl Oppositionspolitiker als auch Regierungsmitglieder forderten Nowak zum Rücktritt auf, weil sie die Bemühungen konterkariere, die Impfquote zu steigern. "Solche Menschen sollten nicht für Bildung verantwortlich sein", sagte Gesundheitsminister Adam Niedzielski.

Corona-Sterblichkeit in Polen besonders hoch

Polen tut sich schwer mit der fünften Coronawelle, und das obwohl die Omikron-Variante noch nicht richtig im Land angekommen ist. Täglich werden etwa 20.000 neue Fälle gemeldet, davon gehen ungefähr zehn Prozent auf die Omikron-Variante zurück.

Besonders hoch ist in Polen die Sterberate. Letzten Mittwoch wurden nur an einem einzigen Tag 684 Personen gemeldet, die an Covid-19 gestorben sind. Seit Ausbruch der Pandemie sind es bereits mehr als 100.000 gewesen – fast so viele wie in Deutschland, wo die Bevölkerungszahl mehr als doppelt so hoch ist.

Polen Corona
Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie starben Patienten in Polen oft in den Krankenwagen, weil es keinen Platz für sie in den Krankenhäusern gab. Bildrechte: imago images / Eastnews

Die Regierung startet immer wieder Aufklärungskampagnen, um die Bevölkerung zu bewegen, sich impfen zu lassen. Bisher schreitet der Impfprozess aber mühsam voran – nur etwa 56 Prozent der Polen sind vollständig (mit zwei Dosen) geimpft.

Neue Machtfülle der Schulaufsichtsbehörde

Die Äußerungen von Barbara Nowak wurden auch deshalb mit Empörung aufgenommen, weil die Stellung der Schulaufsichtsbehörden im polnischen Bildungssystem sehr stark ist und sie nach den jüngsten Gesetzesänderungen noch mehr Macht bekommen sollen. Nowaks Kontrolle unterliegen alle Schulen und Schulleiter der Region. Nach der gerade verabschiedeten Änderung des Schulgesetzes – nach dem umstrittenen Bildungsminister Lex Czarnek benannt – darf die Schulaufsichtsbehörde jederzeit Einblick in den Lernstoff nehmen, der auch von ihr genehmigt werden muss.

Als Leiterin der Schulaufsichtsbehörde beurteilt Nowak allein, ob der Stoff tatsächlich den Vorgaben des Bildungsministeriums entspricht. Sollte das ihrer Ansicht nach nicht der Fall sein, kann sie in Zukunft den Schulleiter entlassen und durch einen anderen ersetzen. Oppositionspolitiker und Experten beanstanden, dies sei ein zu weit gehender Eingriff in den Unterricht, der von den Regierenden ideologisch gelenkt werden könnte.

In der Öffentlichkeit wurde Nowaks Rücktritt gefordert – sie sei in einer Position mit so viel Machtfülle aufgrund ihrer Äußerung zu den Corona-Impfungen untragbar, hieß es. Kritik kam auch aus den Reihen der Regierung. Bildungsminister Przemysław Czarnek bezeichnete ihre Aussage als "schädlich". Gesundheitsminister Adam Niedzielski ging noch weiter und sagte: "Solche Personen sollten nicht für Bildung zuständig sein." Dennoch durfte Nowak am Ende bleiben, das mediale Gewitter hörte nach einigen Tagen auf.

Nur 16 Prozent der Polen sind für eine Impfpflicht

Die Gründe, warum Schulaufsichtschefin Nowak nicht entlassen wurde, dürften politischer Natur sein. Denn nicht nur unter hohen Staatsbeamten wie ihr gibt es viele Impfgegner. Auch in der regierenden PiS-Partei gibt es Abgeordnete, die sich offen der Impfpflicht widersetzen. Dabei hat die PiS inzwischen nur eine brüchige Mehrheit im polnischen Parlament und muss vor jeder Abstimmung überlegen, ob genug Abgeordnete die Hand heben werden, um ein Gesetz zu verabschieden.

Der Vorschlag der Regierung für eine Impfpflicht war ohnehin halbherzig und beschränkte sich auf einige Berufsgruppen wie Lehrer und das Gesundheitspersonal. Nicht nur Politiker, sondern auch viele Bürger sind dagegen. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ibris befürworten nur 16 Prozent der Befragten die Impfpflicht.

PiS nimmt Rücksicht auf impfskeptische Stammwähler

Besonders in Ostpolen sind die Impfquoten niedrig. In vielen Teilen Kleinpolens liegt die Impfquote unter 40 Prozent. Gerade diese Region ist aber eine Hochburg der PiS-Partei, denn dort leben viele Stammwähler der national-konservativen Partei. 2019 haben hier 57,7 Prozent der Wähler die PiS gewählt, deutlich mehr als im Landesdurchschnitt (43,6 Prozent). Auch deshalb kann sich die polnische Regierung nicht zu härteren Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie durchringen.

Rücktritte im Corona-Beirat des Ministerpräsidenten

Nowaks Aussage und das Fehlen von Entscheidungen in einer nach wie vor kritischen Lage war am Ende dem ärztlichen Beraterstab des Premierministers Morawiecki zu viel des Guten. Am 14. Januar sind 14 der 17 Mitglieder des Corona-Beirats zurückgetreten. Als Grund nannten sie in einem gemeinsamen offenen Brief, dass sie "keinen Einfluss auf die tatsächlichen Maßnahmen" der Regierung hätten. Sie schrieben außerdem, dass sie "eine wachsende Toleranz" gegenüber Impfgegnern beobachten würden.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 18. Januar 2022 | 09:00 Uhr

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