Corona-Maßnahmen Polens Gastronomen-Aufstand gegen den Lockdown: Die Regierung reagiert gelassen
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19. Januar 2021, 05:00 Uhr
Viele polnische Hotels und Restaurants haben trotz Verbot ihre Türen geöffnet. Während die Unternehmer ihren "Aufstand" als ersten Erfolg bezeichnen, gibt die Regierung Entwarnung: Massenöffnungen blieben bislang aus.
Auf einer interaktiven Karte im Internet gaben polnische Betreiber von mehr als hundert Hotels, Restaurants und Bars bekannt, ihr Geschäft wieder aufzunehmen. Sie alle haben sich der Kampagne "OtwieraMY" ("Wir öffnen") angeschlossen. Es sind Kneipen, Cafés und Hotels, die sich den Corona-Beschränkungen in Polen widersetzen und lieber eine Strafe in Kauf nehmen, als weiterhin Umsatzeinbußen zu machen. In Polen gilt derzeit für Hotels ein landesweites Beherbergungsverbot. Restaurants und Cafés dürfen ihr Angebot nur zum Mitnehmen verkaufen.
Nur ein Sturm im Wasserglas?
Die Initiatoren der Aktion, sich dem Lockdown zu widersetzen, zeigen sich zufrieden. Dies sei erst der Anfang, sagte Michał Wojciechowski, Mitorganisator des Unternehmerstreiks, dem Internetportal money.pl. Viele Betriebe hätten ihre Öffnung auch nicht publik gemacht, um möglichen Kontrollen aus dem Weg zu gehen. "Die Leute müssen irgendwie funktionieren, Raten und Mieten zahlen. Und die Einschränkungen sind illegal. Ich bin froh, dass die Menschen endlich zur Vernunft gekommen sind. Dies ist eine Maschine, die nichts aufhalten kann", so Wojciechowski. In Anbetracht der Tatsache, dass es in Polen circa 70.000 Gastronomiebetriebe gibt, ist es jedoch schwer, von einer "Eröffnungswelle" zu sprechen.
Die Regierung gibt sich betont entspannt
Polens Premierminister Mateusz Morawiecki hat sich bereits zum sogenannten Unternehmeraufstand geäußert. Er betonte, dass einige Industrien aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus geschlossen werden mussten. "Diejenigen, die gegen die Regeln verstoßen, müssen mit Geldstrafen von bis zu 30.000 Złoty rechnen." Der Regierungschef appellierte an die Unternehmer, die Restriktionen einzuhalten. "Sie retten damit Leben."
Olga Semeniuk, stellvertretende Wirtschaftsministerin, sagte in einem Radiointerview, dass es bisher keine Massenöffnungen von Geschäften gegeben habe. "Die Regierung hat keine Angst vor irgendetwas und macht den Unternehmern keine Angst", sagte sie. Sie bezog sich damit auf die Frage, ob widerspenstige Unternehmer mit einem Bußgeld belegt werden. "Ich würde es nicht als Ausstellen von Bußgeldern bezeichnen, sondern als Einhalten von Gesetzen. Die Anzahl solcher Bußgelder wird von dem Ausmaß der Verletzung der Beschränkungen und dem Niveau der Infektionen im Land abhängen", fügte sie hinzu.
Eine Klagewelle steht bevor
Die zuständigen Gesundheitsämter kontrollieren seit dem Wochenende verschärft Betriebe mit Hilfe der Polizei. Viele Unternehmer sehen dem jedoch gelassen entgegen und wollen gerichtlich gegen die Ordnungsgelder vorgehen. Die Geschäftsleute fühlen sich durch erste Gerichtsurteile bestätigt, die die Lockdown-Verordnungen der polnischen Regierung zu juristischer Makulatur erklärt haben.
So kassierte jüngst das Verwaltungsgericht Oppeln das Bußgeld gegen einen Friseur, der keinen Mundschutz bei der Arbeit trug. Die Richter erklärten, die Regierung habe keinen Katastrophenfall gemäß der polnischen Verfassung ausgerufen. Ohne Katastrophenfall erlaube die Verfassung in Polen derart weitreichende Einschränkungen der Bürgerrechte aber nicht.
Ob die Mittelständler mit ihren Lockdown-Verstößen durchkommen, wird sich erst zeigen. Es wird von der Zahl der Teilnehmer abhängig sein, vom Vorgehen der Polizei und letztlich auch von den Gerichten. Eines scheint aber fest zu stehen: Viele Selbstständige in Polen stehen mit dem Rücken an der Wand – sie werden deshalb nicht so schnell klein beigeben.
(radio zet/money.pl/pap/biznes.wprost.pl/baz/adg)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 23. Januar 2021 | 06:00 Uhr