Fake News
Desinformationen sind eine Gefahr für die Demokratie Bildrechte: IMAGO/Daniel Scharinger

Studie Warum Desinformation in Südosteuropa besonders viele Menschen erreicht

27. April 2023, 10:00 Uhr

Sind die Menschen in südosteuropäischen Staaten besonders anfällig für Desinformation? Eine aktuelle Studie sieht dafür Anzeichen. Um dagegen zu steuern, gibt es erste interessante Ansätze, von denen auch Deutschland lernen könnte.

"Desinformation und Fake News sind digitale Seuchen unserer Zeit", sagt Hendrik Sittig, Leiter des Medienprogrammes bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Bulgarien. "Sie sind eine echte Gefahr für Demokratie, Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und meistens werden sie genau aus diesem Grund gezielt produziert und verbreitet. Wir haben diese Gefahr viel zu lange unterschätzt. Gegen sie muss dringend gezielter und stärker vorgegangen werden."

Buchcover Blurring the Truth
Cover der aktuellen KAS-Publikation "Blurring the Truth. Disinformation in Southeast Europe" (dt. etwa: Die Wahrheit verschleiern. Desinformation in Südosteuropa) Bildrechte: Konrad-Adenauer-Stiftung (KSA)

Um Desinformationen gezielt bekämpfen zu können, muss man aber zunächst wissen, womit genau man es zu tun hat. Deshalb hat die KAS innerhalb ihres Medienprogrammes Wissenschaftler, Journalisten und Experten aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kosovo, Kroatien, Montenegro, der Republik Moldau, Nordmazedonien, Rumänien und Serbien zusammengebracht, um Desinformation in diesen Ländern zu untersuchen. Herausgekommen ist das Buch "Blurring the Truth. Disinformation in Southeast Europe" (dt. etwa: Die Wahrheit verschleiern. Desinformation in Südosteuropa), das Auskunft über Ziele, Mittel, Akteure und Zielgruppen der Desinformation in der Region gibt.

"Desinformation will schädigen"

Doch was ist Desinformation eigentlich genau? Die Studie definiert sie als falsche, ungenaue, aus dem Zusammenhang gerissene oder irreführende Information, die verdeckt und absichtlich erstellt und weiterverbreitet wird, um zu manipulieren und Einfluss auszuüben, sei dieser nun politischer, finanzieller oder andere Natur. Und wie unterscheidet sie sich etwa von Propaganda? Christopher Nehring, Geheimdienstexperte, Gastdozent des KAS-Medienprogramms für Desinformation an der Uni Sofia und Mitherausgeber des Buches, sagt: "Propaganda will eher von einer Sache überzeugen. Desinformation dagegen will schädigen, sie will verwirren, sie will stören, Konflikte anheizen und Misstrauen sähen."

Geheimdienstexperte Christopher Nehring
Christopher Nehring: Journalist und Publizist mit Schwerpunkt Desinformation Bildrechte: Anton Motev

Die Themen sind dabei unterschiedlich, zeigt die Studie: Ähnlich wie in Deutschland wurde viel Desinformation zu den Themen Corona oder den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verbreitet. Einer der aktivsten Akteure der Desinformation ist auch hier Russland. Aber es gibt auch regionale oder länderspezifische Themen: So gab es in Nordmazedonien vor dem Referendum zur Namensänderung im Jahr 2018 eine massive Desinformationskampagne, in deren Folge die Wahlbeteiligung gering blieb. In Rumänien dagegen wurde die falsche Erzählung verbreitet, Korruptionsbekämpfung sei eine politische Verschwörung, die aus dem Ausland gesteuert werde. Auch regionale Konflikte wie z.B. der zwischen Serbien und dem Kosovo werden mit reichlich Desinformation befeuert, etwa was die Misshandlung von Serben im Kosovo betrifft.

Das Erbe des Kommunismus: Misstrauen

"Es ist eine regionale Besonderheit, dass die Gegenwehr und die Widerstandskraft der Gesellschaften, Staaten in dieser Region relativ gering ist. Es ist in diesen Gesellschaften gerade durch das kommunistische Erbe, aber teils noch durch das osmanische Erbe, ein sehr hoher Grad an Misstrauen gegen jegliche Art von Eliten, gegen Medien, gegen Politiker, gegen Wissenschaftler vorhanden - und das begünstigt einfach immer die Verbreitung von Desinformation", sagt Mitherausgeber und -autor Christopher Nehring.    

Wie man Desinformation begegnen kann

Um Desinformation zu bekämpfen, brauche es einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, sagen die Studienautoren. Ein Faktor ist dabei die Regulierung von SocialMedia-Plattformen und Messenger-Diensten. Aber auch ein qualitativ hochwertiger Journalismus und die Vermittlung von Medienkompetenz bereits in der Schule sind enorm wichtig. In Südosteuropa werden diesbezüglich interessante Lösungsansätze verfolgt, beispielsweise in Nordmazedonien. Dort veröffentlicht der Rat für Medienethik regelmäßig ein Register professioneller Online-Medien. Hier sind Medien aufgeführt, die sich von einfachen Blogs oder Webportalen mit unbekannten Betreibern und Autoren und unklaren Eigentumsverhältnissen unterscheiden. Damit will der Rat den Menschen etwas Orientierung im riesigen Internetangebot geben. Ein anderer Ansatz stammt aus dem Kosovo, das als eines der wenigen europäischen Länder vor ein paar Jahren den Pilotversuch gestartet hat, Medienbildung als Wahlfach in Schulen landesweit einzuführen. "Das ist auf jeden Fall ein guter Ansatz - vielleicht auch einer, über den man in Deutschland nachdenken sollte", so Forscher Christopher Nehring.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten | 08. April 2023 | 07:14 Uhr

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