
Zwischen EU und Russland Slowakei: Das zerrissene Land
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13. März 2025, 18:27 Uhr
In der Slowakei sorgt Premierminister Robert Fico für starke Spannungen. Regelmäßig demonstrieren Zehntausende gegen seine Politik. Gleichzeitig hat seine Partei kaum an Beliebtheit verloren und viele halten an ihm fest.
Robert Fico ist einer der populärsten, aber auch umstrittensten Politiker der Slowakei. Seit 2023 ist er, mit zwei Unterbrechungen, zum vierten Mal Premierminister. Im Laufe seiner politischen Karriere hat er seinen Kurs immer wieder den gesellschaftlichen Stimmungen angepasst. So gelang ihm beispielsweise nach seinem Rücktritt im Jahr 2020 vor allem durch seine scharfe Kritik an den Corona-Maßnahmen ein Comeback.
Derzeit verfolgt Fico einen pro-russischen und EU-kritischen Kurs. Er hat die Unterstützung für die Ukraine eingestellt und spricht sich gegen Sanktionen gegen Russland aus. Gleichzeitig setzt er auf eine harte Linie in der Migrationspolitik und lehnt liberale und progressive Werte entschieden ab, insbesondere was die Rechte von Minderheiten wie der LGBTQ-Community betrifft.
Seine linkspopulistische Politik findet vor allem bei älteren und wirtschaftlich schwächeren Wählern Anklang. Besonders in ländlichen Regionen ist sein Rückhalt nach wie vor groß. Bei den letzten Wahlen 2023 erhielt seine Partei Smer mit 22,9 Prozent die meisten Stimmen. In aktuellen Umfragen hat sie zwar nur leicht an Zustimmung verloren, wurde aber inzwischen von der jungen, linksliberalen und progressiven PS überholt. Diese konnte seit den Wahlen um sechs Prozentpunkte zulegen und liegt nun bei knapp 24 Prozent.
Die Kritiker: Keine Abkehr von der EU
Viktor Beránek ist 73 Jahre alt und eine Legende in der Tatra. Seit Jahrzehnten trägt der Sherpa Lasten auf die Gipfel und hat das Land aus einer einzigartigen Perspektive kennen gelernt. Doch die aktuellen politischen Entscheidungen von Premier Fico und seine Annäherung an Moskau bereiten ihm Sorge. "Der Frühling beginnt in den Bergen langsam – und vielleicht sollte in die Slowakei ein Prager Frühling kommen, wie man ihn einst nannte, also ein slowakischer Frühling", sagt er. Das Land brauche Veränderung.
Der Frühling beginnt in den Bergen langsam – und vielleicht sollte in die Slowakei ein Prager Frühling kommen, wie man ihn einst nannte, also ein slowakischer Frühling
Besonders empört ihn die Abkehr der Slowakei von der Ukraine. "Wenn dich in den Bergen ein Bär angreift, [...] dann willst Du doch, dass man dir hilft", erklärt er seine Haltung. Dass Fico diese Hilfe verweigert, empfindet er als egoistisch und rücksichtslos.
In stillen Momenten denke er darüber nach, ob er in einem Land bleiben kann, das sich pro-russische orientiert. "Ich könnte sagen, mir ist es schon egal. Denn mal ehrlich, viel Zeit habe ich sowieso nicht mehr. Oder will ich meine paar verbleibenden Jahre doch irgendwo in einem anderen Land verbringen?" Aber da bräuchte er erst einmal einen Platz in den Bergen - mit viel Ruhe.
Die Befürworter: Der slowakische Weg zählt
Während Kritiker in Fico eine Gefahr für die Demokratie sehen, gibt es immer noch viele, die ihn unterstützen. Einer von ihnen ist Jaroslav Grešo, Fahrlehrer in der Kleinstadt Liptovský Mikuláš. Für ihn ist die Demokratie in der Slowakei intakt, von den Demonstrationen hält er nicht viel. "Ich sage, Demokratie ist die Macht des Volkes. Die Menschen haben vor einem Jahr diese Regierung gewählt. Sie sollte vier Jahre lang regieren", so seine klare Meinung.
Für Grešo zählen praktische Dinge: niedrige Energiepreise und ein stabiles Land. Dass sich Fico mit Wladimir Putin getroffen hat, um über Gaslieferungen zu sprechen, hält er für eine kluge Entscheidung: "Die Regierung ist für das Volk da und soll für das Volk handeln." Wenn das Treffen helfe, Gas, Strom, Öl oder Benzin billiger zu machen, sei das der richtige Weg. Die Slowakei solle nicht aus der EU austreten, so Jaroslav Grešo, aber doch ihren eigenen slowakischen Weg gehen.
Empörung über Ficos Besuch bei Putin
Am 22. Dezember letzten Jahres hat der slowakische Regierungschef genau diesen Weg eingeschlagen und ist mit Wladimir Putin zusammengetroffen. Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine haben sich nur wenige europäische Spitzenpolitiker mit dem russischen Präsidenten getroffen und damit stets eine Welle des Protestes ausgelöst.
In einem Facebook-Post schrieb Fico, er habe die höchsten EU-Vertreter über seine Reise informiert. Sein Besuch sei notwendig gewesen, um die Gasversorgung zu sichern. Zudem sei die Stromproduktion in slowakischen Kraftwerken durch Forderungen nach Sanktionen gegen das russische Atomprogramm gefährdet, so Fico.
Dennoch löste das Treffen heftige Proteste im eigenen Land aus. Bereits wenige Tage später versammelten sich tausende Menschen auf dem Freiheitsplatz in der Hauptstadt Bratislava. Seitdem wird regelmäßig demonstriert, an manchen Freitagen waren es nach Angaben der Organisatoren bis zu 60.000 Menschen. Auch an vielen anderen Orten in der Slowakei wird regelmäßig unter anderem unter dem Motto "Slowakei ist Europa" demonstriert.
Fall und Aufstieg von Robert Fico
Derartige Massenproteste gab es zuletzt nach der Ermordung des Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten im Jahr 2018. Damals wurde Fico als Symbol der Korruption gesehen und zum Rücktritt gedrängt. Doch die politischen Alternativen konnten sich kaum an der Macht halten. Seit seiner Rückkehr vor zwei Jahren verfolgt er einen zunehmend radikalen Kurs: Er schaffte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk faktisch ab und setzte eine umstrittene Justizreform durch. Das Attentat auf ihn im Mai 2024 verschärfte die Spannungen.
Die Slowakei befindet sich an einem Wendepunkt. Während Viktor Beránek und zehntausende Demonstranten für eine proeuropäische Zukunft kämpfen, setzen Fico-Anhänger wie Jaroslav Grešo auf Unabhängigkeit. Die Spaltung des Landes ist tiefer denn je, wie es weitergeht, ist ungewiss.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Slowakei: Das zerrissene Land | 22. Februar 2025 | 18:00 Uhr