Umstrittene Pläne Albanien: Umweltzerstörung durch Luxus-Tourismus?
Hauptinhalt
05. Juni 2024, 11:15 Uhr
Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner hat Albanien für sich entdeckt. Er will an der albanischen Küste zwei Luxusresorts bauen. Während die Regierung ausländische Investitionen begrüßt, fürchten Umweltschützer um das Delta des Flusses Vjosa. Dort wo Zugvögel einen einzigartigen Rastplatz haben, sollen nun Luxushotels und Jachthäfen des US-Investors entstehen.
Ein schmaler Pfad führt auf einen grünen Hügel. Hier erhebt sich das Land ein letztes Mal, bevor es steil ins Meer abfällt. Für den Ornithologen Joni Vorpsi der ideale Aussichtspunkt auf das Vjosa-Delta. Hier, unweit der Hafenstadt Vlora, mündet die Vjosa, der letzte große Wildfluss Europas, in die Adria. "Das Delta ist der wertvollste Teil des Flusssystems. Hier lagert er die Sedimente ab, die er auf seiner Reise gesammelt hat", erklärt Vorpsi. Dabei entstünden einzigartige Landschaften: Lagunen, Strände, Dünen und Wälder.
Wenn Joni Vorpsi durch sein Fernglas schaut, sieht er Flamingos im seichten Wasser stelzen und Pelikane nach Fischen jagen. Mehr als 220 Vogelarten wurden hier gezählt. Für Zugvögel ist der Ort ein natürlicher Rastplatz und laut einer aktuellen Studie gilt das Vjosa-Delta als eines der letzten unverbauten seiner Art in Europa.
Jared Kushners Pläne an der Küste Albaniens
Jetzt scheint das Paradies bedroht, denn Jared Kushner hat große Pläne. Der 43-Jährige ist der Schwiegersohn des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und war bis 2021 auch dessen Berater im Weißen Haus. Anschließend wechselte er in die Privatwirtschaft und gründete die Investmentfirma Affinity Partners. Das Unternehmen verwaltet derzeit ein Vermögen von drei Milliarden US-Dollar, überwiegend gespeist aus dem saudischen Staatsfonds.
Einen Teil davon will Jared Kushner nun in Albanien investieren. Futuristische 3-D-Pläne zeigen Luxusvillen, Jachthäfen und Swimmingpools, aber auch üppige Vegetation und gepflegte Gärten.
Joni Vorpsi lässt sich davon nicht beeindrucken. "Da wird ein außergewöhnlicher Ort in eine Belanglosigkeit umgebaut. Egal was sie bauen, allein die Lichtverschmutzung würde das sensible Ökosystem durcheinanderbringen." Mit seiner Ansicht steht der Ornithologe allein auf weiter Flur. Denn sowohl Anwohner als auch Regierung begrüßen ausländische Investitionen zur Entwicklung von hochwertigem Tourismus. Warum wegen ein paar Vögeln die Entwicklung stoppen?
Da wird ein außergewöhnlicher Ort in eine Belanglosigkeit umgebaut. Egal was sie bauen, allein die Lichtverschmutzung würde das sensible Ökosystem durcheinanderbringen.
Auch auf einer dem Delta gegenüberliegenden Insel namens Sazan will Jared Kushner Luxushotels bauen. Bis zum Ende des kommunistischen Regimes war Sazan ein strategischer Militärposten. Doch seit seinem Beitritt zur NATO 2009 ist Albanien nur noch von Verbündeten umgeben. Damit hat die Insel ihre einstige Bedeutung verloren.
"Bisher ist es nur eine Idee, die vielleicht nie umgesetzt wird", sagt ausgerechnet jener Mann, der maßgeblich an ihrer Entstehung beteiligt war. Auron Tare (56), Kulturmanager und ehemaliger Parlamentsabgeordneter, begleitete Jared Kushner 2021 auf dessen Jacht zu einer Erkundungstour entlang der albanischen Küste - man habe gemeinsame Bekannte. Jetzt sitzt er im Garten eines Hotels im Zentrum der Hauptstadt Tirana und trinkt Kaffee.
Insel Sazan: Vom Militärposten zum Tourismus-Hotspot
Jared Kushner ist nicht der einzige, den Auron Tare nach Sazan gebracht hat. Denn er ist auch der Mann, der die Insel für Touristen erschlossen hat. Niemand kennt den Ort besser als er. Er erzählt, wie er wochenlang am Strand zeltete, nach versunkenen antiken Schiffen tauchte, Bunker und Tunnel aus der Zeit des Kalten Krieges erkundete und die Aufzeichnungen ehemaliger Wachposten las. "Die Kraft der Insel liegt in ihrer Geschichte."
Was wir hier bisher gesehen haben, ist die Zerstörung der Küste zur Gewinnmaximierung. Albanische Bauunternehmer sind keine guten Vorbilder, wenn es um den Erhalt des kulturellen Erbes und der Natur geht.
Jetzt will Auron Tare vor allem eines: das kulturelle Erbe der Insel erhalten. Und dafür sei Jared Kushner der Richtige: "Was wir hier bisher gesehen haben, ist die Zerstörung der Küste zur Gewinnmaximierung. Albanische Bauunternehmer sind keine guten Vorbilder, wenn es um den Erhalt des kulturellen Erbes und der Natur geht." Aktuell droht Albaniens bedeutendste archäologische Stätte Butrint von der UNESCO-Welterbeliste gestrichen zu werden - wegen unkontrollierter Baumaßnahmen in der Nähe der Ausgrabungen. "Ein hochrangiger Unternehmer wie Kushner hingegen wird kommen, um etwas Gutes für sein Image zu tun", ist Tare überzeugt.
Seit dem Ende des Kommunismus hat sich Albanien rasant entwickelt. Bis 1991 war die Küste militärisches Sperrgebiet. Mittlerweile sind fast alle Küstengrundstücke bebaut. Dieses Jahr erwartet Albanien mehr als zehn Millionen Touristen - fünfmal so viele wie das Land Einwohner hat. Es herrscht Goldgräberstimmung. Von einem geplanten Luxusresort im Delta wisse Auron Tare im Gegensatz zu den Plänen für die Insel Sazan allerdings nichts: "Das ist Schutzgebiet. Da sollte gar nicht gebaut werden."
Die Regierung sieht das anders. Unlängst hat das Parlament ein Gesetz verabschiedet, das den Bau von Fünf-Sterne-Hotels auch in Schutzzonen erlaubt. "Das ist der Anfang vom Ende, der Startschuss für die Zerstörung aller Schutzgebiete", sagt Joni Vorpsi.
Internationale Kontakte von Trump-Schwiegersohn
In den USA erregt das Thema aus anderen Gründen Aufsehen. Der Mittelsmann von Jared Kushner ist Richard Grenell, ehemaliger Gesandter für den Balkan. Seine Aufgabe war es, im Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo zu vermitteln. Dabei knüpfte er enge Kontakte zu Albaniens Premierminister Edi Rama.
Jared Kushner selbst spielte als Berater eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung der US-Politik im Nahen und Mittleren Osten. Aus dieser Zeit stammt seine enge Beziehung zum saudischen Kronprinzen, der nun zwei Milliarden Dollar in Kushners Unternehmen investiert hat. Für viele in den USA ist das Vorhaben ein Beispiel dafür, wie die Trump-Familie ihren politischen Einfluss aus der Zeit von Trumps Präsidentschaft genutzt hat, um Geschäfte zu machen. Und wie sie das auch weiterhin tut, obwohl der Ex-Präsident eine Rückkehr in die Politik anstrebt.
Umweltschutz oder Wirtschaftswachstum - im Vjosa-Delta prallen viele Gegensätze aufeinander. Seit 2021 ist ein Flughafen in Bau, der noch mehr Touristen bringen wird. Pläne für eine Urbanisierung des gesamten Deltas liegen bereits vor. Die Unversehrtheit der einzigartigen Flussmündung steht in jedem Fall auf dem Spiel, ob nun die Amerikaner investieren oder jemand anderes.
MDR (usc/baz)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Heute im Osten | 08. Juni 2024 | 07:17 Uhr