Edi Rama, amtierender Regierungschef Albanien
Edi Rama regiert Albanien bereits seit acht Jahren. Viel verbessert hat sich seitdem nicht. Bildrechte: IMAGO / Xinhua

Parlamentswahlen Albaniens Sozialisten verteidigen ihre Macht

26. April 2021, 13:52 Uhr

Das kleine Balkanland Albanien ist seit Jahren von Abwanderung, hoher Arbeitslosigkeit und Korruption gebeutelt. Am Sonntag wurde ein neues Parlament gewählt. Bespitzelungsvorwürfe gegen die seit acht Jahren regierenden Sozialisten könnten einen Machtwechsel herbeiführen. Doch sie haben erneut gewonnen. Aber die absolute Mehrheit möglicherweise verloren.

Am Sonntag waren die Albaner aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Die Sozialistische Partei von Ministerpräsident Edi Rama liegt laut Prognosen deutlich vorne. Sie holte 46 Prozent der Stimmen. Ob sie jedoch auch weiter die absolute Mehrheit im Parlament halten können, ist noch unsicher. "Das Volk hat heute gesprochen und die Stimmzettel sind in den Wahlurnen. Aus diesem Prozess muss Albanien gewinnen und nicht die Partei, die weiterhin das Land regieren wird", so Ministerpräsident Edi Rama in der Nacht. Ob seine Sozialisten 71 ihre absolute Mehrheit verteidigen konnten, ist noch offen. Den zweiten Platz belegt die oppositionelle demokratische Partei. Die Wahlbeteiligung lag bei lediglich 48 Prozent.

Kaum Verbesserungen für die Albaner

Der Wahlsieg der regierenden Sozialisten ist durchaus eine kleine Überraschung, denn in der 8-jährige Regierungszeit der Sozialistischen Partei (PS) von Premierminister Edi Rama hat es kaum Verbesserungen für die Menschen gegeben. Im Mittelpunkt der Kritik an der Regierungsarbeit standen vor der Wahl die nicht endende Abwanderung, der stockende EU-Beitritt, die lange verzögerte Justizreform, Albaniens führende Rolle im europäischen Cannabishandel und die damit verbundene ausufernde Korruption sowie die Unterwanderung des Staates durch organisierte Kriminalität.

Albanisches Parlamentsgebäude, Innenansicht
Am 25.04.2021 wählen die Albaner ein neues Parlament. Bildrechte: IMAGO / Xinhua

Bespitzelungsvorwürfe bringen Stasi-Vergleiche

Zusätzlich sorgten wenige Tage vor der Wahl Bespitzelungsvorwürfe der regierenden Sozialisten für Missmut in der Bevölkerung: Die Sozialisten hatten eine Datenbank mit persönlichen Daten von 910.000 Bürgern erstellen lassen. Diese umfasst neben Anschrift und Geburtsdatum auch Angaben zu Personalausweis- und Telefonnummern, politischer Einstellung und finanzieller Situation. Die Kontakte werden von circa 9.000 "Patronen" gepflegt. Dabei handelt es sich um niedere Parteifunktionäre, Angestellte des öffentlichen Dienstes und der Sicherheitsbehörden, die dafür mutmaßlich vertrauliche Personendaten missbraucht haben sollen und die Informationen zur Einschüchterung und zum Stimmenkauf nutzen. So legen es Notizen in der Datenbank nahe: 'Im Gegenzug für deine Stimme behältst du den Job, die Baugenehmigung usw.'

Die Parallelen zum Überwachungsstaat unter dem einstigen kommunistischen Diktator Enver Hoxha und dem albanischen Equivalent zur Stasi, der Sigurimi, liegen nahe und sorgen für Empörung. Das hat zu einer öffentlichen Bloßstellungskampagne geführt. Betroffene können mithilfe eines Online-Tools ihren persönlichen "Patron" identifizieren und so gewissermaßen an den Pranger stellen.

Kein Regierungswechsel

Inhalte sind den albanischen Parteien nicht ganz so wichtig: Bei den letzten drei Wahlen hat sich keine der Parteien die Mühe gemacht, ein Wahlprogramm aufzulegen. Alle zogen mit dem etwas unscharfen Versprechen in den Wahlkampf, den Lebensstandard zu verbessern sowie Mindestlöhne und Renten zu erhöhen. Überdies stehen auf den Stimmzetteln auch weiterhin etliche Kandidaten, die direkt mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht werden. Darunter auch der Parteivorsitzende der regierenden Sozialistischen Partei Tom Doshi, dem aufgrund mutmaßlicher Korruption und Menschenrechtsverletzungen die Einreise in die USA verwehrt ist. 

Viele Albaner wandern aus

Die Grundprobleme des Landes werden aller Voraussicht nach also auch von einer neuen Regierung nicht zeitnah gelöst. Allem voran die hohe Arbeitslosigkeit, die die dramatische Abwanderung weiter befeuert. Seit 1991 haben 1,7 Millionen Albaner ihr Heimatland verlassen. Und der Exodus hält an. 2019 beispielsweise verabschiedeten sich 360.000 Albaner von ihrem Land. Es sind vor allem die 20 bis 29-Jährigen, die ihr Glück in der Fremde suchen. Seit 2014 ist der Balkanstaat offizieller EU-Beitrittskandidat. Trotz Einstufung als sicheres Herkunftsland, stellen albanische Staatsbürger in der EU weiterhin 50 Asylanträge pro Tag. Ihre Chancen auf Erfolg sind jedoch verschwindend gering. Die Albaner, die ihrem Land den Rücken kehren, flüchten nicht vor Gewalt, sondern versuchen der wirtschaftlichen Not und Perspektivlosigkeit zu entkommen.

Jugendliche in einer albanischen Berufsschule
Gut ausbegildet und schlecht bezahlt: Junge Albaner haben es schwer, einen Job in ihrer Heimat zu finden, der sie ernährt. Deshalb verlassen viele Menschen das Land. Bildrechte: IMAGO / Xinhua

Trotz zahlreicher Wahlversprechen aller Lager, daran etwas zu ändern, bleibt Albanien mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 300 Euro das "Armenhaus Europas". Viele Albaner sind in der Textil- und Schuhindustrie für weniger als den Mindestlohn oder gar schwarz beschäftigt. Andere leben aus wirtschaftlicher Not als Selbstversorger. Call Center, die wie Pilze aus dem Boden schießen und im europäischen Ausland Waren und Dienstleistungen anpreisen, sind für viele gut ausgebildeten Universitätsabsolventen die einzige Chance auf einen Job.

Auslandsalbanern wurde das Wählen schwer gemacht

Viele albanische Arbeitsemigranten leben im benachbarten Nordmazedonien und in Griechenland. Einfluss auf die Wahlen haben jedoch nur die wenigsten von ihnen nehmen können: Auslandsalbanern wurde es durch eine – nur für den Wahlzeitraum gültige – 14-tägige Quarantäne-Pflicht schwer gemacht, in ihre Heimat zu fahren und dort zu wählen. Und selbst wenn sie ihr Kreuzchen setzen konnten, dann selten mit dem Gefühl, dass sich dadurch die Probleme Albaniens lösen werden.

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Dieses Thema im Programm: Heute im Osten Reportage | 13. Februar 2021 | 18:00 Uhr

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