Kultfilm Aschenbrödel: in Tschechien nur selten zu sehen
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26. Dezember 2020, 10:46 Uhr
Am 1. November 1973 feierte der Märchenfilm "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" in Prag seine Kinopremiere. Jedes Jahr in der Weihnachtszeit verzückt der Streifen noch immer Millionen Fans. In Tschechien ist er allerdings, ganz anders als in Deutschland, eine echte Rarität.
Es ist eine gute alte Tradition: Jedes Jahr am 26. Dezember habe ich einen wichtigen Termin im Wohnzimmer meiner Eltern. Am Nachmittag läuft "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" im Tschechischen Fernsehen (ČT), die deutsch-tschechische Koproduktion aus dem Jahr 1973.
Kinopremiere im November 1973 in Prag
"Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" feierte am 1. November 1973 in Prag seine Kinopremiere. In der DDR kam der Film fünf Monate später, im Frühjahr 1974, in die Kinos. Der Film des Regisseurs Václav Vorlíček basiert auf einem Märchen der Prager Autorin Božena Němcová, die ein Motiv aus dem Grimmschen Märchen "Aschenputtel" variierte. Gedreht wurde "Aschenbrödel" rund um das Schloss Moritzburg bei Dresden, in den Barrandov Filmstudios Prag sowie auf der Burg Švihov.
"Aschenbrödel" - im tschechischen Fernsehen eine Rarität
Die Rechte an älteren Filmen verwaltet in Tschechien das Nationale Filmarchiv. Jährlich müssen die Vertreter von allen tschechischen TV-Sendern um die besten Filme für das Weihnachtsprogramm kämpfen. Und anders als in Deutschland, wo der Film "rauf und runter" gezeigt wird - zur Jahreswende 2020/2021 sind es insgesamt 19 Sendetermine - gibt es den "Aschenbrödel" in Tschechien nur einmal im Jahr mit einer anschließenden Wiederholung in der unmittelbaren Weihnachtszeit. Eine Rarität also, auf die man sich wirklich freuen kann. Entsprechend gute Quoten erzielt der Klassiker. 2017 haben zum Beispiel rund 2,5 Millionen Zuschauer "Aschenbrödel" gesehen - ein Viertel der tschechischen Bevölkerung!
Ich kenne den Film fast auswendig
"Popelka", wie Aschenbrödel auf Tschechisch heißt, habe ich bestimmt 20 Mal gesehen. Traditionen muss man pflegen, und es ist eben eine tschechische Tradition, zu Weihnachten "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" zu gucken. Oft wurde es schon an Heiligabend im Fernsehen gezeigt, am Tag, an dem wir in Tschechien genauso wie in Deutschland das Weihnachtsabendessen zelebrieren und Geschenke verteilen. Es sieht immer so aus: Der Weihnachtsbaum leuchtet, auf dem Tisch steht ein großer Teller mit Weihnachtsplätzchen (ich mag besonders die Vanillehörnchen, Linzer Küchlein und Pratzen) und im Fernsehen läuft Aschenbrödel. Ich kenne den Film fast auswendig: "Tváře umouněné od popela, ale kominík to není..." Auf Deutsch: "Die Wangen sind mit Asche beschmutzt, aber der Schornsteinfeger ist es nicht..."
Presse-Enthüllungen: Wurde Aschenbrödels Pferd verwurstet?
Alle Jahre wieder kommt Weihnachten das Aschenbrödel. Vor Weihnachten wiederholt sich in tschechischen Zeitungen und Nachrichtenportalen das gleiche Spiel. Man beschäftigt sich mit dem Aschenbrödel von A bis Z. Also: Was sollte man unbedingt wissen über die magischen Haselnüsse? Zum Beispiel, dass die Hauptrolle (Aschenbrödel) eigentlich eine andere Schauspielerin spielen sollte. Sie war aber schwanger geworden und musste den Dreh absagen. Somit kam Libuše Šafranková zu der Rolle, mit der sie auch international bekannt wurde. Die Titelmelodie hat übrigens der Komponist Karel Svoboda dem Regisseur Vaclav Vorliček nachts am Telefon vorgespielt und dessen Zustimmung gefunden.
Jeder erinnert sich an die Szene, als der Prinz ein Reh schießen will und das Aschenbrödel ihn mit einem Schneeball bewirft. Eigentlich warf den Schneeball aber der Regisseur und nicht die Schauspielerin, wie es im Film aussieht. Selbst mit dem Schicksal von Aschenbrödels Pferd Jurášek beschäftigt sich die bunte Presse - sein Ende war offenbar nicht so glorreich wie die Rolle seines Lebens, er wurde dem Vernehmen nach verwurstet.
Und die letzte und schönste Szene: Aschenbrödel reitet im Brautkleid zum Prinzen, er probiert ihr den Schuh an und löst endlich all ihre Rätsel... In dem Moment fangen alle an zu jubeln, bis auf einen - den netten Knecht Vinzek. Warum hat er nicht gejubelt und stand da bloß herum? Auch dieses Rätsel scheint gelöst zu sein: In Tschechien sagt man, dass der Schauspieler Vladimir Menšík beim Dreh der Szene einfach betrunken war. Aber wir lassen uns die Helden unserer Kindheit nicht kaputt machen, oder?
Erfolgreiche Karrieren der Hauptdarsteller
Die beiden Hauptdarsteller haben erfolgreiche Karrieren hingelegt. Libuše Šafránková (Aschenbrödel) wurde in den Folgejahren noch mehrmals als Prinzessin in anderen Märchenfilmen besetzt. Und die Karriere des Prinzen, Pavel Trávníček, ist eigentlich auch wie aus einem Märchen. In der tschechischen Version von "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" musste er wegen seines damals starken mährischen Akzents von einem anderen Schauspieler nachsynchronisiert werden. Danach gelang es ihm aber, den Dialekt abzulegen - heute gehört er zu den besten Synchronsprechern in Tschechien. Man kann auch im normalen Leben Unmögliches erreichen - nicht nur im Märchen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 18. November 2021 | 21:45 Uhr