Russland Moskau: Der Platz der drei Bahnhöfe
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21. Februar 2021, 13:01 Uhr
In Moskau laufen sämtliche russischen Bahnstrecken zusammen. Die Hauptstadt ist auch der Mittelpunkt der Eisenbahn Russlands. Auf einem Platz gibt es gar drei große Bahnhöfe nebeneinander.
Immerhin neun Bahnhöfe gibt es in Moskau. Sie verbinden die Hauptstadt mit den verschiedenen Regionen des Riesenreichs beziehungsweise mit dem Westen. Es sind allesamt Kopfbahnhöfe – die Reisen enden in ihnen und nehmen dort auch wieder ihren Ausgang. Der Kiewer Bahnhof etwa verbindet Moskau mit der Ukraine, gleichfalls aber auch mit Budapest und Wien; vom Belarussischen Bahnhof führen die Gleise über die belarussische Hauptstadt Minsk in die europäischen Metropolen Berlin und Paris; der Kursker Bahnhof öffnet den Weg in Richtung Kursk, Charkow, Rostow am Don sowie in den Kaukasus und der Rigaer Bahnhof den ins Baltikum, nach Lettland, Litauen und Estland.
Das deutlichste Zeichen für den Anspruch Moskaus freilich, auch verkehrstechnisch ganz unbestrittenes Zentrum des Reiches zu sein, manifestiert sich an einem Platz, an dem drei große Bahnhöfe eng beieinander liegen. Der Platz heißt offiziell "Komsomolskaja Ploschtschad", Platz des Komsomol, von den Moskauern wird er jedoch nur "Platz der drei Bahnhöfe" genannt.
Umrahmt wird der Platz vom Jaroslawler Bahnhof und dem Leningrader Bahnhof auf der nordwestlichen Seite, sowie auf der südlichen Seite vom Kasaner Bahnhof. Den Abschluss des Areals bildet das Hotel "Leningradskaja". Im Zentrum des Platzes steht seit Menschengedenken ein steinerner Lenin. Der Revolutionsführer hält mit der linken Hand seinen Mantelaufschlag, die rechte hat er in der Gesäßtasche, als würde er seine Geldbörse festhalten.
Ein Schmelztiegel der verschiedenen Nationalitäten
Täglich passieren etwa eine Million Reisende den "Platz der drei Bahnhöfe": Pendler aus den Vororten der Hauptstadt oder nur wenige Stunden entfernt liegenden Städten und Dörfern, aber auch Reisende, die zwei, fünf oder gar zehn Tage mit der Eisenbahn unterwegs waren. Es sind Menschen unterschiedlichster Nationalität – Usbeken, Ukrainer, Tadschiken, Mongolen, Westeuropäer… Auch viele Soldaten sind hier stets unterwegs, als würde sich das Land im Krieg befinden.
Chinesische Touristen steigen nach St. Petersburg um
Die windschiefen Bretterbuden und Verkaufsstände, an denen Händler noch vor ein paar Jahren Früchte, Limonaden, Teigwaren, Kaninchenfellmützen, Revolutionskitsch und in Zellophan verhüllte bleiche Rosen feilboten, sind nun verschwunden. Dafür haben sich in den Bahnhöfen moderne Souvenirshops und Restaurants angesiedelt. Und, eine weitere Neuerung: Seit einiger Zeit werden vor allem im Leningrader Bahnhof die Verbindungen auch auf Chinesisch angezeigt. Damit reagiert die Stadt auf die steigende Zahl chinesischer Touristen, die sich von hier aus in Richtung Sankt Petersburg aufmachen.
Der Kasaner Bahnhof
Der Kasaner Bahnhof ist der größte der Moskauer Bahnhöfe. Obgleich er viel älter wirkt, ist er doch eine Schöpfung der Moderne – 1913 wurde mit seinem Bau begonnen, doch erst 1940 ist er eingeweiht worden. Er zieht sich, einer Burg- oder Stadtmauer ähnelnd, am "Platz der drei Bahnhöfe" entlang. Gekrönt wird er von einer Kuppel. Es ist ein Bahnhof, "dem noch die wilde Zeit seiner Entstehung und die Zeitläufte, die er gesehen hat, anzumerken sind", schreibt der Weltenbummler und Historiker Karl Schlögel in seinem Buch "Moskau lesen". Die Gleise des Kasaner Bahnhofs weisen nach Kuibischew, nach Omsk und Samarkand, nach Duschanbe sowie in den Ural und in den Kaukasus. Karl Schlögel: "Vor den Reihen roter Plastesessel in der Nebenhalle bilden sich etliche Schlangen von Menschen, die einen Sitzplatz ergattern wollen für eine lange Wartezeit."
Die Züge, die von hier abgehen, haben weite Strecken vor sich: Bis nach Kasan brauchen sie 13 Stunden, in die kirgisische Hauptstadt Bischkek immerhin schon drei Tage. Auf den Perrons herrscht ein babylonisches Sprachengewirr – Usbekisch, Kasachisch, Russisch, Tungusisch… und es lagern ganze Türme von Koffern, Kisten und Säcken. Seit kurzem ist im Kasaner Bahnhof ein modernes Einkaufszentrum sowie eine Gemäldegalerie eingerichtet worden.
Leningrader Bahnhof - der älteste Bahnhof Moskaus
Der älteste Bahnhof Moskaus – 1849 erbaut - trägt noch immer den Namen Leningrad, obwohl die Stadt an der Newa längst wieder Sankt Petersburg heißt. Die Büste Lenins, die 40 Jahre lang in der zentralen Halle gestanden hatte, ist mittlerweile im Moskauer Eisenbahnmuseum verschwunden. Vom Leningrader Bahnhof verkehren Expresszüge in die zweite Hauptstadt Russlands, nach Sankt Petersburg. Die Sapsan-Züge werden von Siemens produziert und gehen auf den ICE der dritten Generation zurück. Knapp vier Stunden dauert die Fahrt in den hochmodernen Intercitys. Eine ähnliche Hochgeschwindigkeitsstrecke führt nur noch nach Nischni Nowgorod. Ansonsten reichen die Verbindungen von hier bis nach Karelien, Murmansk, Tallin und Helsinki.
Bei der Renovierung des Bahnhofs in den letzten Jahren, wurde der Bau um zwei Stockwerke erweitert. Dort befinden sich nun Shops und Gaststätten. Überdies gibt es im Bahnhof ein Spielcasino und gar ein kleines Gefängnis.
Jaroslawler Bahnhof - Der Beginn der Transsibirischen Eisenbahn
Hier beginnt sie, die längste und abenteuerlichste Eisenbahnroute der Welt: von Moskau nach Wladiwostok. Alle zwei Tage fährt die Transsibirische Eisenbahn, der "Zug der Züge", am Jaroslawler Bahnhof, dessen Türme an den Kreml erinnern und die strengen Kirchen Nordrusslands, ab beziehungsweise kommt aus dem hohen Norden wieder zurück. 9.300 Kilometer misst die Strecke, für die der Zug mit Namen "Rossija" zwischen acht bis neun Tagen benötigt. Züge fahren vom Jaroslawler Bahnhof aber auch nach China und in die Mongolei. Ebenfalls tagelange Routen durch das schier unermesslich weite Russland …
Eiserner Weg
"Nirgendwo ist die zivilisatorische Mission des Eisenbahnbaus deutlicher abzulesen als in Russland", schreibt Karl Schlögel. Das ist schon den russischen Worten für Eisenbahn, shelesnaja doroga, abzulesen - eiserner Weg lautet die genaue Übersetzung. "Darin ist enthalten mehr als nur bloße Verkehrsverbindung, darin liegt die ganz bestimmte Negation der Unbeugsamkeit des Geländes. Der Sümpfe und Flussniederungen, eine Kampfansage an die Abhängigkeit von den so kommunikationsfeindlichen, klimatischen und geografischen Bedingungen des Landes."
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR um 11 | 02.07.2018 | 11:00 Uhr
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Ostwärts - mit der Transsibirischen Eisenbahn | 25. Dezember 2020 | 12:50 Uhr