Russland Autopiste und Freizeitparadies: Der Baikalsee im Winter
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24. Januar 2021, 05:00 Uhr
Im Winter wird der Baikalsee von einer meterdicken Eisschicht überzogen. Dann wird die schier endlose Eislandschaft von Autofahrern und Eisfischern, von Marathonläufern, Wanderern und Tauchern bevölkert.
Der Baikalsee in Sibirien ist ein Ort der Superlative. Mit knapp 32.000 Km² Fläche ist er so groß wie Belgien. Er ist zwar nicht der größte See der Welt, aber der tiefste. An mindestens einer Stelle ist er 1642 Meter tief. Und: Kein See ist so alt wie er. Ihn soll es bereits seit 25 Millionen Jahren geben. Einen ganz besonderen Reiz entfaltet das größte Süßwasserreservoir der Welt im Winter. Dann ist der Baikalsee von einer dicken Eisschicht bedeckt, was ganz erstaunliche Möglichkeiten eröffnet.
Fernverkehrsstraßen: Schwerlastverkehr auf dem See
Sobald der Baikalsee im November komplett zugefroren ist, werden von den örtlichen Behörden Eisstraßen eingerichtet, sogenannte Zimniki. Es sind abenteuerliche Pisten, die über blankes Eis führen. Doch es braucht sie, denn manche Orte am Baikalsee sind im Winter nur über die Eisstraßen zu erreichen. So wird die gesamte Versorgung der ansonsten von der Außenwelt abgeschlossenen Ortschaften gewährleistet. Ein Zimnik führt aber auch hinüber nach Olchon, auf die größte und einzige bewohnte Baikalinsel.
Sturm, Spalten, Eislöcher: Die Angst fährt mit
Ganz ungefährlich ist das Fahren auf dem Baikalsee nicht. Obwohl das Eis bis zu zwei Meter dick ist, reißt es ab und an mit einem gewaltigen Krachen. Dann öffnen sich mitunter kilometerlange Spalten. Manche dieser Risse können den ganzen See durchziehen. Bei den Kraftfahrern sind sie gefürchtet. Nicht ohne Grund. Erzählt man sich doch, dass immer wieder Fahrzeuge in einer Eisspalte verschwunden sind, weil die Fahrer sie nicht bemerkt hatten. Sie seien entweder zu müde oder zu besoffen gewesen. Die Eisstraßen werden zwar täglich vom Schnee geräumt, sind aber spiegelglatt. Es gilt also, Abstand zu halten! Vor allem dann, wenn ein Schneesturm die Sicht auf wenige Meter reduziert. Wer über den See fährt ist auf jeden Fall gut beraten, wenn er immer auf dem Zimnik bleibt. Denn abseits der Straße lauern Eislöcher, wie der einer oder andere Kraftfahrer schon voller Überraschung zur Kenntnis nehmen musste. Die Bergung eines eingebrochenen Fahrzeugs ist eine ebenso zeitraubende wie gefährliche Arbeit.
Fischen, Wandern, Schlittschuhlaufen: Freizeitspaß für alle
Der zugefrorene Baikalsee ist aber nicht nur Straße, sondern für viele Menschen Ort für Abenteuer und Erholung. Eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Einheimischen ist das Eisfischen. Loch ins Eis hacken, Angel auswerfen und warten: Wer einen guten Fang machen will, braucht Geduld und warme Kleidung. Doch das lohnt sich. Die Eisangler haben regelmäßig Hechte, Fluss-Barsche und Baikal-Omule am Haken.
Der winterliche Baikal ist auch ein Eldorado für Schlittschuhläufer. Bei Touristen aus dem Westen ist vor allem das Schlittschuhwandern beliebt. Ortskundige Führer bieten kurze Ausflüge ebenso an wie halbe Baikalumrundungen. Die dauern mehrere Wochen. Übernachtet wird während der Tour in Zelten auf dem blanken Eis.
Eine gewisse Tradition hat mittlerweile der "Baikal Ice Marathon", der immer Anfang März ausgetragen wird. Die Strecke führt auf einer markierten Piste vom Ost- zum Westufer des Baikalsees, von Tanchoj nach Listwjanka. Einheimische Läufer sollen noch nie dabei gewesen sein - bei etwa -17 Grad Celsius sei ihnen nicht nach einem Marathon zumute, heißt es.
Besonders Wagemutige zieht es unter das Eis. Hinein ins kalte, klare Wasser. Eistauchen ist ein besonderes Abenteuer und nicht ungefährlich. Damit sich die Taucher im Wasser nicht verirren, sind sie mit Seilen und Karabinern gesichert. So finden sie zum Eisloch, in das sie eingestiegen sind, zurück.
Schwitzen und abkühlen: Mit der mobilen Banja aufs Eis
Die Banja, das Badehaus, ist eine typisch russische Einrichtung. Das Schwitzen gehört im Winter einfach zum russischen Leben dazu. Manche Russen haben sich mobile Banjas gebaut. Die ziehen sie im Winter auf den gefrorenen Baikal hinaus, um dort zu schwitzen und sich anschließend im eiskalten Wasser abzukühlen.
Das Ende der Eiszeit beginnt Anfang April. An der Südspitze des Sees fängt das Eis langsam zu schmelzen an. Das Tauwetter kann bis in den Juni hinein anhalten. Erst dann sind die letzten Eisstücke verschwunden.
(SL, voq)
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