Kroatien Kleine Ernte, großer Ruhm: Olivenöl aus Kroatien
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29. November 2021, 10:09 Uhr
Kroatisches Olivenöl kennt hierzulande kaum jemand. Auch Kroatien selbst importiert viel Olivenöl, vor allem, weil die einheimische Produktion den Bedarf im Land nicht decken kann. Familienbetriebe, die entlang der Adria Oliven anbauen, nützen dem Land aber nicht nur wegen des Olivenöls. Sie halten auch die ländlichen Gegenden lebendig. Denn obwohl es jährlich Hunderttausende nach Kroatien in den Urlaub zieht, verlieren Kroatiens Inseln und Küstenstädte stetig an Einwohnern.
Im November endet in Kroatien die Olivenernte. Dann gibt es Nachschub in den Küchen von Kroatiens mediterranen Gegenden, denn von dort ist Olivenöl nicht wegzudenken. Außerhalb des Landes dagegen ist es kaum bekannt. Doch das ändert sich, seit kroatische Olivenöle bei internationalen Wettbewerben Preise gewinnen.
Doch bevor ein Öl in der Flasche landet und Auszeichnungen erhält, müssen die Oliven geerntet werden. An den oft steinigen Hängen des Küstenlandes breiten Erntehelfer um die Stämme der Olivenbäume herum Netze aus. Sie streifen die Oliven mit den Händen und kleinen Harken von den Ästen ab oder schütteln die Äste mit elektrischen Geräten an Teleskopstangen.
Kleine Familienbetriebe schließen sich zu Kooperativen zusammen
Besonders auf den Inseln Dalmatiens werden traditionell Oliven angebaut. Bernardin Peroš, ein pensionierter Wissenschaftler in seinen Siebzigern von der Insel Šolta, erinnert sich, wie er früher seinem Vater bei der Arbeit im Olivenhain zur Hand gehen musste. Bernardin Peroš´ Vater besaß auf Šolta rund 500 Olivenbäume. Und wie das so üblich gewesen sei, erzählt Peroš der Zeitung Slobodna Dalmacija, gab es keine Ausreden, wenn die Familienmitglieder zum Mithelfen an die Olivenbäume gerufen wurden.
Die kleine Insel Šolta vor der Hafenstadt Split hat nur etwa 1.500 Einwohner, vier Mal am Tag legt im November eine Fähre aus Split dort an. Heute bewirtschaftet Bernadin Peroš dort 220 Olivenbäume. Mit etwa 20 weiteren Familienbetrieben hat er sich in der Kooperative "Zlatna Šoltanka" (Die Goldene Šoltanka) zusammengeschlossen. So gelingt, was jeder Betrieb allein nicht schaffen würde: Die Kooperative vertreibt erfolgreich ihr bio-zertifiziertes Olivenöl. Besonders stolz sind die Olivenbauern auf die internationalen Preise, die ihr "Olivenöl von Šolta" mit seiner geschützten Herkunft zuletzt beim New Yorker Olivenöl Wettbewerb (NYOOC) gewonnen hat.
Mit Feinschmecker-Öl gegen die Landflucht
Das Credo der kroatischen Produzenten lautet: Bei der Qualität herausholen, was bei den Produktionsmengen nicht möglich ist. Denn mit nur 0,2 Prozent der weltweiten Anbaufläche kann Kroatien nicht einmal den heimischen Bedarf an Olivenöl decken, geschweige denn mengenmäßig mit den führenden Produzenten Spanien, Italien und Tunesien mithalten. Das oft steinige und abschüssige Terrain, auf dem in Kroatien Oliven angebaut werden, macht es fast überall unmöglich, im großen Stile maschinell zu ernten. So wird nach Meinung von Experten das kroatische Olivenöl auch weiterhin teurer bleiben als importiertes.
Wenn ein dalmatinisches Olivenöl in den USA ausgezeichnet wird, dann ist das auch Musik in den Ohren vom Landrat der Region Split-Dalmatien, Blaženko Boban. Zu Beginn der diesjährigen Ernte betonte der Regionalpolitiker in einem Zeitungsinterview, wie wichtig die Landwirtschaft neben dem Tourismus für die Gegend sei. Denn so beliebt die kroatische Küste auch bei Urlaubern aus aller Welt sei, der Landstrich habe doch mit starker Abwanderung zu kämpfen. Mit Förderprogrammen versucht die Regierung deshalb, das Leben in den ländlichen Regionen attraktiver zu machen und die Menschen dort zu halten. Die Olivenbauern und Ölmühlen können deshalb Geld aus EU-Mitteln erhalten. So steckt auch der eine oder andere Euro Fördergeld in neu gepflanzten Olivenbäumen auf der Insel Šolta.
EU-Gelder für moderne Ölmühlen
In den Genuss von EU-Mitteln ist auch der Betrieb von Tedi und Sandi Chiavalon gekommen. Die Brüder von der Halbinsel Istrien in der nördlichen Adria haben in ihrer modernen Ölmühle in diesem Jahr ganze 1.000 Tonnen Oliven verarbeitet, erzählt Sandi Chiavalon im Interview mit dem Gospodarski List. Mehr als ein Drittel der Kosten für die nagelneue Anlage kamen aus EU-Fonds. Wie das Öl der Insel Šolta, so gewinnt auch ihres internationale Preise. Vielleicht überzeugten die Juroren die Noten von "wilder Zichorie, grünem Apfel, Artischocken, frisch gemähtem grünen Gras und Tomaten". So zumindest beschreiben die Brüder Chiavalon den Duft ihres Öls in ihrem Webshop.
Wie in der Gegend üblich, nannte auch die Familie Chiavalon früher zwei-drei Duzend Olivenbäume ihr Eigen. Aus Hobbybauern wurden Profis. Heute beschäftigen Tedi und Sandi Chiavalon zehn Festangestellte und etwa 15 Saisonarbeiter. Sie alle pflegen die bald 10.000 Olivenbäume des Familienbetriebs und pressen im Herbst aus ihren Früchten das begehrte grüngoldene Öl.
Zu wenig Regen, zu wenige Erntehelfer
Oliven anzubauen und die gewonnenen Öle zu vermarkten kann sicher einen kleinen Teil dazu beitragen, Arbeitsplätze an Kroatiens Küste zu schaffen und die Abwanderung etwas zu mildern. Trotz Erfolgsgeschichten wie der von Istrien und Šolta haben aber die ländlichen Gegenden Kroatiens und sogar die Küstenstädte in den letzten Jahren viele Einwohner verloren. Und selbst den erfolgreichen Olivenbauern bleiben nach der diesjährigen Ernte zwei große Sorgen. Die zunehmende Trockenheit ist eine davon. Sie ließ in diesem Jahr die Olivenernte um etwa 40 Prozent geringer ausfallen. Und um die Ernte einzufahren fehlen immer häufiger die Arbeitskräfte.
Dieses Thema im Programm: MDR Fernsehen | 24. Oktober 2021 | 20:15 Uhr