Stadtviertel Abanotubani in Tbilissi/ Tiflis, Georgien
Im Stadtviertel Abanotubani in Georgiens Hauptstadt Tbilissi gibt es noch historische Schwefelbäder. Bildrechte: Giorgi Janelidze/ MDR

Georgien Wellness mit Tradition: Die Bäder von Tbilissi

05. August 2023, 18:08 Uhr

Was verbindet die Hauptstädte von Georgien und Ungarn? In Tbilissi wie in Budapest gibt es Thermalbäder. Doch während die in der ungarischen Hauptstadt weltbekannt sind, dürften die in Tbilissi beinahe noch als Geheimtipp durchgehen. Weltstars wie Sting wissen, was man sich dort auf keinen Fall entgehen lassen sollte.

Der georgische Journalist Giorgi Janelidze
Bildrechte: Giorgi Giorgashvili | MDR

Gagascha Alekperow ist bei seiner Arbeit nicht zimperlich. Mit geübtem Griff massiert er seinen Badegast von Kopf bis Fuß, übergießt ihn mit einem Eimer warmen Wassers, reibt ihn energisch mit einem Massagehandschuh ab. Wieder ein Eimer Wasser und es folgt eine kräftige Schaummassage, dann noch einmal kaltes Wasser und fertig.

Kein Schwefelbad ohne Massage

Der Badegast Iwan lebt in München, ist aber in Tbilissi geboren. Seit der Pandemie ist er nicht mehr in der Heimat gewesen und besucht nun zum ersten Mal in seinem Leben dort ein Schwefelbad. Er hat sich "Gulos Bad", eines der historischen Schwefelbäder in Georgiens Hauptstadt ausgesucht. Dort kann man in privaten Baderäumen mit je einem warmen und einem kalten Becken entspannen, die man für sich allein hat.

Eine Massage im "Gulo Abano" Schwefelbad in Tbilissi/ Tiflis, Georgien
Iwan lebt in Deutschland und lässt sich das erste Mal in einem Thermalbad seiner Heimatstadt Tbilissi massieren. Bildrechte: Giorgi Janelidze/ MDR

Der Geruch von Schwefel ist nicht jedermanns Sache, Iwan scheint sich daran allerdings nicht gestört zu haben. Dass er seinen Besuch im Bad nicht bereut, liegt vor allem an Masseur Gagascha: "Die Art, wie er massiert fühlt sich an wie eine Wiedergeburt, als wenn man ganz neu erschaffen wird und für mich ein ganz neues Erlebnis. Ich war absolut begeistert." Schon der berühmte georgische Schriftsteller Iosseb Grischaschwili sagte: Ins Schwefelbad zu gehen, ohne die sogenannte Qissa-Massage zu bestellen, sei fast das gleiche, wie nach Paris zu fahren, ohne den Eiffelturm anzuschauen. 

"Bei meinem Besuch bin ich völlig in die Magie dieses Ortes eingetaucht und bin jetzt ein absoluter Fan vom georgischen Schwefelbad," schwärmt Iwan. Für diese Atmosphäre sorgen auch die mit Marmor ausgekleideten Räume in Gulos Bad und das Sonnenlicht, das durch kleine Fenster in den Kuppeln herein scheint. Das bis zu 43 Grad Celsius heiße Schwefelwasser soll nicht nur reinigend, sondern auch heilend wirken. Und nach einer Massage tut es manchen Besuchern gut, erst einmal in ein Becken mit dem kaltem Quellwasser einzutauchen, bevor sie sich im warmen Becken entspannen.

Tbilissi an den heißen Quellen gegründet

Die Schwefelbäder sind eine Art Wahrzeichen von Tbilissi, denn der Legende nach wurde die Stadt im 5. Jahrhundert von König Wachtang I. entlang der heißen Quellen gegründet. Und so leitet sich auch der Name des multikulturellen Viertels in der Altstadt von Tbilissi – Abanotubani – vom Wort "Schwefelbad" ab. Es liegt am rechten Ufer des Flusses Mtkwari, der außerhalb von Georgien auch unter dem Namen Kura bekannt ist. Im Abanotubani-Viertel sind die Georgisch-Orthodoxe Kirche, die Armenische Apostolische Kirche, die Synagoge und die Moschee nur einige Hundert Meter voneinander entfernt und stehen als Zeichen der Freundschaft und des friedlichen Zusammenlebens der verschiedenen ethnischen Gruppen. 

Schwefelbad "Gulo Abano" in Georgiens Hauptstadt Tbilissi/ Tiflis
Einer der privaten Baderäume in "Gulos Bad" in Tbilissi. Unter den gemauerten Kuppeln können mehrere Menschen im warmen Pool sitzen. Bildrechte: Giorgi Janelidze/ MDR

Im 13. Jahrhundert habe es in Tbilissi etwa 65 Thermen gegeben, erzählt Natia Sibsibadse vom Stadtgeschichtlichen Museum. Im 18. Jahrhundert waren davon allerdings nur noch sechs gut ausgestattete Bäder erhalten. Heute sind im Viertel Abanotubani noch drei Thermen übrig geblieben, die sich einen historischen Gebäudekomplex teilen, darunter auch Gulos Bad. Je nachdem, in welches Bad sie gehen, können Besucher entweder eine Eintrittskarte für einen großen Gemeinschaftsbaderaum lösen oder private Baderäume, sogenannte Suiten, buchen.

Massage: Handwerk mit Tradition

Auch die steinerne Massageliege darf nirgends fehlen, denn wie Iwan schätzen die Besucher der Thermen gerade die Dienste des Masseurs – des Meqisse. Für eine Massage bei Gagascha Alekperow zahlen sie 50 georgische Lari zusätzlich zum Eintritt, etwa 18 Euro. Er arbeitet bereits seit zehn Jahren mit großer Leidenschaft als Masseur und ist dafür bei seinen Freunden und älteren Meistern in die Lehre gegangen. Das Geld, das er mit dem Massieren verdient, sagt der zweifache Vater Gagascha, reiche vollkommen, um seine Familie zu versorgen.

Historischer Bäderkomplex in der Altstadt von Tbilissi/ Tiflis, Georgien
Unter den Kuppeln der historischen Bäder in Tbilissi sprudelt das heiße Quellwasser. Bildrechte: Giorgi Janelidze/ MDR

"Das Handwerk stand damals der Medizin sehr nahe," erläutert Historikerin Natia Sibsibadse vom Stadtmuseum die jahrhundertealte Tradition, "denn die Masseure beherrschten verschiedene Heilmethoden für Leiden der Wirbelsäule und der Knochen. Oft wurde der Beruf vom Vater an den Sohn vererbt".

Pop-Legende Sting ist Fan von Tbilissis Bädern

Im Laufe seiner Karriere hat Masseur Gagascha zwar schon einige Prominente der Region auf seiner marmornen Massageliege liegen sehen, aber Sir Gordon Sumner alias Sting war sein größtes Highlight. Der britische Popmusiker hatte nach einem Konzert Gulos Bad besucht: "Sting und seine fünf Begleiter haben die größte Suite genommen. Ich und mein Kollege haben uns verteilt, je drei Leute massiert und Sting hat sich bei mir hingelegt. Er war sehr zufrieden mit der Massage," erinnert sich Gagascha. Sting sei so beeindruckt von seinem ersten Besuch im Schwefelbad gewesen, dass er vor seiner Abreise seinen Tagesplan geändert habe, um noch einmal in die Therme zu kommen, ergänzt die Chefin Gulo Niasow, deren Namen das berühmte Bad trägt.

Eine Frau vor einem gedeckten Tisch. Geschäftsführerin Schwefelbad Gulo Niasow
Gulo Niasow leitet seit über 30 Jahren eines der traditionsreichen Thermalbäder in Tbilissi. Bildrechte: Zura Balanchivadze

Die mittlerweile erfolgreiche Geschäftsfrau Gulo ist vor mehr als 30 Jahren in die Branche eingestiegen. In diesem Jahr gebe es viel weniger Besucher als 2022: Anfang Juli waren es insgesamt etwa 5.000, so dass man bis Ende des Jahres auf um die 10.000 kommen könnte. Vor der Corona-Pandemie waren es gut doppelt so viele in dem Bad, das hauptsächlich von einheimischen Stammkunden lebt. Doch es kommen auch Touristen, um den Charme der Badekultur von Tbilissi zu erleben.

Tbilissis Thermen gestern und heute: Mehr als nur Baden

Noch im 18. Jahrhundert besuchten regelmäßig junge Frauen kurz vor ihrer Heirat die Bäder von Tbilissi. Begleitet wurden sie von den weiblichen Verwandten des Bräutigams, denn sie sollten sich im Thermalbad "vorstellen" und ihre "unschuldigen" Körper von den wildfremden Damen inspizieren lassen. Erst danach gaben diese mündlich ihre Zustimmung zur Heirat. "Die Thermen waren einer der wichtigsten Elemente des Alltags," erläutert Kuratorin Natia Sibsibadse vom Stadtmuseum ihre frühere Bedeutung. "Sie hatten nicht nur eine hygienische Funktion, sondern dienten auch als gesellschaftlicher Treffpunkt. Man hat sich ausgeruht, unterhalten und sogar zu Mittag oder Abend gegessen."

Gulo ist stolz darauf, dass sie eines der historischen Bäder leitet und damit ein Stück Tradition weiterleben lässt. Und auch an einem ihrer Erfolgsrezepte dürfte sich im Gegensatz zu frühen Zeiten nicht viel geändert haben: "Viele Gäste bringen ihre privaten Geschichten mit, sie erzählen so Einiges und diese Geschichten ruhen dann hier. Einzelheiten, die wir im Bad erfahren, dringen nicht nach außen. Wir behandeln diese Erzählungen wie die eigenen Familiengeheimnisse."

Unser Autor Giorgi Janelidze, Jahrgang 1974, hat 1999 an der Staatlichen Universität Tbilissi einen Abschluss im Fach Journalismus gemacht. Schon während des Studiums arbeitete er bei verschiedenen Fernsehsendern und Zeitschriften als Reporter. Er war Gaststudent an der Hochschule für Fernsehen und Film München und hat einen Abschluss an der Bayerischen Akademie für Fernsehen gemacht. Während seines Aufenthaltes in Deutschland hat Giorgi u.a. als Gastredakteur beim RBB in Potsdam gearbeitet. Als freier Mitarbeiter unterstützte er Dreharbeiten des BR und von Spiegel TV vor Ort in Georgien. Zuletzt hat er in seiner Heimat als Reporter und Redakteur mit Schwerpunkt Menschenrechte gearbeitet und Dokumentarfilme gedreht. Aktuell ist er als freier Auto für verschiedene Medien tätig.

Der georgische Journalist Giorgi Janelidze
Der georgische Journalist Giorgi Janelidze Bildrechte: Giorgi Giorgashvili | MDR

MDR (usc)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 29. Juli 2023 | 07:23 Uhr

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