Tschechien Brünn: Tschechiens geheime Kneipenhauptstadt
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24. Juli 2021, 05:00 Uhr
Brünn, die zweitgrößte Stadt Tschechiens, hat Prag den Rang der Bar-Haupstadt längst abgelaufen. Ein Ausflug lohnt sich unbedingt, meint unsere Ostbloggerin Helena Truchla und verrät ihre Geheimtipps.
Brünn - oder Brno, wie es auf tschechisch heißt - ist keine Stadt der Sehenswürdigkeiten. Klar: Es gibt auch hier Orte, die ungewöhnlich und interessant sind: Etwa die Villa Tugendhat, ein Bauhaus-Juwel, das zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Oder - für Leute, die das Morbide mögen - das zweitgrößte Beinhaus Europas: Unter der St. Jakobskirche liegen säuberlich aufgeschichtet die Knochen zahlloser Opfer von Pest und Cholera - und des Dreißigjährigen Krieges. Aber vor allem besticht die tschechische Partnerstadt von Leipzig durch ihr Flair und eine lebendige Kultur- und Kneipenszene.
Deshalb ist die einst graue Industriestadt, die sowohl von der Zeit des Sozialismus als auch von der Ära des unregulierten Kapitalismus der frühen 1990er-Jahre hart getroffen wurde, mittlerweile zum Reiseziel für Liebhaber von Craft-Bieren, Kaffee und köstlichem Essen geworden. Denn vor allem in den letzten Jahren haben immer mehr junge Gastronomen ungewöhnliche Konzepte umgesetzt.
Ein Trinkspiel der besonderen Art
Da ist zum Beispiel der Super Panda Circus: Dort gilt es am Eingang eine Entscheidung zu treffen: Wie in einem Computer- oder Rollenspiel wählt der Besucher den Charakter aus als der er durch den Abend gehen will – etwa als Hexe oder als Samurai. Er erhält ein iPad, mit dem er den Abend über an einem Rollenspiel teilnehmen kann. Der Witz an der Sache: Je nach den Entscheidungen, die man im Spiel trifft, bekommt man Cocktails vorgeschlagen
Einige der Kombinationen, die das gut geschulte Barpersonal zubereitet, sind eher traditionell, doch man kann auch einen Mix aus japanischen Whiskey mit Tapiokaperlen vorgesetzt bekommen - und zwar aus einem riesigen, austernförmigen Glas. Oder das Getränk brennt. Hier ist alles möglich - aber nichts muss: Es gibt auch Gin Tonic oder ein schlichtes Bier.
Eine lebendige Gastro-Szene
Der Super Panda Circus ist mit Sicherheit die schrulligste Bar von vielen, die in den letzten Jahren in Brünn von jungen Unternehmern gegründet wurden. Es begann mit der eher traditionellen und stilvollen Bar, die es nicht gibt - eine Anspielung auf die Tatsache, dass es die erste derartige Bar im Land war - und setzen auf hochwertige Zutaten und eine Atmosphäre, die an James-Bond-Filme erinnert.
Brünn liegt inmitten der berühmten Weinregion Südmähren und einst war der Wein einer der wichtigsten Trümpfe der Stadt. Heute macht sie aber regelmäßig Schlagzeilen mit ihren Bars, Kneipen, Mikrobrauereien, asiatischen Fusionsrestaurants, Weihnachtsmärkten, Konditoreien und - natürlich - Weinboutiquen, die Naturweine vom Fass anbieten. Und meist zahlt man dafür weniger als in Prag.
Übernachten in Bauhaus-Apartments oder im Bunker
Die Stadt mit ihren knapp 400.000 Einwohnern ist klein genug für einen Wochenendausflug, aber trotzdem groß genug, um sich da nicht zu langweilen. Von Prag aus braucht man zweieinhalb Stunden mit dem Zug. Wer mit dem Bus in Leipzig oder Dresden startet, fährt etwa sieben Stunden. Und wer eine Unterkunft im Stadtzentrum bucht, braucht nicht mehr als seine zwei Beine, um fast überall hinzukommen, was einen Besuch wert ist.
Für Architekturfreunde, die den funktionalistischen, Bauhaus-ähnlichen Stil der 1920er und 1930er Jahre genießen möchten, ist eine Übernachtung in den frisch renovierten U Tomana Apartments am Hauptplatz (Namesti Svobody) eine tolle Option. Wer dagegen nicht so viel Wert auf Privatsphäre legt, hat die Möglichkeit, ein Etagenbett in dem unterirdischen 10-Z Atomschutzbunker zu buchen. Und auch hier ins Brünn die preiswertere Alternative zur Hauptstadt: Im Allgemeinen kostet ein schönes Doppelzimmer für eine Nacht am Wochenende etwa 60 Euro.
Tschechische Snacks und vegane Delikatessen
Einmal ausgeschlafen, gibt es viel zu entdecken – vor allem in kulinarischer Hinsicht: Auf dem malerischen Zelny Trh, dem Kohlmarkt, steht die frisch renovierte Markthalle. Hier gibt es die besten Pastrami-Sandwiches und frischen Nudeln der Stadt. Geheimtipp: Wer mit dem Aufzug in die oberste Etage der Markthalle fährt, kann seine eben erworbene Mahlzeit auf einer schönen Terrasse mit Blick auf das historische Stadtzentrum verzehren - kostenlos.
Gleich hinter der prächtigen gotischen St.-Jakobs-Kirche befindet sich ein Lokal namens Na Stojáka, was wörtlich übersetzt "im Stehen trinken und essen" bedeutet. Dieser Name bezeichnet inzwischen die gesamte nähere Umgebung. Denn genau das kann man hier auch tun. Hier gibt es zahlreiche verschiedene Biersorten und typisch tschechische Snacks: Etwa eingelegten Hermelín Käse, Brot mit Quargelaufstrich oder Wurst in Essig. Wer es weniger deftig dafür aber pflanzlich mag, probiert die Delikatessen in einem der benachbarten veganen Bistros. In der Weinkellerei Jacob verbinden sich Tradition und Technik: Hier lädt man eine Chipkarte mit Geld auf um dann verschiedene Weinsorten zu verkosten - oder wie man hier sagt: "okoštovat". Abgerechnet wird per 0,25 dcl.
Lokale Bands und eine alte Jukebox
Ein Zentrum des Nachtlebens ist der stets gut besuchte Jakobsplatz. Hier spielen oft einheimische Bands und vor allem an den lauen Sommerabenden, die im Durchschnitt wärmer sind als in Prag, wird hier gesungen und getanzt - in den anderen tschechischen Städten sind die Einheimischen in der Öffentlichkeit deutlich weniger kontaktfreudig.
Sollte man aus unerfindlichen Gründen morgens einen Kater auszukurieren haben, gibt es in Brünn unzählige Kaffee- und Brunchlokale, vom hippen Skog, das eher an Skandinavien als an Mitteleuropa erinnert, bis zum den traditionellen Cafés Placzek oder Spolek. Wer zufällig am Tunsgram vorbeikommt (der Name stammt von einem alten ungarischen Hersteller von elektrischen Bauteilen), sollte die Kellnerinnen unbedingt bitten, die alte Jukebox anzuwerfen. Die Megahits von Karel Gott sind auch im Angebot.
Covid-19 in Tschechien
Im Moment ist die Pandemie-Situation in Tschechien noch unter Kontrolle, obwohl es im Verhältnis zur Bevölkerungszahl mehr neue Fälle gibt als in Deutschland. Um nach Tschechien zu reisen, muss man nachweisen, dass sie gegen Corona
geimpft, negativ getestet oder genesen sind. Für die Innenbereiche von Bars und Restaurants legal zu betreten gilt im Moment das gleiche – auch für Kinder, die älter als 6 Jahre sind. Die Tests müssen aber nicht tagesaktuell sein: PCR-Tests gelten eine Woche, Antigentests der Tage.
Für Reisen ist darüber hinaus noch das Ausfüllen des Einreiseformular notwendig. 40 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft und die Regierung eröffnet derzeit neue, "walk-in" Impfzentren. Eines davon befindet sich auch im Olympia-Shopping Centre am Stadtrand von Brünn.
Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell Radio | 17. Juli 2021 | 11:20 Uhr