Windenergie Regionalplanung contra Waldgesetz: Diskussion um Windvorranggebiete bei Georgenthal
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29. Februar 2024, 07:00 Uhr
Bis zum Jahr 2036 sollen zwei Prozent der Fläche in Deutschland für die Windenergie genutzt werden. Um das zu erreichen, hat die Bundesregierung den Ländern die Ausweisung von Windvorranggebieten auferlegt. Das hat in Thüringen die Diskussion um die Frage, ob Windräder im Wald gebaut werden dürfen, verschärft. Wie gehen Kommunen und Waldbesitzer damit um?
Bis zu 15 Windräder könnten entstehen - mitten im Thüringer Wald bei Georgenthal im Landkreis Gotha. Jedenfalls soll es dort nach dem Entwurf des 2. Sachlichen Teilplans "Windenergie" Mittelthüringen ein über 200 Hektar großes Vorranggebiet (W-39 genannt) geben. Zwei etwas kleinere Vorranggebiete (W-40 und WG-15) will die Regionale Planungsgemeinschaft Mittelthüringen in der Nähe der Nachbargemeinde Tambach-Dietharz ausweisen.
Die Pläne dazu wurden bereits im vergangenen Dezember veröffentlicht. Jedoch ist erst in der vergangenen Woche das geänderte Thüringer Waldgesetz in Kraft getreten. Es soll unter anderem den Bau von Windrädern in Wäldern erschweren.
Die FDP im Thüringer Landtag sagte, dass das Gesetz eine sorgfältige Interessenabwägung vorschalten soll, ob Waldflächen für eine andere Nutzungsart umgewidmet werden dürfen. Am Ende sollen Einzelfallentscheidungen getroffen werden. Wie genau passt also die regionale Windradplanung mit dem geänderten Gesetz zusammen?
Gesetzesänderung erschwert Bau von Windrädern im Wald
Gleich vorneweg: Die Änderung im Thüringer Waldgesetz verbietet den Bau von Windrädern im Wald grundsätzlich nicht. Allerdings soll er dadurch schwieriger werden. Ausgeschlossen ist stattdessen die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für Ausgleichaufforstungen.
Das heißt: Wer im Wald etwas bauen möchte (darunter fallen neben Windrädern beispielsweise auch Straßen), muss andere Flächen in gleicher Größe aufforsten. Und diese Ausgleichsaufforstungen sind auf Feldern oder Grünland in Thüringen künftig nicht mehr möglich.
Doch wie eine Sprecherin des Thüringer Landesverwaltungsamtes MDR THÜRINGEN auf Nachfrage sagte, wird gerne etwas übersehen. Demnach bestünde laut Waldgesetz weiterhin die Möglichkeit, dass Projektträger eine Walderhaltungsabgabe entrichten, wenn sie keine geeigneten Flächen zur Wiederaufforstung finden.
Die geplanten Vorranggebiete, wie z.B. bei Georgenthal oder Tambach-Dietharz stehen damit in keinem Widerspruch zum Gesetz, hieß es. Ähnlich sieht es auch die Servicestelle Windenergie bei der Thüringer Energie- und Greentech-Agentur (ThEGA). Einzelne Windenergieprojekte könnten zwar erschwert werden, weil der Aufwand der Prüfungen mit der Gesetzesänderung erhöht wurde. Windräder im Wald würden dadurch voraussichtlich aber nicht verhindert werden.
Widerstand gegen Pläne für Windvorranggebiete
Das stößt rund um Georgenthal auf ordentlich Widerstand bei Waldbesitzern und Anwohnern. Die Interessengemeinschaft Georgenthal hatte bereits Anfang Februar gegen die geplanten Windvorranggebiete eine Online-Petition gestartet. Die Forderungen: Der aktuelle Planungsentwurf soll verändert werden, um Windkraftanlagen in der Nähe von Kur- und Erholungsorten im Thüringer Wald zu verhindern, die Umweltverträglichkeit soll umfassend geprüft und alternative Standorte berücksichtigt werden.
Grundsätzlich für den Bau von Windrädern, aber nicht im Wald ist auch der Vorsitzende der Forstbetriebsgemeinschaft "Totenkopf-Vitzerod", Uwe Szpöt. Die Gemeinschaft, bestehend aus kommunalen und privaten Waldbesitzern, bewirtschaftet insgesamt rund 900 Hektar Wald zwischen Georgenthal und Tambach-Dietharz. Dabei liegen die geplanten über 200 Hektar Windvorranggebiet (W-39) mittendrin.
Für viele Waldbesitzer und Freiwillige ist das ein Schlag ins Gesicht, denn seit über 30 Jahren treiben sie in der Region den Waldumbau voran und kämpfen um jeden Baum. Laut Szpöt würde dazu mit verschiedenen Baumarten und Pflanzmethoden experimentiert und geschaut, welche Bäume sich letztlich durchsetzen.
Das reiche vom Mammutbaum, über die Eibe bis hin zur Weißtanne und zum Bergahorn. Seit der Gründung 1993 wurden so mehr als 100.000 neue Bäume gepflanzt. Dafür gab es im Jahr 2020 den Umweltpreis vom Landkreis Gotha. Auch die insgesamt rund zehn Hektar Kalamitätsflächen - also Flächen, auf denen schon vertrocknete Borkenkäfer-Bäume abgeholzt wurden - seien im betroffenen Vorranggebiet bereits wieder aufgeforstet wurden, so Szpöt.
Angst vorm "Einknicken" von Waldbesitzern
Nun aber herrscht Verunsicherung im Wald. "Wir haben Angst davor, dass sich hier der ein oder andere findet", sagte Szpöt MDR THÜRINGEN. Der Vorsitzende meint damit Waldbesitzer, die nicht abgeneigt sind, ihre Flächen für den Bau von Windrädern zur Verfügung zu stellen.
Szpöt hätte bereits in den letzten Tagen einige Anrufe von aufgeregten Waldbesitzern bekommen, die von entsprechenden Investoren an der Wohnungstür aufgesucht wurden - mit fertigen Verträgen. Knicken Eigentümer ein und kommen Windräder in den Wald, dann würde die Forstbetriebsgemeinschaft dadurch nicht nur wirtschaftlichen Schaden nehmen, sondern auch das Image geschädigt werden, meint der Vorsitzende.
Werden für ein solches Projekt Bäume gefällt, rechnet Szpöt über die nächsten 30 bis 40 Jahre mit rund 30.000 bis 40.000 Euro Verlust pro Hektar. Das Landesverwaltungsamt geht davon aus, dass für den Bau pro Windrad rund ein Hektar Wald benötigt wird. Rund die Hälfte davon könnte wieder aufgeforstet werden. Es bleibt also rund ein halber Hektar versiegelt oder teilversiegelt, hieß es.
Georgenthal fürchtet "Wildwuchs" im Wald
Nicht nur Anwohner und Waldbesitzer zeigten sich verwundert über die Pläne, sondern auch Georgenthals Bürgermeister, Florian Hofmann (CDU): "Die Lage hier im Wald ist schwierig. Wir leben von dem Wald schon seit fast 200 Jahren beispielsweise im Tourismus", sagte er MDR THÜRINGEN. Laut Hofmann sei auch die topografische Lage ungünstig, da das Gebiet sehr hügelig und bergig sei.
Trotzdem sieht der Bürgermeister einen Vorteil im Planungsentwurf der Regionalplanung Mittelthüringen. Derzeit gibt es in der Region keinen geltenden Raumordnungsplan, der die Nutzung von Windenergie steuert. Grund dafür: Der Sachliche Teilplan "Windenergie" aus dem Jahr 2018 wurde Mitte Dezember 2023 vom Bundesverwaltungsgericht für unwirksam erklärt.
Die Lage hier im Wald ist schwierig. Wir leben von dem Wald schon seit fast 200 Jahren beispielsweise im Tourismus.
Laut Landesverwaltungsamt heißt das, dass aktuell überall in Mittelthüringen Windkraftanlagen genehmigt werden müssten, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Egal, ob ein Vorranggebiet dort ausgewiesen ist oder nicht. Betroffene, Behörden und Politik sprechen hier von Wildwuchs. Um also einen ungesteuerten Ausbau von Windrädern zu beenden, wurde der entsprechende Entwurf zum 2. Sachlichen Teilplan aufgestellt.
Wohin mit den Windkraftanlagen?
Die Gemeinde Georgenthal besitzt ein recht großes Gemeindegebiet - ab Sommer diesen Jahres mit zwölf Ortschaften und entsprechender Fläche. Deshalb sieht Hofmann auch die finanziellen Chancen, die ein Ausbau der Windenergie mit sich bringt. "Fakt ist: Wir werden es nicht verhindern können, dass irgendwo Windräder hinkommen. Das gehört nun mal zur Energiewende dazu", sagte er MDR THÜRINGEN.
Die Gemeinde müsse sich also zwangsläufig überlegen, wohin mit den Windkraftanlagen. Allerdings sollten sie laut Hofmann nicht im Wald, sondern an einem Standort gebaut werden, an dem es die Anwohner am wenigsten stört. Dann hätte er auch kein Problem damit, wenn die Gemeinde mit den Flächen Geld verdienen kann. "Ich als Kommune sage immer mehr Geld wäre schön. Aber um welchen Preis dann am Ende", so der Bürgermeister.
Fakt ist: Wir werden es nicht verhindern können, dass irgendwo Windräder hinkommen. Das gehört nun mal zur Energiewende dazu.
Und das Geschäft mit den Windrädern kann für Kommunen durchaus lukrativ sein. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz ist geregelt, dass Gemeinden eine einseitige Zuwendung von 0,2 Cent pro Kilowattstunde vom Betreiber der Windkraftanlagen bekommen können. Dabei wird im Umkreis von zweieinhalb Kilometern um das Windrad das Geld auf alle Gemeinden prozentual aufgeteilt - je nach Flächenanteil. So könnten 30.000 Euro und mehr pro Windrad und Jahr zusammenkommen, sagt die ThEGA.
Stellungnahmen zu Windvorrangflächen bei Georgenthal bis 25. April möglich
Doch wie geht es jetzt weiter in und um Georgenthal? Bis zum 25. April können alle betroffenen Anwohner, Kommunen, Behörden, Unternehmen, Verbände und Vereine beim Thüringer Landesverwaltungsamt Stellung zu den geplanten Windvorrangflächen nehmen - per E-Mail, postalisch oder auch persönlich im Amt. Die Unterlagen dazu gibt es online und in verschiedenen Ämtern.
Ist die Frist abgelaufen, werden die Stellungnahmen geprüft. Dabei könnten jedoch nur fachliche und sachliche Hinweise zu den Vorranggebieten, zur Aufbereitung der Planunterlagen, zu den Zielen des Sachlichen Teilplans sowie zum Umweltbericht berücksichtigt werden, sagte das Landesverwaltungsamt. Anregungen und Äußerungen beispielsweise zur Energiepolitik des Bundes oder des Landes würden dagegen nicht berücksichtigt.
Auch der Vorsitzende der Forstbetriebsgemeinschaft Szpöt will mit anderen Waldbesitzern Stellung nehmen und darin auf die besonderen hydrologischen und geologischen Eigenschaften der Waldflächen sowie auf den gepflegten Waldbestand hinweisen. Die Gemeinde Georgenthal hört sich zunächst alle Seiten an, bevor sie ebenfalls eine Stellungnahme einreichen wird.
MDR (alb/dr)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 28. Februar 2024 | 18:15 Uhr
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