Amtsgericht Suhl Tödlicher Bobunfall in Oberhof: Ehrenamtliche Helferin vor Gericht
Hauptinhalt
23. April 2024, 10:54 Uhr
Am 23. Februar 2023 gegen 18:45 Uhr kommt es auf der neuen Rennschlitten- und Bobbahn von Oberhof zu einem folgenschweren Unfall: Ein Gästebob kollidiert im Zielbereich mit einem Ice-Tube-Schlauchring, in dem sich zwei Menschen befinden. Ein 45 Jahre alter Mann stirbt. Eine 41-jährige Frau wird schwer verletzt. Über ein Jahr nach dem Unfall beginnt das Amtsgericht Suhl nun mit der juristischen Aufarbeitung.
Nach dem tödlichen Unfall auf der Rennschlitten- und Bobbahn in Oberhof muss sich ab Dienstag eine Frau wegen fahrlässiger Tötung vor dem Amtsgericht Suhl verantworten. Die Frau soll am Unfalltag als ehrenamtliche Helferin für einen regionalen Sportverein im Einsatz gewesen sein.
Ende Februar 2023 war ein Gästebob im Zielbereich der Rodelbahn auf einen Doppel-Schlauchring gestoßen. In den mit Luft gefüllten Gummiringen saßen ein 45 Jahre alter Mann und eine 41-jährige Frau. Der Mann starb, die Frau wurde schwer verletzt. Nach dem Unfall gab es Kritik an den Fahrten für Touristen auf der für Spitzensportler gebauten Bahn.
Tragische Szenen für alle Beteiligten
Es war der 23. Februar 2023. Gegen 18:45 Uhr kommt es zu dem Unfall auf der Oberhofer Bobbahn. Feuerwehren, Polizei und die Bergwacht eilen zum Unfallort im Zielbereich der Bahn. Für alle Beteiligten waren es schreckliche Bilder, die sich bis heute ins Gedächtnis eingebrannt haben.
Kurze Zeit später wird klar, der Unfall kostet ein Menschenleben. Noch am Abend stirbt der Familienvater im Krankenhaus. Sofort werden Fragen gestellt. Wie konnte es zu dem folgenschweren Unfall kommen? Hat die Sicherheitstechnik versagt? War es menschliches Versagen?
Die Bahn ist komplett videoüberwacht. Die Aufnahmen werden kurz nach dem Unfall durch die Polizei gesichert. Schwere Unfälle auf der Spitzensportanlage sind selten.
Durch ein Ampelsystem ist klar geregelt, wann Sportler in die Bahn dürfen und wann nicht. Der Eiskanal hat verschiedene Starthöhen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass gleichzeitig verschiedene Starthöhen genutzt werden. Über das Ampelsystem wird die Reihenfolge der Starts geregelt. Außerdem gibt es einen Bahnsprecher, der mit Ansagen auf die Starts hinweist.
Am Unfallabend war das auch so. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln lange. Experten fertigen Gutachten an. Acht Monate nach dem tödlichen Unfall erhebt die Staatsanwaltschaft Meiningen Anklage gegen die mutmaßliche Gästebetreuerin.
Bahneigentümer weist Schuld zurück
Bahneigentümer ist der Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum. Der Verband bekräftigte, dass die Bahn sicherheitstechnisch auf aktuellem Stand sei. Erst für die Rennrodel-Weltmeisterschaften wenige Wochen vor dem Unfall wurde die Bahn umgebaut. Millionen wurden investiert, auch in die Sicherheit. Nach dem Unfall sei die komplette Sicherheitstechnik der Bahn nochmal untersucht worden. Der Unfall sei nicht auf ein Versagen der Sicherheitstechnik zurückzuführen, machte der Bahnbetreiber mehrfach deutlich.
Nach dem Unfall war das Bahngelände gesperrt. Auch Trainingsfahrten für den Spitzensport waren nicht möglich. Auch aus Rücksicht auf die Geschädigten habe man lange gewartet, bis die Bahn wieder für die Gästefahrten freigegeben wurde, hieß es vom Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum.
Kritik an Werbung für "Spaßfahrten"
Anfang dieses Jahres, gut zehn Monate nach dem tödlichen Unfall, wurde die Rennrodelbahn wieder für die sogenannten Touristenfahrten geöffnet. Beim Ice-Rafting können dort auch Gäste statt nur Profis in einer Art Schlauchboot durch den Eiskanal fahren, wie die Tourismus GmbH Oberhof auf ihrer Website informiert. An der Werbung für das Angebot gab es Kritik. Bei Facebook und Instagram etwa wurden die Ice-Rafting-Fahrten mit dem Titel "Adrenalin" beworben.
Die Familie des 45 Jahre alten Mannes, der bei dem Unfall ums Leben kam, hatte die Werbung als "geschmacklos" und "unüberlegt" bezeichnet. Der etwa 1.500 Meter lange Eiskanal wird vor allem für den Profisport benutzt.
Jedes Jahr finden dort Weltcups im Rennrodeln statt. Bis zum Unfall war es auch möglich, dass Gäste etwa in einem von einem Profi gesteuerten Bob mitfahren oder mit Schlauchringen die Eisrinne hinunterfahren. Nach dem Unfall wurde dies zunächst unterbrochen. Anbieter der Fahrten ist die Oberhofer Tourismus GmbH.
Spitzensport vs. Tourismus
Nach der Doppel-Weltmeisterschaft im Biathlon und Rennrodeln gab es immer wieder Kritik, dass die mit Millionenaufwand sanierten Sportanlagen nur den Profi-Sportlern vorbehalten sind. Unter anderem Oberhofs Bürgermeister Thomas Schulz (Freie Wähler) hatte darauf hingewiesen, dass Spitzensport und Tourismus nicht überall vereinbar seien. Viele Interessen würden hier eine Rolle spielen.
Der Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum hatte auch auf öffentlichen Druck hin versucht, das Angebot für eine touristische Nutzung der Sportanlagen auszubauen. Die Fahrten für Laien auf der Rennschlittenbahn gibt es allerdings schon seit vielen Jahren.
Wer übernimmt Verantwortung?
Vor Gericht steht nun eine ehrenamtliche Helferin, die am Unfallabend für einen regionalen Sportverein im Einsatz gewesen sein soll. Während der Ermittlungen wurden auch Vorwürfe laut, ob die Helfer ausreichend geschult und eingewiesen waren. Wie sich das Geschehen am Unfalltag genau zugetragen hat und ob es menschliches Versagen war, das soll nun der Prozess klären.
MDR (ask)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 23. April 2024 | 19:00 Uhr