Der Redakteur | 17.11.2023 Wie sind Ehrenamtliche rechtlich abgesichert?
Hauptinhalt
17. November 2023, 17:27 Uhr
Nach dem tödlichen Bob-Unfall auf der Rennrodelbahn Oberhof hat die Staatsanwaltschaft Meiningen Anklage gegen eine ehrenamtliche Helferin erhoben. Mögliche Schadenersatzforderungen sind da noch gar nicht Thema. Das sollte für Vereine und Ehrenamtliche Anlass sein, die eigene Rechtssituation zu überprüfen.
Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht
Wir müssen zunächst trennen zwischen der strafrechtlichen und der zivilrechtlichen Komponente. Wenn Menschen zu Tode kommen oder über das in einer Sportart "übliche" hinaus verletzt werden, prüft die Staatsanwaltschaft die strafrechtliche Verantwortung. Damit gilt das Strafgesetzbuch. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) hingegen sind die zivilrechtlichen Aspekte geregelt, also der Schadenersatz und zwar im Paragrafen 823 zur Schadensersatzpflicht.
Dort heißt es: "Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet."
Der wichtigste Unterschied zwischen Strafrecht mit der Strafe durch den Staat und dem Zivilrecht mit den Ansprüchen von Geschädigten: Gegen die zivilrechtlichen Forderungen kann man sich als Verein oder Ehrenamtlicher versichern. Mitunter passiert das quasi automatisch, aber nicht immer. Und die Angelegenheit ist komplex, individuell und hat ruinöse Komponenten. Vieles ist lösbar, aber man muss es eben auch tun.
Wie ist die Absicherung in Sportvereinen?
Sportvereine sind als Mitglied im Landessportbund Thüringen über einen Sportversicherungsvertrag abgesichert. Das betrifft alle sportbezogenen, satzungsgemäßen Veranstaltungen. Das heißt: Training, Wettkampf, Jugendarbeit, Vorstandssitzungen, Mitgliederversammlungen, Schulungen oder Vereinsfestlichkeiten sind dabei. Aber gemeint sind eben Festlichkeiten des Vereins für seine Mitglieder, die Weihnachtsfeier also zum Beispiel.
Bei nichtsatzungsgemäßen Veranstaltungen gibt es hingegen über die Landessportbundversicherungen keinen Versicherungsschutz. Also die Dorfkirmes ist da raus, gewerbliche Veranstaltungen, Straßen- oder Gemeindefeste sind es ebenso. So steht es in der Kurzfassung zum Sportversicherungsvertrag: "Die Vereinbarung von entsprechenden Zusatzversicherungen wird empfohlen!"
Hier wird ein Verein schnell zum Reiseveranstalter, eine entsprechende Zusatzversicherung ist ratsam, weil das die normale Sportversicherung nicht mehr abdeckt.
Das bedeutet: Ohne eine Zusatzversicherung kann es passieren, dass der Sportverein als Kirmesveranstalter bei einem Hüpfburg-Unfall haftet oder wenn beim Auf- oder Abbau parkende Autos oder der Zaun des Nachbarn beschädigt werden. Das kann auch durchaus finanziell ruinös enden, auch für den Vereinsvorstand. Dieser haftet nämlich unter Umständen auch bei Schäden, die durch Unterlassen entstehen. Die fehlende Versicherung könnte darunter fallen. Vorsicht geboten ist auch bei Ferien- und Vergnügungsfahrten ohne direkten Sportbezug, also: Die Saison-Abschlussfahrt in den Freizeitpark ist in der Regel nicht versichert, darauf weist auch der LSB hin und spricht konkret von "Ferien- und Vergnügungsfahrten". "Hier wird ein Verein schnell zum Reiseveranstalter, eine entsprechende Zusatzversicherung ist ratsam, weil das die normale Sportversicherung nicht mehr abdeckt", erklärt Dr. Anne Jakob, Rechtsanwältin und Professorin für Sportrecht.
Und was ist mit anderen Vereinen?
Feuerwehrvereine sind im Gegensatz zu Sportvereinen nicht über eine Versicherung ihres Verbandes geschützt, so die Auskunft des Thüringer Feuerwehrverbandes. Dorfvereine sind es mangels Verbandes sowieso nicht. Diese Vereine und alle anderen müssen sich selbst kümmern und dafür sorgen, dass auch wirklich das, was man so veranstaltet übers Jahr, versicherungsrechtlich eingeschlossen ist.
Wie sind Ehrenamtliche haftpflichtversichert?
Nehmen wir einmal an ein Vereinsmitglied richtet im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit einen Schaden an. Zum Beispiel schrottet er den teuren Vereinsrasenmäher an einer Betonkante oder bei einem Spiel geht die Fensterscheibe des Nachbarhauses zu Bruch. In beiden Fällen erleidet der Verein letztlich einen Schaden, beim Rasenmäher direkt, bei der Fensterscheibe könnte der Nachbar Schadenersatz einfordern.
Das Haftungsprivileg schützt Mitglieder des Vereins vor Zugriffen des Vereins, wenn das Vereinsvermögen geschädigt wurde.
Bestenfalls springt die Versicherung des Vereins ein. Doch theoretisch könnte der Verein auch einen Anspruch gegen den eigentlichen Verursacher haben. Hat er praktisch aber nicht, denn hier greift eine Besonderheit des BGB, das sogenannte "Haftungsprivileg" für Vereinsmitglieder. Ohne dieses ginge nach jedem Spiel das Theater los, wer das neue Tornetz wirklich zerschossen hat. "Das Haftungsprivileg schützt Mitglieder des Vereins vor Zugriffen des Vereins, wenn das Vereinsvermögen geschädigt wurde", so Anne Jakob.
Nach dem Unfall in Oberhof hat die Staatsanwaltschaft zwar wegen der strafrechtlichen Verantwortung Anklage erhoben, zivilrechtliche Ansprüche müssten hingegen beim Verein geltend gemacht werden. Und der hat bestenfalls eine Versicherung.
Was heißt das für den Bobunfall in Oberhof?
Bei der ehrenamtlichen Betreuerin in Oberhof dürften sich Verein oder Geschädigte eher kein Geld holen können, sie profitiert wahrscheinlich vom Haftungsprivileg. Sie betreute nach Angaben des Amtsgerichts nämlich als Vereinsmitglied Gästefahrten auf der Rennschlittenbahn und sei in dieser Funktion auch am Unglücksabend im Einsatz gewesen.
Wie sieht es bei Ehrenamtlichen ohne Vereinsmitgliedschaft aus?
Anders sähe ein Fall aus, bei dem es sich nicht um ein Vereinsmitglied handelt, sondern zum Beispiel um einen Trainer, der ohne Mitgliedschaft ehrenamtlich eine Mannschaft betreut. Das kommt gar nicht so selten vor in den Sportvereinen, dass plötzlich Eltern zum Trainer mutieren. Hier greift das Haftungsprivileg nicht, der Verein könnte also sagen: Du hast einen Schaden angerichtet, also zahle in bitte auch. Schlimmer wird es, wenn der Trainer gar zum "Kindertaxi" wird. "Ich würde einem solchen Trainer eine private Haftpflichtversicherung empfehlen, die die Vereinstätigkeit ausdrücklich mit abdeckt", empfiehlt Anne Jakob.
Vielleicht ist auch die Vereinsmitgliedschaft günstiger. Denn man muss man wissen, dass ehrenamtliche Tätigkeit bei der privaten Haftpflichtversicherung oft nicht abgedeckt ist, erklärt Anne Jakob. Das lässt sich zwar einschließen, ein Automatismus ist es aber nicht. Also auch hier gilt: Police genau anschauen und gegebenenfalls nachbessern.
Wie gefährden Vereinsvorstände ihr Privatvermögen?
Damit sind wir am oberen Ende der Haftungsfrage angelangt, beim Vorstand. Das Besetzen der Posten ist oft nicht einfach, gerade auf dem Land. Sei es für den Dorf,- Sport- oder Feuerwehrverein. Mitunter werden - salopp formuliert - auch schnell mal Leute "vom Feld geholt", die dann als "Stimmvieh" an Sitzungen teilnehmen (oder auch nicht). Am Ende setzen sie ihre Unterschrift unter die Steuererklärung.
So lange das Finanzamt einverstanden ist mit den Zahlen, kräht kein Hahn danach. Wenn nicht, wird es eng. Denn Vorstände haften mit ihrem Privatvermögen, wenn sie Fehler machen. Zum Beispiel wenn sie falsche Spendenquittungen ausstellen oder schwarze Kassen führen. Hier hilft bestenfalls die sogenannte D&O-Versicherung, die aus den USA zu uns gekommen ist, sagt Anne Jakob. Das steht für "Directors-and-Officers-Versicherung", auch Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung genannt und ist eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Auch für die Vereinsvorstände gilt: Eine Versicherung haben und reinschauen!
"Hier ist zum Beispiel zu prüfen, ob strafrechtliches Verhalten abgedeckt ist. Falsche Spendenquittungen sind schnell mal Steuerhinterziehung. Dann sind die Privathäuschen in Gefahr, Ehrenamt ist kein Spaß!", betont Anne Jakob.
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Nachmittag | 17. November 2023 | 15:20 Uhr