Zwei Männer sitzen neben ihren Anwälten in einem Gerichtssaal, hinter ihnen stehen Justizbeamte
Die beiden Angeklagten Ibrahim G. und Ramin N. sind 30 und 24 Jahre alt. Bildrechte: MDR/Olaf Nenninger

Justiz Anschlagsplan in Stockholm: Jahrelange Haft für afghanische Islamisten aus Gera

27. Februar 2025, 15:06 Uhr

Für den Islamischen Staat (IS) sollten sie Rache üben nach den Koran-Verbrennungen in Schweden. Zwei in Gera lebende Afghanen planten deshalb einen Anschlag auf das Parlament in Stockholm, so der Vorwurf der Bundesanwaltschaft. Seit November wurde in Jena verhandelt. Am Donnerstag fielen die Urteile gegen die Männer.

Ungerührt nahmen Ibrahim G. und Ramin N. ihre Urteile entgegen. Der 30-jährige G. muss für fünf Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Den 24 Jahre alten Mittäter N. erwarten vier Jahre und zwei Monate Haft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sich die beiden Afghanen zu einem Verbrechen verabredet hatten. Ihr Ziel war es, Menschen zu ermorden.

Was die Nähe zum Islamischen Staat (IS) angeht, kam der Strafsenat zu unterschiedlichen Bewertungen. Der ältere G. hatte über einen Messenger-Dienst engen Kontakt zu einem höherrangigen IS-Funktionär, schwor sogar einen Treueeid auf die Terrormiliz. Daher wurde G. auch als Mitglied einer terroristischen Vereinigung im Ausland verurteilt. So nahe kam der jüngere N. dem Islamischen Staat jedoch nicht. Er gilt dem Gericht nur als Unterstützer des IS.

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Schusswaffen vom tschechischen Schwarzmarkt

Anfang September 2023 versuchten Ibrahim G. und Ramin N., im Auftrag eines IS-Ablegers auf einem Schwarzmarkt in Tschechien Schusswaffen zu besorgen, um damit Menschen im Stockholmer Parlament zu töten - als Reaktion auf Verbrennungen des Korans in Schweden.

Zu dieser Zeit wurden sie bereits vom Verfassungsschutz observiert. Im Vorfeld baldowerten beide über das Internet die Umgebung des Gebäudes aus.

Doch die Waffen bekamen sie in Tschechien nicht. Unverrichteter Dinge fuhren sie nach Deutschland zurück und gerieten zufällig in eine Polizeikontrolle. Weil die Beamten auch einen Schlagring im Fahrzeug fanden, konfiszierten sie nicht nur den, sondern auch die Handys der Verdächtigen.

Zur Operation des Verfassungsschutzes kam eine polizeiliche Ermittlung hinzu. Denn beim Auslesen der Telefone fanden die Beamten die Kommunikation mit dem IS nebst Anschlagsplänen. Im März vergangenen Jahres klickten dann die Handschellen.

Verteidiger: Anschlagsplan in Stockholm "war Quatsch"

Die Anwälte der Beschuldigten wollten in ihren Plädoyers glaubhaft machen, dass der Plan der beiden, Menschen in Stockholm zu erschießen, gar keiner war. "Der Plan war Quatsch ... weil wichtige Zwischenschritte fehlten", so der Anwalt von G. Und auch der Verteidiger des jüngeren Beschuldigten machte klar: Beide hätten auch andere Wege wählen können, um Menschen zu töten, wenn es ihnen wirklich wichtig gewesen wäre.

Das Justizzentrum Jena mit dem Thüringer Oberlandesgericht
Das Oberlandesgericht in Jena sah es als erwiesen an, dass sich beide Angeklagten an einer terroristischen Vereinigung aktiv beteiligt haben. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Doch dieser Argumentation wollte das Gericht nicht folgen. Der potenzielle Tatort, das Stockholmer Parlament, habe festgestanden. Die Tatzeit war demnach grob umrissen. Und wenn sie Schusswaffen besessen hätten, dann wären womöglich Menschen gestorben. Wenn es nicht schwedische Abgeordnete gewesen wären, dann hätte es jeden anderen treffen können, der zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen wäre.

Die Verabredung zu einem Verbrechen war der Hauptanklagepunkt. Weitaus geringeres Gewicht hatte die Unterstützung des IS bei der Strafbemessung. Die Angeklagten hatten 200 Euro gesammelt, um damit nach eigenen Angaben hilfsbedürftige Kinder und Frauen von IS-Kämpfern in einem Flüchtlingslager zu unterstützen. Das schlug strafrechtlich mit ein paar Monaten Haft für jeden zu Buche - wirkte sich aber aufgrund der humanitären Absicht am Ende sogar ein wenig strafmindernd aus. 

Beiden Angeklagten droht Abschiebung nach Afghanistan

Geholfen hat den Angeklagten auch, dass nach Ansicht des Senats keine unmittelbare konkrete Gefahr von den beiden Afghanen ausging. Schließlich wurden sie vom Verfassungsschutz observiert. G. war geständig, beide bis 2023 unauffällig und gut integriert.

Beide hatten sogar Arbeit in Gera. Nach Verbüßung der Haft drohen ihnen ausländerrechtliche Konsequenzen. Dass sie abgeschoben werden, ist wahrscheinlich.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Anwalt von Ramin N. kündigte bereits an, dass er in Revision gehen werde. Im Fall von Ibrahim G. ist das noch nicht klar. Über eine Revision hätte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.

Ein Mann hält den Koran in der Hand.
Der Anschlag in Stockholm sollte eine Reaktion auf in Schweden und anderen skandinavischen Ländern stattfindenden Koranverbrennungen sein. Bildrechte: IMAGO / TT

MDR (one/nir/jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 27. Februar 2025 | 19:00 Uhr

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