Autos stehen vor einem Wohnhaus in Gera.
In der Greizer Straße in Gera neben dem Museum für Angewandte Kunst hat es am Dienstag einen Einsatz des Bundeskriminalamts gegen mutmaßliche IS-Terroristen gegeben. Bildrechte: MDR/Kathleen Bernhardt

Anti-Terror-Einsatz Nach Festnahme in Gera: Mutmaßliche IS-Mitglieder in Untersuchungshaft

20. März 2024, 12:34 Uhr

Die Bundesanwaltschaft hat am Dienstag in Gera zwei mutmaßliche Islamisten festnehmen lassen. Sie sollen dem IS-Ableger "Islamischer Staat Provinz Khorosan" angehören und einen Anschlag auf das schwedische Parlament geplant haben. Beide sitzen nun in Untersuchungshaft.

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Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft teilte am Tag nach der Festnahme mit, der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof habe den Haftbefehl gegen einen 23-jährigen Afghanen in Vollzug gesetzt. Der Haftbefehl gegen einen 30 Jahre alten Landsmann war bereits am Dienstag bestäigt worden.

Die Ermittlungen von Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft sollen bereits im vergangenen Jahr angelaufen sein. Zunächst wurde den beiden ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz vorgeworfen. So sollen sie in Deutschland Spenden für die Terrorgruppe "Islamischer Staat Provinz Khorosan" (ISPK) gesammelt und diese nach Nordsyrien in Terrorcamps transferiert haben. Dabei habe es sich um eine Spendensumme von 2.000 Euro gehandelt, teilte die Bundesanwaltschaft auf MDR-Anfrage mit.

Anweisung zu Anschlag in Europa

Im Zuge der Ermittlungen stießen die Terrorfahnder des BKA offenbar auf weitere Pläne der beiden. Laut Bundesanwaltschaft war einer von ihnen, Ibrahim M.G., im August vergangen Jahres Mitglied des ISPK geworden. Im Zuge seiner Aufnahme als Mitglied soll er die Anweisung auf einen Anschlag in Europa erhalten haben. Hintergrund dafür waren laut Bundesanwaltschaft Schändungen des Korans in Schweden und Finnland im vergangenen Jahr.

Wer ist der ISPK?

Der "Islamischer Staat Provinz Khorosan" gilt als besonders gefährlicher IS-Ableger Der ISPK sei eine besonders gefährliche Teilgruppe des IS, sagte Thüringens oberster Verfassungsschützer Kramer. "Er ist weltweit mit entsprechenden Strukturen aufgestellt, um solche Anschläge in den Westen hineinzutragen." Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hatte bereits 2023 betont, unter den verschiedenen Ablegern des IS steche der ISPK besonders hervor. 

Der ISPK trägt in Afghanistan schon seit einigen Jahren einen bewaffneten Konflikt mit den militant-islamistischen Taliban aus. In den vergangenen Monaten hatte es in Deutschland immer wieder Festnahmen im Zusammenhang mit dem ISPK gegeben. Unter anderem wurde die Gruppierung mit möglichen Anschlagsplänen auf den Kölner Dom rund um den Jahreswechsel in Verbindung gebracht. 

Ein Mann hält den Koran in der Hand.
Bei den Schändungen wurde unter anderem Koran verbrannt, die heilige Schrift des Islam. Bildrechte: IMAGO / TT

Attentat mit Schusswaffen geplant

Offenbar aus diesem Grund soll der 30-jährige Ibrahim M.G. mit seinem 23-jährigen Komplizen Ramin N. einen Terroranschlag in Schweden geplant haben. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft wollten sich die beiden Schusswaffen besorgen, um im Umfeld des schwedischen Parlaments Polizisten und andere Personen zu töten. Dazu sind bei den Ermittlungen Hinweise gefunden worden.

Zudem sollen die beiden Tatverdächtigen über das Internet die Örtlichkeiten rund um das Parlament in Stockholm ausgekundschaftet haben. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft wird den beiden deshalb die Verabredung zu einem Verbrechen vorgeworfen. Wie die Ermittler auf die beiden gestoßen sind, dazu wollte sich die Bundesanwaltschaft nicht äußern. Sie sollen in Kürze dem Haftrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden.  

Ein Wohnahus in Gera.
Den in Gera festgenommenen Verdächtigen wird vorgeworfen, Anschläge geplant zu haben. Bildrechte: MDR/Kathleen Bernhardt

Thüringer Verfassungsschutz ist involviert

Nach Informationen von MDR-Investigativ soll das Thüringer Amt für Verfassungsschutz in den Fall seit Monaten involviert sein. Präsident Stephan Kramer wollte sich auf Nachfrage nicht zu Einzelheiten äußern. "Die Behörden sind weiterhin wachsam gegenüber jeder Form von Bedrohung", so Kramer. Der Fall zeige, dass der Islamismus weiterhin eine anhaltende große Gefahr darstelle, auch in Thüringen. Er danke den Bundesbehörden für die vertrauensvolle Zusammenarbeit.  

ISPK-Mitglieder sollen nach Europa gereist sein

Die Gruppe ISPK soll seit mehreren Jahren als Ableger des Islamischen Staates in Afghanistan existieren. Terrorermittler warnten bereits seit 2023, dass Mitglieder inzwischen unerkannt nach Europa eingereist sein sollen und hier Anschläge vorbereiteten. Kurz vor Weihnachten gab es Hinweise auf einen Anschlag auf den Kölner Dom. Rund um den Jahreswechsel wurden in Deutschland und Österreich mehrere Terror-Verdächtige festgenommen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie zum ISPK gehören könnten oder zumindest Verbindungen zu der Gruppe haben.

Immer wieder Hinweise auf IS-Unterstützer

In Thüringen hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Hinweise auf mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer des IS gegeben. 2018 hatte der MDR ein umfangreiches Verfahren im Bereich islamistischer Terror öffentlich gemacht. Kurz vor Heiligabend 2017 hatten Spezialeinheiten des LKA in Waltershausen (Landkreis Gotha) einen mutmaßlichen Terrorunterstützer in Gewahrsam genommen. Bei ihm bestand der Verdacht, Mitglied einer Terrorzelle in Deutschland zu sein und die Anschläge logistisch zu unterstützen.

Moschee-Vereine werden beobachtet

Der mutmaßliche Terrorunterstützer wurde später aus dem Gewahrsam entlassen. Nach MDR THÜRINGEN-Informationen lebt er nicht mehr in Thüringen. Der Fall wurde an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe abgegeben. Zudem waren Moschee-Vereine in Erfurt und Nordhausen Treffpunkte für die deutsche Salafisten-Szene. Nach MDR-Informationen stehen diese Vereine weiter unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.

Thüringer CDU wertet Anti-Terror-Einsatz als Erfolg

Der innenpolitische Sprecher der Linken, Sascha Bilay, will das Thema im Innenausschuss des Landtages behandeln. Das Parlament müsse einen aktuellen Überblick über die Gefährdungseinschätzungen der Behörden zur islamistischen Radikalisierung erhalten sowie über die Anlässe der aktuellen Ermittlungen. Thüringen dürfe kein Rückzugsraum für Attentäter sein, so Bilay. Die Geraer SPD-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Kaiser sprach auf der Kurznachrichtenplattform X, früher Twitter, von "schockierenden" Anschlagsplänen. Sie sieht islamistischem Terror wie auch Rechtsterrorismus als eine der größten Bedrohungen für die Demokratie.

Der innenpolitische Sprechers der Thüringer CDU-Landtagsfraktion Raymond Walk wertete den Einsatz als Erfolg. Er zeige einen handlungsfähigen Rechtsstaat. Laut Walk deuten die Ermittlungen auf das Ausmaß der Bedrohung hin, das vom Thüringer Boden ausgehe. Er schlägt vor, das Thema bei der nächsten Sitzung der parlamentarischen Kontrollkommission zu behandeln. Die laut Verfassungsschutzbericht 178 in Thüringen lebenden Islamisten - insbesondere die sogenannten "Gefährder" - bedürften einer besonders intensiven und aufwendigen Beobachtung, so Walk.

Der Geraer AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner drängt auf eine schnelle Aufklärung. Vor allem müsse geklärt werden, was die Festgenommenen gerade im ländlichen Thüringen zu tun gehabt hätten.

MDR (seg)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 19. März 2024 | 19:00 Uhr

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