Schulausbau Viel Platz zum Lernen und Leben in der Förderschule Weida
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05. März 2024, 05:00 Uhr
Die "Schule an der Weida" im Landkreis Greiz ist eine Förderschule für Kinder
mit teils schweren Einschränkungen bei Motorik oder im kognitiven Bereich. Hier geht es weniger um den Satz des Pythagoras. Vielmehr sollen die aktuell 91 Kinder lernen, nach der Schulzeit im Alltag zurechtzukommen. Dafür wurde die Schule für knapp 700.000 Euro umfassend ausgebaut.
"Jaaaa, gut gemacht, Eric, du stehst." Physiotherapeutin Andrea Auge bejubelt enthusiastisch Erics kleinen Erfolg. Der Junge sitzt im Rollstuhl und soll lernen, seine Füße mit dem Körpergewicht zu belasten - und letztlich auch zu stehen. "Das wäre eine große Erleichterung für alle, seine Eltern, Pfleger, den Fahrdienst, wenn er sich selbst halten kann. Und auch für Eric selbst: Es macht frei, die Welt von oben anzuschauen und nicht immer von unten nach oben gucken zu müssen."
Gemeinsam mit Erics Schulbegleiterin stützt Andrea Auge den Teenager, klemmt ihr Knie zwischen dessen Beine und fährt langsam die Liege nach oben, bis Eric sein Gewicht spüren kann. Der Junge stöhnt - und strahlt.
Schule ist "ein Paradies"
Für Therapeutin Auge ist die Arbeit an der "Schule an der Weida" (Landkreis Greiz) ein Hauptgewinn. Insbesondere, seit in den vergangenen Monaten die oberste Etage des Gebäudes komplett nutzbar gemacht wurde und sie noch mehr Platz hat. "Das ist Luxus, das ist ein Paradies. Ich bin ja schon etwas älter und habe in vielen Einrichtungen gearbeitet, aber sowas gibt's nicht noch einmal", erzählt Auge mit strahlenden Augen, während sie Eric in Bauchlage bugsiert.
Die Therapeutin lobt, dass sie sich außerhalb der Unterrichtsräume mit einzelnen Schützlingen zurückziehen könne. "Aber es ist auch so viel Platz, dass mehrere Kinder gleichzeitig im Therapieraum sein können und sich eine Gruppendynamik entwickeln kann. So können sich die Kinder entfalten." Eric schafft es in dieser Stunde sogar, mit Auges Hilfe den Kopf leicht nach links zu drehen - normalerweise knickt er diesen immer nach rechts unten ab.
Zu DDR-Zeiten beherbergte die Schule zu Füßen der Osterburg die Betriebsschule "Makarenko" der VEB Lederwerke Weida. Später zog eine Grundschule in das Gebäude mit großzügiger Freifläche direkt am Flüsschen Weida, bevor 1999 die Förderschule für geistig und/oder körperlich beeinträchtige Kinder dazukam und sich beide Schulen das Gelände teilten.
2022 wanderte die Grundschule auf den neuen Campus Weida. Und das war die Möglichkeit für den Schulträger Lebenshilfe Greiz/Zeulenroda GmbH, den frei gewordenen Platz zu nutzen. Fast 700.000 Euro wurden den Angaben nach investiert, darunter gut 560.000 Euro Landesmittel. Weitere 28.000 Euro flossen noch in die Ausstattung.
Monatelanger Umbau im baufälligen Obergeschoss
Schulleiter Andre Franke ist sichtlich stolz, wenn er durchs Schulhaus führt. Dabei war der Umbau langwierig. "Neue Durchbrüche wurden geschaffen, die Türen rollstuhlgerecht auf einen Meter verbreitert, Garderoben und Klassenräume gebaut. Wir brauchten auch überall neue Wasseranschlüsse für Toiletten und Klassenräume, nirgends war warmes Wasser. Hier war wegen des geplanten Auszugs der Grundschule jahrelang nichts gemacht worden", erzählt Franke.
Neben dem Therapieraum von Andrea Auge gibt es an der Schule nun einen Aktivraum mit vier speziellen Betten, wo Rollstuhl-Kinder wie Eric zwischendurch entspannen und das neu Gelernte verarbeiten können. "Da können die Kinder in Bauchlage mit dem Kopf nach vorn hängen, die Schulbegleiter können mit ihnen so besser arbeiten. Das Nervensystem wird dabei ganz anderes aktiviert als im Sitzen oder in Rückenlage", erklärt der Schulleiter.
Das sei besser, als wenn die teils schwer beeinträchtigten Kinder im Klassenzimmer sitzen, während ihre Schulkameraden Rechnen, Schreiben und Lesen lernen. "Die schaffen das reine Lernen nicht - werden aber bei gemeinsamen Aktivitäten wie dem Essen mit in die Gruppe integriert." Bis vor kurzem gab es einen solchen Therapieraum mit Wasserbett und verschiedensten Keilkissen nicht, die Kinder mussten im Klassenzimmer bleiben.
Neue Rückzugsmöglichkeiten zum Krafttanken
Neu ist auch der Ruheraum mit aktuell drei Therapiebetten für geistig und körperlich schwerstbeeinträchtigte Kinder, die liebevoll von ihren Schulbegleitern Ellen Gumprecht und Ralf Hoffmann umsorgt werden. Hoffmann massiert Sophies Hände, Gumprecht spielt ein bisschen mit Finn, der nicht schlafen möchte - ganz anders als Ida, die im hintersten Bett nach einem Anfall selig seufzend zusammengerollt daliegt.
Die Schulbegleiter sind glücklich, dass an der Schule an der Weida Ruheraum, Wickelmöglichkeiten und Klassenzimmer so eng beieinanderliegen. "Wir helfen uns gegenseitig, das ist schön", sagen beide. Und die Rückzugsmöglichkeit sei für die Kinder gut, um wieder Kräfte zu tanken.
Auch Schulleiter Franke ist glücklich über den neuen Ruheraum - wenn auch innerlich hin- und hergerissen, weil die Kinder zeitweise aus der Klasse herausgenommen werden. Doch Sophie, Ida und Finn könnten nur kurzzeitig sitzen und für die Therapiebetten sei kein Platz im Klassenraum. "Die Drei brauchen aber dringend ihre Pausen und ihnen wird es hier richtig huschelig gemacht.
Im Klassenraum werden sie von den anderen Kindern abgelenkt und lenken andererseits auch selbst ihre Klassenkameraden ab. Denn klar kommt hier immer mal ein Quietscher oder ein Stöhnen und das bringt Unruhe. Und unsere Schüler sind durchaus offen fürs Ablenken", ergänzt Franke mit einem Schmunzeln.
Praktisches Lernen in der neuen Küche
Zum Mittagessen werden Finn, Ida und Sophie wieder bei ihren Klassen sein. Anastasia, Lucas und Eric bereiten in der schicken neuen Lernküche das Mittagessen für ihre Lerngruppe zu. Mit dem Induktionskochfeld und den Fronten in Holzoptik ist die Küche optisch weit entfernt von dem lilafarbenen 90er-Jahre-Charme der beiden älteren Küchen im Erdgeschoss. "Es gibt Bratnudeln mit Schinken und Käse und zum Nachtisch Grießpudding mit Erdbeeren", erzählt Lucas, während hinter ihm Eric beim Zwiebeln schneiden mit den Tränen kämpft.
Lucas ist schon so fit, dass er keine Hilfe mehr braucht von Heilerziehungspfleger Patrick Schmidt, der die Jugendlichen betreut: von der Auswahl des Rezepts übers Einkaufen inklusive Angebote studieren bis hin zum Kochen und Küche aufräumen.
Unsere Kinder lernen hier das praktische Leben, Förderschwerpunkt ist die geistige Entwicklung.
"Mädels und Jungs sind abwechselnd für den Hauptgang und für den Nachtisch zuständig. Die großen Jungs helfen dann auch mal beim Lesen von Rezepten, die Mädchen sind dafür meist fitter im Haushalt", erzählt Schmidt und Schulleiter Franke ergänzt: "Unsere Kinder lernen hier das praktische Leben, Förderschwerpunkt ist die geistige Entwicklung."
Ziel sei, dass die Kinder nach der Schule in der Lage seien, einzukaufen, zu waschen oder zu kochen und Ordnung zu halten. "Damit es nicht aussieht wie bei einem Messie, wenn sie vielleicht in einer WG oder im Betreuten Wohnen ein einzelnes Zimmer bewohnen."
Endlich ausreichend Klassenräume
Doch auch das kleine Schul-Einmaleins soll an der Förderschule zur individuellen Lebensbewältigung nicht zu kurz kommen. Natürlich stehen neben Hauswirtschaft und Werken auch Lesen, Schreiben und Rechnen sowie Musik und Sport auf dem Lehrplan. Und da wurde es mit 91 Kindern in elf Klassen zuletzt ganz schön eng, denn es gab nur zehn Klassenräume.
Nun ist ausreichend Platz, es wurden fünf digitale Tafeln sowie zwei mobile digitale Tafeln angeschafft. Alle Klassenräume haben eine Küchenzeile und Platz für einen Computerarbeitsplatz. "Perspektivisch brauchen wir eh zwölf Räume, denn wir bieten zwölf Schulbesuchsjahre an", erklärt Franke. Die hat er nun zur Verfügung. Seit dem umfangreichen Umbau ist sogar noch ein Zimmer übrig, das als Freizeitraum für Tischtennisplatten oder weitere Therapieangebote genutzt wird.
Wickelraum samt Badewanne eingerichtet
Und neben den normalen Toiletten gibt es einen Wickelraum samt Badewanne, für die es vor dem Umbau ebenfalls keinen Platz gab. "Manche Kinder können aus körperlichen Gründen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen, denen ermöglichen wir hier das Baden. Nehmen wir beispielsweise Janine - sie lässt sich nicht anfassen, aber in der Wanne kann sie glücklich planschen", sagt Franke.
Und auch Eric profitiert nach der anstrengenden Therapiestunde mit Physiotherapeutin Andrea Auge von den neuen Möglichkeiten der Schule: Er braucht dringend eine Runde Schlaf. Physio Auge ist glücklich über die vielen neuen Räume: "Für das Kind kommt erst die Arbeit, dann die achsengerechte Lagerung, wo es verarbeiten kann, was es gelernt hat. Das ist erst seit dem Umbau möglich", freut sich die Therapeutin. Und wie haben Sie das früher, vor dem Umbau, gemacht? Andrea Auge lacht: "Keine Ahnung."
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 02. März 2024 | 18:45 Uhr
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