Die Silhouette eines Jugendlichen.
Seit der Kündigung seines Wohnheimplatzes suchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamts nach einem neuen Betreuungsplatz für einen 16-jährigen Jugendlichen mit geistiger Behinderung (Symbolbild). Bildrechte: picture alliance / Caro | Sorge

Ausnahmesituation Von Eltern zurückgelassen: Saale-Orla-Kreis sucht Betreuungsplatz für 16-Jährigen

21. Februar 2025, 13:17 Uhr

Das Landratsamt im Saale-Orla-Kreis sucht händeringend nach einem neuen Betreuungsplatz für einen 16 Jahre alten Jugendlichen mit geistiger Behinderung. Seine Eltern sind ausgewandert und haben ihn zurückgelassen.

Ein Hilferuf aus dem Saale-Orla-Kreis ließ vor Kurzem aufhorchen. Landratsamt und Behindertenverband suchten nach Unterstützung bei der ambulanten Betreuung eines 16-jährigen Jugendlichen. Laut Jugendhilfe war er bisher in einer heilpädagogischen Wohnstätte untergebracht. Nach der Kündigung des Platzes durch den Betreiber ist immer noch offen, wie es weitergeht.

Eltern lassen Jungen zurück

Das Schicksal des Jungen berührt. Nach Angaben des Landratsamts wurde er als Kind eines Auswanderer-Paares in Südamerika geboren. Er ist geistig und seelisch behindert und wurde von seinen Eltern zur Behandlung nach Deutschland gebracht. Nach zwei Jahren, so die Jugendhilfe, wanderten die Eltern erneut nach Südamerika aus und ließen den Jungen hier zurück. Damals sei er neun Jahre alt gewesen, sagt Corina Schönbach, Fachdienstleiterin im Landratsamt. Seither lebt er ohne Familie im Saale-Orla-Kreis. Das Landratsamt kümmert sich um die Betreuung.

Yvonne Lautenschläger und Corina Schönbach im Gespräch
Fachbereichsleiterin Yvonne Lautenschläger (links) und Fachdienstleiterin Corina Schönbach im Gespräch über die Betreuung des 16-jährigen Jugendlichen. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Mehr als 160 Einrichtungen angeschrieben

Seit der Kündigung des Wohnheimplatzes durch den Betreiber suchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landratsamt nach einer Lösung. Dafür haben sie nach eigenen Worten mehr als 160 Einrichtungen angeschrieben – bundesweit. Bisher ohne Erfolg. Je komplexer die gesundheitlichen Probleme, desto schwieriger die Unterbringung. Dabei müssen mögliche Träger der Jugendhilfe detaillierte Konzepte für die Arbeit mit Jugendlichen vorlegen und entsprechende Eignungsnachweise besitzen.

Betreuungsplätze gut ausgelastet

In Thüringen gibt es aktuell laut Sozialministerium 351 Plätze in insgesamt 18 Einrichtungen. Sie sind über zwölf Landkreise verteilt. Die Plätze sind gut ausgelastet. Zuständig für die Unterbringung sind die Landratsämter oder die kreisfreien Städte. Generell sei die Platzsuche nicht schwierig. Allerdings bestätigt das Ministerium, dass komplexe Fälle mitunter erst nach längerer Zeit gelöst werden können. Dabei gibt es für die Jugendlichen nicht nur stationäre, sondern auch teilstationäre oder ambulante Angebote.

Das Gebäude des Landratsamts des Saale-Orla-Kreises.
Der Sitz des Landratsamts des Saale-Orla-Kreises in Schleiz. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Kein Verständnis für "Hauruck"-Aktionen von Trägern

Das Schicksal des 16-Jährigen berührt die Mitarbeiterinnen im Landratsamt. Er gehe gern zur Schule, liebe Musik und schwimme gern, heißt es beim Vor-Ort-Gespräch. Allerdings sei er aufgrund seiner geistigen Behinderung in seiner Kommunikation eingeschränkt und lebe auf dem geistigen Niveau eines Kleinkindes. Wie er selbst seine Situation und die fehlende Wärme einer Familie wahrnimmt, wissen die Betreuerinnen nicht.

Man muss sich der Dramatik bewusst werden, dass die Kinder ja bereits im häuslichen Kontext einen Abbruch erlebten und jetzt in ihrem neuen Zuhause einen weiteren Abbruch ertragen müssen.

Corina Schönbach Fachdienstleiterin

Dass Betreuungsstellen gekündigt werden, komme immer mal wieder vor, sagt Corina Schönbach. Kein Verständnis hat sie allerdings für "Hauruck-Aktionen" bei den Trägern. Es sei schon vorgekommen, dass ihre Mitarbeiterinnen einen Anruf erhalten hätten mit der Ankündigung: "Wir fahren jetzt los!"

Situation des Jugendlichen beschäftigt auch Gerichte

Etwa ein Fünftel der stationären Hilfen haben im vergangenen Jahr im Saale-Orla-Kreis zu einem Abbruch geführt, sagt Corina Schönbach. Zwölf Fälle, zwölf Schicksale. "Man muss sich der Dramatik bewusst werden, dass die Kinder ja bereits im häuslichen Kontext einen Abbruch erlebten und jetzt in ihrem neuen Zuhause einen weiteren Abbruch ertragen müssen", sagt die Fachdienstleiterin.

Der Fall des 16-Jährigen beschäftigt inzwischen auch Gerichte. Deshalb möchte sich das Landratsamt auch nicht weiter zu den Details des Falles äußern. Diese belasteten auch die Mitarbeiterinnen, so Schönbach. Und ihre Chefin Yvonne Lautenschläger ergänzt: "Wir haben hier schon eine hohe Fluktuation im Team. Das kann keiner sein ganzes Arbeitsleben lang machen."

Die Mitarbeiterinnen hoffen, für den jungen Mann bald ein bleibendes neues Zuhause zu finden.

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MDR (co)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit des Tages | 21. Februar 2025 | 18:05 Uhr

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