Bodo Ramelow umgeben von jubelnden Menschen.
Lesen Sie hier alle Infos, die Ergebnisse und Reaktionen für Thüringen im Überblick. Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services

Politik Bundestagswahl in Thüringen: Ramelow auf Weg zu Wahlkreissieg - AfD kündigt Personaländerung an

23. Februar 2025, 21:50 Uhr

Die AfD liegt bei der Auszählung der Stimmen in Thüringen deutlich vorne. Bundesweit führt die CDU. Der Blick auf Thüringen - mit Zwischenergebnis.

Auszählung läuft: AfD in Thüringen vorn

Nach Auszählung von mehr als 80 Prozent der Wahlbezirke in Thüringen liegt die AfD bei den Zweitstimmen deutlich vorn.

Die Ergebnisse laut Landeswahlleiter von 21:45 Uhr:

  • AfD: 38,6 Prozent
  • CDU: 18,6 Prozent
  • Linke: 15,1 Prozent
  • BSW: 9,4 Prozent
  • SPD: 8,7 Prozent
  • FDP: 2,8 Prozent
  • Grüne: 4,2 Prozent
  • Freie Wähler: 1,6 Prozent
  • Volt: 0,5 Prozent
  • Bündnis Deutschland: 0,3 Prozent
  • MLPD: 0,1 Prozent

Auch in fast allen Thüringer Bundestags-Wahlkreisen liegen die AfD-Kandidaten, Stand 21:45 Uhr, vorn. Die Ausnahme: Im Wahlkreis "Erfurt - Weimar - Weimarer Land II" führt Bodo Ramelow (Linke) nach Auszählung der meisten Stimmzettel.

Die gut 2.500 Wahllokale in Thüringen sind seit 18 Uhr geschlossen. Die Auszählung der abgegebenen Stimmen für die Bundestagswahl wird sich über den Abend erstrecken. Hier die bundesweite Hochrechnung:

Die Wahlbeteiligung betrug - Stand 21:45 Uhr - 81,6 Prozent. Bis 16 Uhr hatte die Wahlbeteiligung nach Angaben des Landeswahlleiters bei 72,6 Prozent gelegen - und war damit deutlich höher als vor vier Jahren zu diesem Zeitpunkt. Zehntausende Menschen hatten bereits zuvor per Briefwahl abgestimmt. 

In Thüringen waren fast 1,7 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. 20.000 Wahlhelfer sind im Einsatz.

AfD kündigt personelle Veränderungen an

Thüringens AfD-Co-Landeschef Stefan Möller sieht die ostdeutschen Landesverbänden als einen Grund für das gute Abschneiden seiner Partei. Gleichzeitig kündigte er im MDR THÜRINGEN JOURNAL personelle Veränderungen an. Es werde überlegt, wie die AfD in Thüringen weiterentwickelt werden könne. An der Parteispitze, die er zusammen mit Björn Höcke innehabe, müsse weiter ein frischer Wind wehen. Die AfD wolle "nicht versteinern".

Höcke, der am Wahlabend in Berlin weilte, sprach von einer "friedlichen Revolution an der Wahlurne". Wenn es dabei bleibe, "dann haben die Thüringer nicht nur die Ampel abgewählt, sondern auch die Brombeere". In Thüringen führt Ministerpräsident Mario Voigt eine "Brombeer-Koalition" aus CDU, BSW und SPD.

Thüringer CDU erfreut - SPD wird abgestraft

Der Spitzenkandidat der Thüringer CDU, Christian Hirte, aus dem Wartburgkreis zeigte sich erfreut über das Abschneiden seiner Partei. Hirte sagte, die Union habe einen Regierungsauftrag. Besser wäre ein kleiner Regierungspartner. Die CDU werde sich an den Inhalten orientieren.

Thüringens SPD-Chef Georg Maier bezeichnete das Wahlergebnis als "bittere Niederlage". Die Thüringer Wählerinnen und Wähler hätten die Sozialdemokraten für das Scheitern der Ampel-Regierung mitverantwortlich gemacht. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sei als Kanzler einer "funktionsuntüchtigen Regierung" wahrgenommen worden. Mit den Themen Rente, Löhne und Pflege sei seine Partei nicht durchgedrungen.

Personaldiskussionen lehne er jetzt aber ab, auch wenn es diese Diskussionen geben werde. Sollte die SPD erneut in eine Bundesregierung eintreten, empfehle er - wie in Thüringen - ein Mitgliedervotum über eine Koalitionsbeteiligung.

Ramelow erkennt Renaissance der Linken

Der Thüringer Linken-Spitzenkandidat Bodo Ramelow sieht eine Renaissance seiner Partei. Noch vor drei Monaten sei die Linke politisch für tot erklärt worden, sagte er auf der Wahlparty der Linken in Erfurt. Neben den "Silberlocken" Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und ihm selbst hätten vor allem viele junge Menschen den Erfolg der Linken möglich gemacht.

Bodo Ramelow spricht auf einer Bühne.
Grund zum Jubeln: Bodo Ramelow (Linke) am Wahlabend im Erfurter Klub "Kalif Storch". Bildrechte: IMAGO / Paul-Philipp Braun

BSW zittert um Einzug in Bundestag

Thüringens BSW-Co-Vorsitzende Katja Wolf sagte während der Auszählung, es sei "ein Hoffen und Bangen". Ihre Partei setze darauf, dass das Ergebnis für das BSW doch noch nach oben gehe.

Grüne und FDP in Thüringen unter 5 Prozent

Die Thüringer Landessprecherin der Grünen, Ann-Sophie Bohm, erklärte, die Grünen könnten angesichts des kurzen Wahlkampfs zufrieden sein, dass sie sich innerhalb kurzer Zeit wieder hoch gekämpft hätten. Die Grünen hätten zuletzt gezeigt, dass sie Vertrauen zurückgewinnen konnten.

Für FDP-Chef Thomas Kemmerich spiegeln die Ergebnisse die Umfragen im Vorfeld wider. Die Mehrheit habe konservativ gewählt. Die Aufgaben an die zukünftige Regierung seien klar adressiert: die Migration in den Griff bekommen, die gefühlte und tatsächliche Sicherheit wiederherstellen und die Wirtschaft flott kriegen.

73 Kandidaten in acht Thüringer Wahlkreisen

In acht Thüringer Wahlkreisen sind 73 Direktkandidaten angetreten, darunter auch bundesweit bekannte Politiker. Doch selbst der Sieg in einem Wahlkreis garantiert nicht immer den Einzug ins Parlament.

Außerdem mussten in Thüringen auch etwa 20 Bürgermeister in Gemeinden und Ortsteilen gewählt werden. In Weimar konnten die Bürger zudem abstimmen, ob die Stadt eine Umgehungsstraße bekommen soll. In der Gemeinde Emleben im Kreis Gotha wurde entschieden, ob auf Gemeindegrund grundsätzlich Windräder errichtet werden dürfen.

Die weitere Entwicklung und die Reaktionen zur Bundestagswahl aus bundesweiter Sicht lesen Sie hier.

Wer ist zur Bundestagswahl in Thüringen angetreten?

Knapp 1,7 Millionen Wahlberechtigte in Thüringen entscheiden in acht Wahlkreisen über die jeweiligen Direktkandidaten und die Listenkandidaten der Parteien. Dabei gibt es 15 Direktkandidaten weniger als bei der Bundestagswahl 2021. Neben den elf zugelassenen Parteien in Thüringen gibt es auch Einzelbewerber, die nicht von einer Partei aufgestellt wurden. Die Zahl der weiblichen Bewerber hat sich im Vergleich zur vergangenen Bundestagswahl 2021 verringert: von 49 auf 36 Kandidatinnen. Für AfD und FDP kandidieren ausschließlich Männer. Mehr als zwei Frauen treten nur bei den Grünen an.

Zwölf Mitglieder des Bundestages haben sich erneut um einen Sitz beworben. Im Schnitt sind die Bewerber nach Angaben des Landeswahlleiters knapp 47 Jahre alt, wobei zwei Bewerber über 75 Jahre alt und 13 Bewerber unter 25 Jahren sind.

Welche Thüringer Polit-Promis wollen in den Bundestag?

Zu den bekanntesten Bundestagskandidaten gehört Bodo Ramelow. Thüringens Ex-Ministerpräsident ist Spitzenkandidat der Linken im Freistaat. Doch Ziel des 69-Jährigen ist ein Direktmandat. Zusammen mit zwei weiteren älteren Herren der Linken - Gregor Gysi und Dietmar Bartsch - ist er Teil der "Mission Silberlocke". Mit drei Direktmandaten sollen sie der Linken den Einzug in den Bundestag sichern. Für Ramelow wäre es ein Comeback.

Die bei den Grünen einflussreiche Katrin Göring-Eckardt ist seit 2021 Vize-Bundestagspräsidentin. Nun will sie erneut ins Parlament und steht auf Platz eins der Grünen-Landesliste.  Bundesweite Bekanntheit hat auch Thomas Kemmerich errungen, als er sich am 5. Februar 2020 mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten wählen ließ. Bei der Landtagswahl flog seine FDP mit ihm als Spitzenkandidaten aus dem Landtag. Nun bewirbt er sich um ein Direktmandat für den Bundestag. 

Auch der SPD-Politiker Carsten Schneider will erneut in den Bundestag. Nach der Wahl 2021 war er zwischenzeitlich als Bundesminister im Gespräch, wurde dann aber Ost-Beauftragter der Bundesregierung. Einer seiner Vorgänger auf diesem Posten, Christian Hirte (CDU), ist Thüringer Spitzenkandidat der CDU bei der Bundestagswahl.

Welche Besonderheiten gibt es in Thüringen?

Im Wahlkreis Eisenach - Wartburgkreis - Unstrut-Hainich-Kreis gibt es eine ungewöhnliche Situation bei den Direktkandidaten. 2021 holte dort Klaus Stöber auf AfD-Ticket die meisten Erststimmen. Inzwischen ist Stöber aber einer der härtesten Kritiker der AfD-Landesspitze um Björn Höcke und Stefan Möller. Gegen ihn läuft ein Parteiausschlussverfahren. Bei der Bundestagswahl tritt er nun als Einzelbewerber an. Für die in Thüringen vom Landesverfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte AfD geht Möller ins Rennen. 

Welche Stimmen gibt es zur Bundestagswahl und was bewirken sie?

Jeder Wähler hatte zwei Stimmen. Eine Erststimme für die direkte Wahl eines Wahlkreisbewerbers oder Direktkandidaten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Partei. Durch die Erststimme, auf der linken Seite des Stimmzettels, wird laut dem Landeswahlleiter in jedem Wahlkreis ein Abgeordneter direkt gewählt.

Die Zweitstimme wurde auf der rechten Stimmzettelhälfte, in blauer Schrift gedruckt, abgegeben. Mit dieser Stimme entscheidet sich der Wähler für eine Partei und deren Landesliste. Unter dem jeweiligen Parteinamen waren die ersten fünf Bewerber der Landesliste aufgeführt. Die Zweitstimme ist die maßgebende Stimme für die Verteilung der Bundestagssitze insgesamt auf die einzelnen Parteien.

Für eine Partei, die zwar um Zweitstimmen wirbt, aber keinen Direktbewerber zur Wahl stellt, bleibt das Feld auf dem Stimmzettel links leer. Sofern ein Einzelbewerber als Wahlkreisbewerber ohne Parteizugehörigkeit antritt, bleibt der rechte Stimmzettel frei.

Zieht jeder Wahlkreisgewinner automatisch in den Bundestag ein?

Nein. Das war mal so, aber nach einer Wahlrechtsreform wird bei dieser Bundestagswahl erstmals nicht jeder automatisch in den Bundestag einziehen, der in seinem Wahlkreis als Sieger hervorgeht. Die Wahlkreisgewinner mit den jeweils meisten Stimmen bekommen dann ein Mandat, wenn ihre Partei auf genügend Zweitstimmen kommt, anderenfalls bleibt der Wahlkreis ohne Direktkandidaten. Anders verhält es sich bei parteiunabhängigen Bewerberinnen und Bewerbern: Sie kommen auf jeden Fall in den Bundestag, wenn sie die meisten Erststimmen in einem Wahlkreis holen würden.  Mit der Wahlrechtsreform soll die Zahl der Bundestagsabgeordneten deutlich sinken.

Ist die Bundestagswahl ein Stimmungstest für die neue Thüringer Regierung?

Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz geht nicht davon aus, dass die Bundestagswahl ein erster Stimmungstest für die neue Brombeer-Landesregierung aus CDU, BSW und SPD ist. "Im aktuellen Wahlkampf dominieren bundesweite Themen sowie die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der Parteien", sagt er im Vorfeld der Wahl. Ebenso trage die starke Polarisierung des Wahlkampfs dazu bei, dass landespolitische Erwägungen bei der Bundestagswahl für die Wähler eher keine Rolle spielten.

Wie entstehen Prognosen, Hochrechnungen und das vorläufige Ergebnis?

Die Prognose am Wahlsonntag ist der erste Höhepunkt der Wahl. Es gibt sie nur einmal um Punkt 18 Uhr. Dafür wurden in mehreren repräsentativ ausgewählten Wahllokalen Wählerinnen und Wähler unmittelbar nach ihrer Stimmabgabe nochmals von Wahlforschern befragt. Erfasst wird bei der freiwilligen und anonymen Nachwahlbefragung nicht nur, welche Partei gewählt wurde, sondern es wird auch nach Geschlecht, Alter, Konfession oder Bildung gefragt. Diese Daten sind für die Wahlanalysen wichtig.

Einige Minuten nach der Prognose erfolgt die erste Hochrechnung. Anders als bei der Prognose fließen bereits erste reale Auszählungsergebnisse ein. Mit jeder neuen Hochrechnung am Wahlabend werden die Werte exakter. Dabei fließen auch erste Briefwahlergebnisse ein. Diese Hochrechnungen basieren auf den amtlichen Auszählungen wiederum repräsentativ ausgewählter Stimmbezirke.

Ab Schließung der Wahllokale um 18 Uhr zählen die Wahlvorstände in den Wahllokalen die Stimmen aus. Diese Auszählung ist öffentlich und man kann zuschauen. Die Ergebnisse werden dann über die Wahlbezirke und Wahlkreisleitung an die Landeswahlleitung und schließlich Bundeswahlleitung weitergegeben. Je nach Größe des Wahlbezirks und Anzahl der Helfer dauert die Auszählung unterschiedlich lange, bei Komplikationen dauert es oft bis in die Nacht hinein. Nach Abschluss der Auszählungen wird in der Nacht zum Montag das vorläufige Wahlergebnis erwartet.

Welche Besonderheiten es bei Prognose oder Hochrechnung gibt, lesen Sie hier.

Wie schnitten die Parteien in Thüringen bei der Bundestagswahl 2021 ab? 

Die CDU hofft auf mehr Rückenwind als vor vier Jahren. Bei der Wahl 2021 war sie nur auf 16,9 Prozent gekommen. Für das BSW ist es die erste Bundestagswahl. Bei der Thüringer Landtagswahl hatte die junge Partei 2024 aus dem Stand 15,8 Prozent erreicht.

Auswirkungen könnte die Wahl auch auf die AfD um Björn Höcke haben. Nicht nur Höckes rechte Hand in der Partei, Stefan Möller, könnte in den Bundestag einziehen. Auch sein Stratege in der Landtagsfraktion, Torben Braga, hat Chancen auf ein Mandat. Die AfD hatte bei der Bundestagswahl 2021 in Thüringen 24 Prozent geholt - und damit deutlich mehr als im bundesweiten Ergebnis. Die Thüringer Ergebnisse von 2021 im Einzelnen:


  • die AfD 24 Prozent,
  • die SPD 23,4 Prozent,
  • die CDU 16,9 Prozent,
  • die Linke 11,4 Prozent,
  • die FDP 9 Prozent,
  • die Grünen 6,6 Prozent.

Die Wahlbeteiligung zur Bundestagswahl 2021 betrug hierzulande 74,9 Prozent, zu Landtagswahl im September 2024 wählten 73,6 Prozent aller wahlberechtigten Thüringer.

MDR (rom/mm), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 23. Februar 2025 | 19:00 Uhr

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