
Politik Bundestagswahl in Thüringen: Ramelow holt Wahlkreis - AfD mit mehr Stimmen als Brombeer-Parteien
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24. Februar 2025, 10:03 Uhr
Die AfD erhält in Thüringen bei der Bundestagswahl die meisten Stimmen. In einem Wahlkreis gewinnt jedoch Bodo Ramelow. Im Bundestag sind künftig 18 Thüringer vertreten. Die Ergebnisse aus Thüringen im Überblick.
Inhalt des Artikels:
- Auszählung beendet: AfD in Thüringen weit vorn
- 18 Thüringer Abgeordnete im Bundestag
- Wahrscheinlich drei Nachrücker im Thüringer Landtag
- Ramelow gewinnt Wahlkreis
- AfD kündigt personelle Veränderungen an
- Thüringer CDU erfreut - SPD wird abgestraft
- Ramelow erkennt Renaissance der Linken
- Wie entstehen Prognosen, Hochrechnungen und das vorläufige Ergebnis?
- Wie schnitten die Parteien in Thüringen bei der Bundestagswahl 2021 ab?
- Zum Liveticker der Bundestagswahl in Thüringen.
- Bundestagswahl 2025: News, Hintergründe und Umfragen
- Alle Thüringer Direktkandidaten hier im Überblick
Auszählung beendet: AfD in Thüringen weit vorn
In Thüringen hat die AfD bei der Bundestagswahl 2025 die meisten Stimmen geholt - mit deutlichem Abstand zu den anderen Parteien. Nach der Auszählung aller Stimmzettel kam die Partei auf 38,6 Prozent. Damit holt sie mehr Stimmen als die aktuell in Thüringen regierenden Parteien CDU, SPD und BSW, die zusammen auf 33,4 Prozent der Stimmen bei der Bundestagswahl gekommen sind.
Das vorläufige Endergebnis für Thüringen lautet nach Angaben des Landeswahlleiters:
- AfD: 38,6 Prozent
- CDU: 18,6 Prozent
- Linke: 15,2 Prozent
- BSW: 9,4 Prozent
- SPD: 8,8 Prozent
- FDP: 2,8 Prozent
- Grüne: 4,2 Prozent
- Freie Wähler: 1,6 Prozent
- Volt: 0,5 Prozent
- Bündnis Deutschland: 0,3 Prozent
- MLPD: 0,1 Prozent
18 Thüringer Abgeordnete im Bundestag
Thüringen wird künftig mit 18 Abgeordneten im Bundestag vertreten sein. Nach Angaben der Bundeswahlleiterin ist das ein Sitz weniger als bisher. Demnach schicken alle acht Wahlkreise einen direkt gewählten Abgeordneten in den Bundestag. Sieben Direktmandate hat die AfD geholt, eines die Linke, und zwar mit Bodo Ramelow in Erfurt und Weimar. Das neue Wahlrecht wirkt sich auf die Thüringer Direktmandate also nicht negativ aus. Mehr zum neuen Wahlrecht erfahren Sie auch im Video.
Ihren Bundestagswahlkreis haben in Thüringen diese Politiker gewonnen:
- Christopher Drößler (AfD)
- Stefan Möller (AfD)
- Stefan Schröder (AfD)
- Marcus Bühl (AfD)
- Bodo Ramelow (Linkspartei)
- Stefan Brandner (AfD)
- Michael Kaufmann (AfD)
- Robert Teske (AfD)
Welche Politiker Thüringen künftig im Bundestag vertreten, sehen Sie hier. Mehrere bekannte Politiker haben aber den Einzug in den Bundestag verpasst. Dazu gehören die ehemalige Landtagsvizepräsidentin Madeleine Henfling, Ex-Umweltminister Bernhard Stengele (beide Grüne) sowie Thüringens Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP). Mehr dazu lesen Sie hier.
Wahrscheinlich drei Nachrücker im Thüringer Landtag
Nach der Bundestagswahl steht auch im Thüringer Landtag eine Umbesetzung an. Der Linke-Abgeordnete und frühere Ministerpräsident Bodo Ramelow und die AfD-Abgeordneten Stefan Möller und Torben Braga sind in den Bundestag gewählt worden. Sie kündigten am Montag jeweils an, ihr Mandate in Berlin anzunehmen. Dadurch verlieren sie ihr Landtagsmandat, weil das Thüringer Abgeordnetengesetz Doppel-Sitze ausschließt.
Für die drei Abgeordneten rücken im Landtag die nächsten Bewerber auf den Landeslisten nach, die bei der Landtagswahl gescheitert waren. Bei der Linkspartei wäre das der Eisenacher Verwaltungsbetriebswirt Sascha Bilay, der bereits von 2019 bis 2024 im Landtag gesessen hatte. Bei der AfD wären zwei Parlaments-Neulinge an der Reihe: Die Immobilienkauffrau Elisabeth Mengel-Stähle aus Jena und der Produktmanager Pascal Wloch aus Bad Salzungen. Die drei Kandidaten können das Mandat auch ausschlagen. Dann wäre der oder die nächste auf der Liste gefragt.
Ramelow gewinnt Wahlkreis
Ein ähnliches Bild gibt es bei den Wahlkreisgewinnern. Sieben von acht Wahlkreisen gehen an die AfD. Einzig im Wahlkreis "Erfurt - Weimar - Weimarer Land II" holte Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) die meisten Stimmen. Der 69-Jährige landete mit 36,8 Prozent der Erststimmen deutlich vor AfD-Kandidat Alexander Claus (26,7 Prozent).
Damit hat die CDU erstmals seit 1990 kein einziges Direktmandat bei einer Bundestagswahl in Thüringen errungen.
Die Wahllokale in Deutschland, 2.500 davon in Thüringen, wurden um 18 Uhr geschlossen. Die Auszählung der abgegebenen Stimmen für die Bundestagswahl erstreckte sich über den gesamten Abend. Hier das vorläufige Ergebnis:
Die Wahlbeteiligung in Thüringen betrug 80,7 Prozent. Bis 16 Uhr hatte die Wahlbeteiligung nach Angaben des Landeswahlleiters bei 72,6 Prozent gelegen - und war damit deutlich höher als vor vier Jahren zu diesem Zeitpunkt. Zehntausende Menschen hatten bereits zuvor per Briefwahl abgestimmt.
In Thüringen waren fast 1,7 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen. 20.000 Wahlhelfer sind im Einsatz.
AfD kündigt personelle Veränderungen an
Thüringens AfD-Co-Landeschef Stefan Möller sieht die ostdeutschen Landesverbänden als einen Grund für das gute Abschneiden seiner Partei. Gleichzeitig kündigte er im MDR THÜRINGEN JOURNAL personelle Veränderungen an. Es werde überlegt, wie die AfD in Thüringen weiterentwickelt werden könne. An der Parteispitze, die er zusammen mit Björn Höcke innehabe, müsse weiter ein frischer Wind wehen. Die AfD wolle "nicht versteinern".
Höcke, der am Wahlabend in Berlin weilte, sprach von einer "friedlichen Revolution an der Wahlurne". Wenn es dabei bleibe, "dann haben die Thüringer nicht nur die Ampel abgewählt, sondern auch die Brombeere". In Thüringen führt Ministerpräsident Mario Voigt eine "Brombeer-Koalition" aus CDU, BSW und SPD.
Thüringer CDU erfreut - SPD wird abgestraft
Der Spitzenkandidat der Thüringer CDU, Christian Hirte, aus dem Wartburgkreis zeigte sich erfreut über das Abschneiden seiner Partei. Hirte sagte, die Union habe einen Regierungsauftrag. Besser wäre ein kleiner Regierungspartner. Die CDU werde sich an den Inhalten orientieren.
Thüringens SPD-Chef Georg Maier bezeichnete das Wahlergebnis als "bittere Niederlage". Die Thüringer Wählerinnen und Wähler hätten die Sozialdemokraten für das Scheitern der Ampel-Regierung mitverantwortlich gemacht. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sei als Kanzler einer "funktionsuntüchtigen Regierung" wahrgenommen worden. Mit den Themen Rente, Löhne und Pflege sei seine Partei nicht durchgedrungen.
Personaldiskussionen lehne er jetzt aber ab, auch wenn es diese Diskussionen geben werde. Sollte die SPD erneut in eine Bundesregierung eintreten, empfehle er - wie in Thüringen - ein Mitgliedervotum über eine Koalitionsbeteiligung.
Ramelow erkennt Renaissance der Linken
Der Thüringer Linken-Spitzenkandidat Bodo Ramelow sieht eine Renaissance seiner Partei. Noch vor drei Monaten sei die Linke politisch für tot erklärt worden, sagte er auf der Wahlparty der Linken in Erfurt. Neben den "Silberlocken" Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und ihm selbst hätten vor allem viele junge Menschen den Erfolg der Linken möglich gemacht.
BSW scheitert mit Einzug in Bundestag: Vorsitzende Wolf bleibt zuversichtlich
Thüringens Co-Chefin des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Katja Wolf hat sich trotz des verpassten Einzugs in den Bundestag zuversichtlich gezeigt. Wolf sagte MDR AKTUELL, das BSW sei erst vor einem Jahr gegründet worden. Dementsprechend sei es eigentlich nicht überraschend, dass man nicht sofort in den Bundestag einziehe.
Grüne und FDP in Thüringen unter 5 Prozent - Kemmerich schließt Neugründung nicht aus
Die Thüringer Landessprecherin der Grünen, Ann-Sophie Bohm, erklärte, die Grünen könnten angesichts des kurzen Wahlkampfs zufrieden sein, dass sie sich innerhalb kurzer Zeit wieder hoch gekämpft hätten. Die Grünen hätten zuletzt gezeigt, dass sie Vertrauen zurückgewinnen konnten.
Für FDP-Chef Thomas Kemmerich spiegeln die Ergebnisse die Umfragen im Vorfeld wider. Die Mehrheit habe konservativ gewählt. Die Aufgaben an die zukünftige Regierung seien klar adressiert: die Migration in den Griff bekommen, die gefühlte und tatsächliche Sicherheit wiederherstellen und die Wirtschaft flott kriegen. Er erklärte laut Medienberichten, dass er eine Neugründung einer Partei nicht ausschließe.
Das Ergebnis löste natürlich lebhafte Reaktionen hier, auf Facebook und Instagram. Einige Stimmen neben den gegenseitigen Attacken der Lager aufeinander haben wir hier zusammengefasst.
Userreaktionen
Na so was kritisierte das Wahlrecht mit Listen- und Direktwahl, weil die Thüringen Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt mit 5.458 Direktstimmen über die Landesliste in den Bundestag komme, während ein AfD-Kandidat in Brandenburg mit 64.558 Stimmen es nicht schaffe. Während Holger Rösler in den Thüringer Zahlen einen "Dank" der Wähler dafür sah, das die CDU nicht mit der AfD koalierte, bezweifelte Peter einen Effekt: "Was haben 40% der ostdeutschen Wähler nun erreicht? Sie haben dafür gesorgt, dass der Osten bei Entscheidungen noch weniger vertreten ist als zuvor." Als negative Folge vermutete Christine Brendle, dass sich die Stimmung gegen benötigte zuwandernde Arbeitskräfte richte und befürchtete, dass Abschottung für ein auf Export angewiesenes Land schädlich sei. Bernd_wb kritisierte CDU und SPD, die sich fragen müssten, was sie im Osten falsch gemacht hätten. "Allerdings ist meine Hoffnung gering dass genau das getan wird." Tpass ärgerte sich über Reaktionen aus dem Westen: "Wenn West-Politiker sich hinstellen, wir Ossis hätten uns nicht politisch interessiert und geschichtlich geprägt verblenden lassen, finde ich schon sehr interessant oder eben arrogant oder dumm." Einen klaren Bürgerwillen vermisste Mal Nachdenken: "Ich kann erkennen, das die AfD massive Zuwächse verzeichnet. Ich kann erkennen, das man lieber auf Spaltung statt auf Einheit setzt. Aber einen einheitlichen Willen derer im Osten? Beim besten Willen nicht..." Auch Celluloid Papers schrieb, dass er auf Fragen nach dem Wahlmotiv für die AfD keine antworten bekommen habe. Mehrere User wie faultier oder Kaidebrush spotteten über die CDU, die angekündigt hatte, die Ergebnisse der AfD zu halbieren. Mit Blick auf die geplante Regierungsbildung spottete SZ Rentner: "Eine Partei mit dem zweitschlechesten und eine Partei mit dem schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte bei Bundestagswahlen soll die Regierung stellen?"
73 Kandidaten in acht Thüringer Wahlkreisen
In acht Thüringer Wahlkreisen traten 73 Direktkandidaten an, darunter auch bundesweit bekannte Politiker. Doch selbst der Sieg in einem Wahlkreis garantiert nicht immer den Einzug ins Parlament.
Außerdem mussten in Thüringen auch etwa 20 Bürgermeister in Gemeinden und Ortsteilen gewählt werden. In Weimar konnten die Bürger zudem abstimmen, ob die Stadt eine Umgehungsstraße bekommen soll. In der Gemeinde Emleben im Kreis Gotha wurde entschieden, ob auf Gemeindegrund grundsätzlich Windräder errichtet werden dürfen.
Die weitere Entwicklung und die Reaktionen zur Bundestagswahl aus bundesweiter Sicht lesen Sie hier.
Welche Stimmen gab es zur Bundestagswahl und was bewirken sie?
Jeder Wähler hatte zwei Stimmen. Eine Erststimme für die direkte Wahl eines Wahlkreisbewerbers oder Direktkandidaten und eine Zweitstimme für die Wahl einer Partei. Durch die Erststimme, auf der linken Seite des Stimmzettels, wird laut dem Landeswahlleiter in jedem Wahlkreis ein Abgeordneter direkt gewählt.
Die Zweitstimme wurde auf der rechten Stimmzettelhälfte, in blauer Schrift gedruckt, abgegeben. Mit dieser Stimme entscheidet sich der Wähler für eine Partei und deren Landesliste. Unter dem jeweiligen Parteinamen waren die ersten fünf Bewerber der Landesliste aufgeführt. Die Zweitstimme ist die maßgebende Stimme für die Verteilung der Bundestagssitze insgesamt auf die einzelnen Parteien.
Für eine Partei, die zwar um Zweitstimmen wirbt, aber keinen Direktbewerber zur Wahl stellt, bleibt das Feld auf dem Stimmzettel links leer. Sofern ein Einzelbewerber als Wahlkreisbewerber ohne Parteizugehörigkeit antritt, bleibt der rechte Stimmzettel frei.
Wie entstehen Prognosen, Hochrechnungen und das vorläufige Ergebnis?
Die Prognose am Wahlsonntag ist der erste Höhepunkt der Wahl. Es gibt sie nur einmal um Punkt 18 Uhr. Dafür wurden in mehreren repräsentativ ausgewählten Wahllokalen Wählerinnen und Wähler unmittelbar nach ihrer Stimmabgabe nochmals von Wahlforschern befragt. Erfasst wird bei der freiwilligen und anonymen Nachwahlbefragung nicht nur, welche Partei gewählt wurde, sondern es wird auch nach Geschlecht, Alter, Konfession oder Bildung gefragt. Diese Daten sind für die Wahlanalysen wichtig.
Einige Minuten nach der Prognose erfolgt die erste Hochrechnung. Anders als bei der Prognose fließen bereits erste reale Auszählungsergebnisse ein. Mit jeder neuen Hochrechnung am Wahlabend werden die Werte exakter. Dabei fließen auch erste Briefwahlergebnisse ein. Diese Hochrechnungen basieren auf den amtlichen Auszählungen wiederum repräsentativ ausgewählter Stimmbezirke.
Ab Schließung der Wahllokale um 18 Uhr zählen die Wahlvorstände in den Wahllokalen die Stimmen aus. Diese Auszählung ist öffentlich und man kann zuschauen. Die Ergebnisse werden dann über die Wahlbezirke und Wahlkreisleitung an die Landeswahlleitung und schließlich Bundeswahlleitung weitergegeben. Je nach Größe des Wahlbezirks und Anzahl der Helfer dauert die Auszählung unterschiedlich lange, bei Komplikationen dauert es oft bis in die Nacht hinein. Nach Abschluss der Auszählungen wird in der Nacht zum Montag das vorläufige Wahlergebnis erwartet.
Welche Besonderheiten es bei Prognose oder Hochrechnung gibt, lesen Sie hier.
Wie schnitten die Parteien in Thüringen bei der Bundestagswahl 2021 ab?
Die CDU hofft auf mehr Rückenwind als vor vier Jahren. Bei der Wahl 2021 war sie nur auf 16,9 Prozent gekommen. Für das BSW ist es die erste Bundestagswahl. Bei der Thüringer Landtagswahl hatte die junge Partei 2024 aus dem Stand 15,8 Prozent erreicht.
Auswirkungen könnte die Wahl auch auf die AfD um Björn Höcke haben. Nicht nur Höckes rechte Hand in der Partei, Stefan Möller, könnte in den Bundestag einziehen. Auch sein Stratege in der Landtagsfraktion, Torben Braga, hat Chancen auf ein Mandat. Die AfD hatte bei der Bundestagswahl 2021 in Thüringen 24 Prozent geholt - und damit deutlich mehr als im bundesweiten Ergebnis. Die Thüringer Ergebnisse von 2021 im Einzelnen:
- die AfD 24 Prozent,
- die SPD 23,4 Prozent,
- die CDU 16,9 Prozent,
- die Linke 11,4 Prozent,
- die FDP 9 Prozent,
- die Grünen 6,6 Prozent.
Die Wahlbeteiligung zur Bundestagswahl 2021 betrug hierzulande 74,9 Prozent, zu Landtagswahl im September 2024 wählten 73,6 Prozent aller wahlberechtigten Thüringer.
MDR (rom/mm)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 23. Februar 2025 | 19:00 Uhr
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