Bildungspolitik Nur noch wenig Chancen auf neues Schulgesetz in Thüringen
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05. Juli 2023, 22:31 Uhr
Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) gibt die Reform des Schulgesetzes noch nicht auf. Doch die Chancen für eine Mehrheit sind gering, die Streitpunkte überwiegen. Holter schlägt nun eine Mini-Reform vor.
Die Aussichten auf eine Reform des Thüringer Schulgesetzes bis 2024 sind gering. Seit Frühjahr stecken zwei Gesetzesentwürfe von Linken, SPD und Grünen sowie von CDU und FDP im Landtag fest, weil sich die rot-rot-grüne Regierungspartei mit der Opposition in entscheidenden Punkte nicht einigen kann. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) hat jetzt einen Versuch gestartet, um wenigstens Teile der Reform noch zu retten.
Viele offene Streitpunkte in Thüringer Bildungspolitik
Bei mehreren Streitpunkten ist zwischen Rot-Rot-Grün und der Opposition keinerlei Einigung in Sicht, weil die rot-rot-grüne Minderheitsregierung auf die Stimmen der Opposition angewiesen ist, um Gesetze zu verabschieden. Völlig auseinander gehen vor allem die Ansichten, wie mit kleineren Schulen im ländlichen Raum umgegangen werden soll. An Dutzenden Schulen in Thüringen gibt es laut Landesregierung weniger Schüler als gesetzlich erlaubt.
Die Regierungsparteien streben derzeit an, Schulen mit zu wenig Schülern in einem Schulcampus mit einer Grund- und Regelschule zusammenzufassen oder sie zu Kooperationen zu zwingen, um so etwa dem Lehrermangel entgegenzuwirken. Die CDU läuft gegen diese Pläne Sturm. Die Entscheidung fällen letztendlich die Landkreise als Schulträger.
Dazu gibt es Streit um die Lehrerausbildung, die Rot-Rot-Grün schulartübergreifend für die 5. bis 7. bzw. 8. bis 10. Klasse anbieten will. Auch das lehnt die Opposition strikt ab. "Wir müssen da flexibler werden. Alle Schülerinnen und Schüler müssen die gleichen Chancen haben und dazu müssen auch Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit erhalten, an allen Schularten ab Klasse 5 zum Einsatz zu kommen", sagte Holter im Gespräch mit MDR THÜRINGEN. Mehr dazu auch im Film "Sackgasse Schule - Leistung im freien Fall" in der ARD-Mediathek.
Ebenfalls nicht einigen können sich beide politischen Lager zur Zukunft der Förderschulen. Nach Meinung von CDU und FDP sollen am Ende die Eltern und nicht die Schule entscheiden, ob ein Kind auf eine Förderschule oder eine allgemeinbildende Schule gehen soll. Rot-Rot-Grün möchte dagegen Schüler mit Förderbedarf vor allem in den allgemeinbildenden Schulen unterrichten lassen.
Schließlich scheint keine Lösung darüber möglich, wie es mit der "Besonderen Leistungsfeststellung" (BLF) weitergeht, mit der Gymnasiasten nach der zehnten Klasse einen dem Realschulabschluss gleichgestellten mittleren Schulabschlussein abschließen können. Über eine Abschaffung der BLF wird bereits seit längerem diskutiert, vor allem deshalb, weil der Abschluss von Arbeitgebern anderer Bundesländer außer Sachsen, nicht anerkannt wird.
Allenfalls noch eine Mini-Reform möglich
Bei den Vorschlägen, für die Holter eine Einigung ausloten möchte, geht es nun vor allem um praktische Themen. Dazu gehören Regelungen über Gastschulanträge, womit es Schülern aus anderen Bundesländern wieder dauerhaft einfacher gemacht werden soll, eine Schule in Thüringen zu besuchen. Das Thema hatte etwa im Eichsfeld zu heftigen Protest von Eltern geführt. Das Ministerium hofft zudem noch auf eine Verständigung zwischen Regierungsfraktionen und Opposition im Landtag bei Regeln für Geschwisterkinder an Schulen, beim Datenschutz, bei Vorgaben zu Digitalisierung und Distanzunterricht sowie dazu dass Spezialgymnasien weiterhin ein Abitur über 13 Jahre anbieten können. Holter schickte allen im Landtag vertretenen Parteien die Vorschläge zu. "Jetzt müssen wir uns ehrlich in die Augen sehen, um zu schauen, was noch geht", sagt Holter.
Nach Angaben des SPD-Bildungsexperten Thomas Hartung hat die Opposition auf den Vorstoß des Ministeriums bis Ende Juni nicht reagiert. "Im Moment scheitert die Lösung an der CDU", sagt Hartung. Rot-Rot-Grün sei bereit gewesen, noch einmal zu diskutieren. CDU-Bildungsexperte Christian Tischner signalisiert gegenüber MDR THÜRINGEN zumindest weiterhin "Gesprächsbereitschaft, aber auf Augenhöhe".
Kritik an geplanter neuer Schulordnung
"Eigentlich ist nur der Datenschutz ein rein technisches Thema", schränkte Tischner jedoch zugleich ein. Selbst bei der Digitalisierung vermutet er, dass damit "der Lehrermangel kaschiert werden könnte. Dazu stellte er eigene Forderungen in den Raum, wie den Umgang mit Schülern mit Förderbedarf. Zudem kritisierte Tischner die vom Ministerium geplante neue Schulordnung. Diese führt aus seiner Sicht zu einer Reduzierung der Stundenzahl von Sport, Astronomie oder Geschichte und verschlechtere damit die Qualität an Thüringer Schulen. Die Mehrheit im Landtag sei gegen eine neue Schulordnung, begründete er seine Kritik weiter. Allerdings kann Holter die neue Schulordnung im Gegensatz zum Schulgesetz ohne den Landtag ändern. Der Bildungsminister will mit der neuen Schulordnung auch das Schulfach Medienkunde/Informatik einführen, den Wechsel zwischen den Schularten erleichtern und die Zahl der Leistungstests für Schüler reduzieren.
Lehrerverband sieht auch wenig Chancen auf Einigung
Der Lehrerverband sieht daher nur noch wenig Chancen auf eine Einigung: "Die Diskussion ist festgefahren. Das war aber auch nicht anders zu erwarten", sagt Tim Reukauf von der erweiterten Landesleitung des Thüringer Lehrerverbands. Auch Elternvertreter kritisieren den Stillstand: Es sei bedenklich, "dass Parteipolitik auf Kosten der Sachpolitik stattfindet", bringt es Thüringens Landeselternsprecherin Claudia Koch auf den Punkt.
MDR (rom)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Exakt - Die Story | 05. Juli 2023 | 20:45 Uhr
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