Bundeswehr Wie eine Jugendoffizierin das Thema Bundeswehr mit Jugendlichen im Unterricht bespricht
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19. April 2024, 18:21 Uhr
Als Staatsbürger in Uniform klären Jugendoffiziere der Bundeswehr über die Aufgaben des Militärs in der Bundesrepublik und über sicherheitspolitische Herausforderungen für das Land auf. So die Sicht der Bundeswehr. Doch ihr Auftreten in Schulen wird nicht überall gern gesehen, vielerorts gebe es eine deutliche Ablehnung, sagt Hauptmann Lisa Marie Günther aus Gera.
"Ich mache keine Nachwuchswerbung mit Euch. Ihr sollt jetzt nicht alle zur Bundeswehr kommen. Die Verträge habe ich nicht dabei. Sondern ich möchte wirklich mit Euch diskutieren, Fragen stellen und ich habe auch schon gehört, Ihr habt schon viele Fragen und Themen."
Mit dieser Klarstellung beginnt Hauptmann Lisa Marie Günther ihre Stunde im Sozialkunde-Unterricht einer 10. Klasse der Regelschule "Hans Settegast" in Bad Köstritz. Vor ihr sitzen rund 20 Schülerinnen und Schüler. Die Jugendoffizierin der Bundeswehr ist auf Einladung der Schule hier. Das Thema: Sicherheitspolitik und Herausforderungen für Deutschland und seine Bundeswehr.
Zunächst erzählt die junge Offizierin von ihrem Werdegang bei der Truppe, der sie seit 2011 angehört. Nach Ausbildung und Studium folgten einige Truppenverwendungen, unter anderem als Kommandeurin einer kleinen Einheit, seit gut einem Jahr ist sie Jugendoffizierin. Stationiert in Gera, besucht sie Schulen in Thüringen und hält Vorträge über die Bundeswehr.
Bedrohungen von Terrorismus bis Klimakatastrophen
In ihrem Vortrag hier in Bad Köstritz spricht sie über mögliche Bedrohungen für Deutschland und seine Verbündeten in der Nato. Über Terrorismus – "das geht uns insoweit etwas an, indem wir auch Ziel von Anschlägen werden können oder geworden sind, siehe etwa das Attentat vor einigen Jahren auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin" – über den Krieg in der Ukraine, über Cyberattacken auch auf Einrichtungen in Deutschland, über Fake News und Flüchtlingsströme, über Klimakatastrophen.
Die Bundeswehr sei nicht das Allheilmittel, um solche Herausforderungen zu bewältigen. Sie beteilige sich aber im Nato-Rahmen an internationalen Missionen, evakuiere deutsche Staatsbürger aus Krisenregionen oder helfe im Inland bei der Bewältigung von Naturkatastrophen und Pandemien wie zuletzt Corona.
40 bis 50 Besuche in Schulen pro Jahr
Mit Fragen testet sie das Wissen ihrer Zuhörerinnen und Zuhörer. "Warum wird die Bundeswehr als Parlamentsarmee bezeichnet?" "Weil der Bundestag entscheidet, was die Bundeswehr machen soll, ob sie einen Einsatz machen soll", antwortet eine Schülerin.
Die Schülerinnen und Schüler hören mehr oder weniger interessiert zu, einige von ihnen offenbaren bemerkenswerte Detailkenntnisse etwa über die vor kurzem begonnene Stationierung einer Bundeswehr-Brigade im Nato-Land Litauen.
Etwa 40 bis 50 solcher Veranstaltungen mache sie pro Jahr, erzählt Günther in der Pause im Gespräch mit MDR THÜRINGEN. Die Zahl der Schulen in ihrem Einsatzgebiet Ostthüringen sei jedoch relativ gering. "20 von 120 haben Interesse".
Ablehnung gegen Präsenz von Bundeswehr-Angehörigen
Die Gründe für dieses vergleichsweise geringe Interesse sieht die Jugendoffizierin in fehlenden Zeitbudgets im Sozialkunde-Unterricht, vor allem aber Desinteresse. Es gebe vielerorts an Schulen deutliche Ablehnung gegen eine Präsenz von Bundeswehr-Angehörigen, sagt sie.
Wir sind Staatsbürger in Uniform und informieren auf Einladung von Schulen über die Bundeswehr.
"Wir sind Staatsbürger in Uniform und informieren auf Einladung von Schulen über die Bundeswehr", betont sie. Von Werbung für die Bundeswehr könne dabei keine Rede sein.
Gruppenarbeit zum Thema Wehrpflicht
Nach der Pause teilt sie die Klasse in zwei Arbeitsgruppen auf. Es geht um das Thema Wehrpflicht. Seit Monaten wird vor allem in der Politik über die Wiederbelebung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht oder die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht diskutiert. Die beiden Arbeitsgruppen sollen Argumente für und gegen eine Wehrpflicht zusammentragen. Was den Jugendlichen dazu einfällt, notieren sie auf bunten Kärtchen und heften diese an die Tafel.
Mit einer Wehrpflicht hätte Deutschland mehr Soldaten und könne sich dann besser verteidigen, lautet ein Pro-Argument. Für die vielen Wehrpflichtigen ist in den Kasernen gar kein Platz, und genügend Ausrüstung gibt es für sie auch nicht, steht auf einer Karte in der Rubrik "Contra".
Die Bandbreite der Argumente beider Gruppen ist recht groß. Die Wehrpflicht würde die Wirtschaft beleben, sagt ein Schüler. Etwa die Textilindustrie, die Aufträge für Tausende neue Uniformen bekäme. Eine allgemeine Dienstpflicht mit der Möglichkeit, diese im Zivilbereich abzuleisten, brächte beispielsweise Krankenhäusern zusätzliches Pflegepersonal. "Man bleibt fit" und lerne Teamfähigkeit und das Tragen von Verantwortung, lautet ein weiteres Argument pro Wehrpflicht.
Die andere Gruppe argumentiert unter anderem mit Ethik und Moral. "Viele wollen keinen Kontakt mit Waffen haben", sagt eine Schülerin. Persönliche Pläne für das 18. Lebensjahr könnten durch eine Wehr- oder Dienstpflicht durcheinandergebracht werden, so ein Schüler. "Wenn man zum Beispiel eine Ausbildung beginnt oder ein Auslandsjahr macht, dann schneidet das einem komplett rein." Würden tausende junge Menschen zum Dienst verpflichtet, fehlten diese auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, so ein weiteres Argument.
Wenn man zum Beispiel eine Ausbildung beginnt oder ein Auslandsjahr macht, dann schneidet das einem komplett rein.
Lisa Marie Günther hört aufmerksam zu, korrigiert hier und da sachlich falsche Annahmen und bedankt sich schließlich bei den Jugendlichen für ihre engagierte Mitarbeit.
"Das war schon eine Klasse, die deutlich aufmerksamer und interessierter war, als ich es in anderen Fällen erlebt habe", so ihr Fazit im Gespräch mit dem MDR.
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 18. April 2024 | 18:00 Uhr
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