Kinokultur Gera: Neue Betreiberinnen übernehmen Traditionskino Metropol
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30. Dezember 2024, 03:50 Uhr
Mit Stefanie Götze und Teresa Kästel übernehmen zwei langjährige Mitarbeiterinnen die Leitung des einzigen Kinos in Gera. Seit der Wiedereröffnung des Traditionshauses vor zehn Jahren behauptet sich das Metropol – und das mit einem handverlesenen Arthouse- und Kinderprogramm. Das bewährte Konzept wollen die neuen Betreiberinnen erweitern. Was macht das Kino so besonders?
- Zwei langjährige Mitarbeiterinnen übernehmen ab Januar die Leitung des traditionsreichen Metropol Kinos in Gera.
- Das Metropol wurde vor zehn Jahren wiedereröffnet und ist heute das einzige Kino der Stadt.
- Mit dem Kino wollen die Betreiberinnen auch einen sozialen und demokratischen Raum aufrecht erhalten.
Das vorfreudige Warten bis zum Einlass in den Kinosaal ist in Gera älter als in vielen anderen Lichtspielhäusern: Das Metropol-Kino kann sich mit über hundertjähriger Geschichte als Institution begreifen. Einst war es Synagoge, dann Tanzlokal, ab 1919 dann ein Lichtspielhaus mit 500 Plätzen. Und dann musste es Ende der 1990er Jahre für lange Zeit schließen.
Im Traditionshaus hat mit dem Jahreswechsel auch ein Führungswechsel stattgefunden: Stefanie Götze und Teresa Kästel treten als neue Leiterinnen des Kinos in die Fußstapfen von Caren Pfeil, der bisherigen Betreiberin.
Das neuen Führungsduo hat schon Ideen, wie die Zukunft des Metropols aussehen soll: Als Vision steht ein vierter Kinosaal im Raum. Die Hoffnung der beiden ist, durch ein zusätzliches Programmangebot auch neue Zielgruppen zu gewinnen. Die bisherige Leiterin Caren Pfeil widmet sich derweil Theaterprojekten.
Kino gehört zur Stadtgeschichte von Gera
Das Haus hat sich mit der Stadt gewandelt – und mit seinen Besucherinnen und Besuchern. Das sei ein Grund dafür gewesen, den Ort vor zehn Jahren wieder zum Leben zu erwecken, erzählt Caren Pfeil. Zum Konzept habe es gehört, einen Ort für Begegnungen zu schaffen. Insofern ist für sie die Kino-Geschichte auch ein Stück Stadtgeschichte.
Kindheitserinnerungen ans frühe Metropol
Caren Pfeil ist in Gera geboren und hat Kindheits-Erinnerungen an das frühere Metropol. Auch deshalb geht 2014 alles ganz schnell: Als ihr Bruder, der damals schon in München Kino macht, gefragt wird, ob er das Metropol wiederbelebt, kommt sie mit ins Boot. Dank der durch Christian Pfeil bereits bestehenden GmbH kann Caren Pfeil sich um das Kino in Gera kümmern. Im Juni 2014 ist das Gebäude kaum zu betreten – doch bald steht fest: Im November soll es eröffnen.
Am 1. November habe man damals einen Tag der offenen Baustelle gemacht, erinnert sich Pfeil. Rund 500 Leute kamen und wurden in Gruppen über die Baustelle geführt. "In den Sälen gab es noch keine Stühle. Es gab gerade mal die Traversen, aber noch keine Stühle, keine Leinwand, keine Technik, nichts." Knapp drei Wochen später wurde aufgemacht, berichtet Caren Pfeil: "Es war wirklich abenteuerlich."
Am 1. November gab es noch keine Stühle, keine Leinwand, keine Technik – und am 20. wurde aufgemacht. Es war wirklich abenteuerlich.
Stammtisch im Kino
Aus der Baustelle sind mittlerweile drei Säle und ein großes Foyer geworden. Mit einem Café lädt das Metropol zum Verweilen ein, aber auch zum Diskutieren über die gesehenen Filme – gerade weil mittlerweile zwar auch Blockbuster laufen, aber auch viel Arthouse-Programm.
Das ist so eine kleine Schule des Sehens.
In Formaten wie dem "Stammtisch" werden die Kino-Gäste gezielt zum Gespräch eingeladen. "Wie geht es euch jetzt so nach dem Film?" Mehr müsse man zum Einstieg gar nicht fragen, sagt die Kinoleiterin. Und dann schildern die Besucher ihr jeweiliges Filmerlebnis. Die Hemmschwelle sei niedrig, so die ehemalige Leiterin Pfeil. Es sei "wie so eine kleine Schule im Sehen". Miteinander lerne man, wie individuell Kunst gesehen werden kann und wie bereichernd es ist, eine eigene Haltung zu haben und eine andere trotzdem wahrzunehmen. "Und beide dürfen nebeneinander stehen."
Die lange Geschichte des Metropols Ende des 19. Jahrhunderts wurde aus der ehemaligen jüdischen Synagoge das "Etablissement Leipnitz" – eine Gaststätte mit Gartenbetrieb und Tanzlokal. Im Jahr 1919 entstand durch Umbau das Metropol. Es war damals mit 500 Plätzen das erste große Lichtspieltheater in Gera. In den 50er und 60er Jahren wurde die Platzanzahl auf etwa 300 Zuschauer reduziert. 1973 war das Metropol Gründungskino des Kinderfilmfestivals Goldener Spatz. Anfang 1998 wurde es geschlossen und ab 2002 für ein paar Jahre als Diskothek genutzt. Quelle: Stadt Gera
So versteht sich das Metropol nicht nur als sozialer, sondern auch als demokratischer Ort. Das ist umso bedeutungsvoller, als das Metropol nicht nur das einzige Programmkino, sondern überhaupt das einzige Kino der Stadt ist.
Filmgäste und Gastspiel Goldener Spatz
Vom Theater kommend, brachte Caren Pfeil bisher nicht nur viel inhaltliches Denken, sondern auch Kontakte mit. Filmemacher kommen zum Gespräch nach Gera. Experten werden eingeladen. Und nicht zuletzt wird hier auch der Goldene Spatz, das große Kindermedien-Festival abgehalten. Beim Publikum kommt das an.
"Erst einmal sind wir froh, dass es in Gera noch ein Kino gibt", berichtet eine Besucherin. Sie ist schon immer gern ins Kino gegangen, und das Metropol sei so "gemütlich und einfach schön".
Die lange Kinogeschichte in Gera wird sich dank des Metropols also – nun unter neuer Führung – weiterschreiben.
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 20.11.2024. Quelle: MDR KULTUR (Carolin Büscher), Redaktionelle Bearbeitung: lm, lk, tis
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 20. November 2024 | 16:40 Uhr