Weihnachtsflut "Stehen vor dem Nichts": Große Probleme in Windehausen nach dem Hochwasser
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04. Februar 2024, 18:32 Uhr
Weihnachten wurde für die Menschen in Windehausen durch das Hochwasser zur Katastrophe. Viele Bewohner verloren ihr Hab und Gut oder stehen vor enormen Kosten. Manche wollen ihr Haus ganz aufgeben und wegziehen. Trotz des Leids sind sich Land und Kommune uneinig, wie genau der seit vielen Jahren geplante Hochwasserschutz am Fluss Zorge in Zukunft aussehen soll.
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- Haus und Hof bei Hochwasser in Windehausen verloren
- Großinvestitionen für Hochwasserschutz seit Jahren geplant
- Streit um Wassergräben und Pumpen
Wolfgang Geisler ist 85 Jahre alt, seine Frau 77. Erst vor 13 Jahren baute sich das Paar seinen Alterswohnsitz. Ein gelbes Haus mit weißem Zaun nahe des Sportplatzes. Altersgerecht, auf einer Etage und ohne Treppen. Doch an Heiligabend 2023 floss plötzlich das Wasser. Innerhalb von zwei Stunden strömte es durch Wohnzimmer, Küche und Bad. Zeitweise durfte Windehausen nicht betreten werden.
Wir müssen alles neu kaufen. Alle Türen, alle Möbel, alles.
Nicht nur die Möbel wurden beschädigt oder zerstört. Alle Türen und Zargen sind hinüber. Der Fußboden und die Wände müssen professionell getrocknet werden. "Wir müssen alles neu kaufen. Alle Türen, alle Möbel, alles", sagt Wolfgang Geisler.
Einziger Lichtblick: Die Geislers haben eine große Familie. Vier Töchter mit Schwiegersöhnen packen seit dem Hochwasser gemeinsam mit an. Die betagten Geislers konnten bei einer Enkelin in einem Nachbarort unterkommen. "So langsam sehen wir wieder Licht am Ende des Tunnels", sagt Schwiegersohn Torsten Stoll.
Haus und Hof bei Hochwasser verloren
Die Straße runter trifft man auf den Hof von Angelika Färber und ihrem Mann Axel Kross. Das Ehepaar wohnte im Erdgeschoss des mehrgeschossigen Hauses. Im vergangenen Jahr haben beide ihren 70. Geburtstag gefeiert. "Eigentlich wollten wir uns noch ein paar schöne Jahre machen. Und nun das", sagt Angelika Färber mit zitternder Stimme.
Auch sie verloren alle Möbel. Nur der Kühlschrank überstand das Hochwasser, wie auch die hochgelagerte Wärmepumpe im Hof. Die eigentliche Katastrophe ist aber die Versicherung. Die will die Hochwasserschäden am Gebäude nicht übernehmen. "Die Versicherung will erst ab einer gewissen Schadenssumme zahlen. Da wir knapp unter dieser Grenze sind, bekommen wir kein Geld. Das liegt wohl daran, dass wir in einem Hochwassergebiet wohnen", erklärt Axel Kross.
Große Ersparnisse habe das Paar auch nicht. Eine Sanierung komme deshalb nicht in Frage. Nur die Hausratsversicherung zahlt hoffentlich für die zerstörten Möbel. Das Paar ist gezwungen, Haus und Hof zurücklassen. Es sucht ein kleine Wohnung im nahen Nordhausen. "Wir sind keine 20 mehr und können nicht nochmal von vorne anfangen. Wir stehen vor dem Nichts", sagt Angelika Färber.
Millionen-Investitionen für Hochwasserschutz seit Jahren geplant
Schon seit dem Jahr 2016 plant das Land an einem neuen Hochwasserschutz für Windehausen. Die ersten Gespräche dazu soll es bereits im Jahr 2008 gegeben haben. Das erklärten Vertreter des Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) auf einem Vor-Ort-Termin Ende Januar. Doch das Weihnachtshochwasser kam dem zuvor. Das Jahrhunderthochwasser war schneller als die Behörde.
Für die Menschen in Windehausen kommt der geplante Schutz zu spät. Trotzdem will das TLUBN laut aktueller Planung etwa drei Millionen Euro in den zukünftigen Hochwasserschutz investieren. An zwei Standorten sollen neue Deiche auf 1,2 Kilometern Länge errichtet werden. Eine 150 Meter lange Mauer ist ebenfalls geplant. An mehreren Stellen soll das Gelände aufwändig umgestaltet werden, um zukünftige Wassermassen umzuleiten. Doch die Pläne des Landes sorgen für Unmut.
Streit um Wassergräben und Pumpen
Ortsteilbürgermeister Matthias Echtermeyer kritisiert die Pläne. Diese konzentrierten sich zu stark auf die Bereiche außerhalb von Windehausen. Doch auch innerhalb des Ortes seien Schutzmaßnahmen notwendig. "Windehausen steht auf Kiesboden. Bei so einem Untergrund wird trotz neuer Deiche bei einem weiteren Hochwasser Grundwasser von unten in den Ort drücken", sagt Echtermeyer.
Echtermeyer fordert von der Behörde deshalb auch, die Gräben in Windehausen zu sanieren. Diese seien in der Vergangenheit angelegt worden, um steigendes Grundwasser zügig aus dem Ort zu befördern. Über die Jahrzehnte verschlammten die Gräben, wurden verengt oder wuchsen zu. Deshalb sollten die kleinen Kanäle ebenfalls saniert werden.
Doch dagegen verwehrt sich das TLUBN und verweist auf eigene Berechnungen. Die neuen Deiche hätten eine größere Distanz zum Ort. Damit würde im Falle eines Hochwassers der Druck auf den Ort sinken und das Grundwasser in Zukunft weniger steigen. Deshalb sei es unnötig die Gräben zu erneuern. Hinzu komme das Problem mit der Zuständigkeit. Das TLUBN sei nur für Gewässer erster Ordnung, wie Flüsse, verantwortlich. Für kleinere Gräben seien Kommunen oder Verbände zuständig.
Auch Heringens Bürgermeister Matthias Marquardt sieht das TLUBN-Konzept kritisch: "Ich wünsche mir, dass der Hochwasserschutz in Windehausen ganzheitlicher gedacht wird, gerade nach der jüngsten Katastrophe. Da gehören die Gräben mit dazu. Wir als Kommune haben wenig finanziellen Spielraum, den innerörtlichen Hochwasser selbst umzusetzen", so Marquardt.
Auch um Pumpen wird gestritten. Die Landesbehörde will der Kommune mobile Pumpen zur Verfügung stellen. Diese könnten steigendes Grundwasser schneller aus dem Ort befördern. Außerdem hätten mobile Pumpen den Vorteil, dass sie auch in Nachbarorten eingesetzt werden können. Durch die neuen Deichanlage wäre bei einem weiteren Hochwasser ausreichend Zeit, die Geräte zu installieren.
Das Wasser kam wahnsinnig schnell. Die Straßen waren dicht.
Doch die Erfahrung des Weihnachts-Hochwassers spreche gegen mobile Geräte, kritisiert Marquardt. "Das Wasser kam wahnsinnig schnell. Die Straßen waren dicht. Die Menschen waren mit ihrem Hab und Gut beschäftigt. Selbst die Feuerwehr hatte kaum Zeit, um mobile Geräte zu installieren. Wir brauchen mindestens eine fest installierte Pumpe im Ort, die per Knopfdruck anspringt“, so Marquardt.
Das TLUBN hat die Einwände bei dem Vor-Ort-Termin Ende Januar protokolliert. Auf eine Einigung besteht zumindest weiter Hoffnung. Denn die Hochwasserplanungen sind noch lange nicht abgeschlossen.
MDR (rom)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Fazit | 25. Februar 2024 | 18:00 Uhr
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