Dumme Jahre DNT 4 min
Die Innenansicht einer Familie zwischen DDR und Nachwende – das bietet die Erstinszenierung von "Dumme Jahre". Bildrechte: Candy Welz
4 min

Am Deutschen Nationaltheater in Weimar feiert am Freitag "Dumme Jahre" Premiere. Das Stück handelt von der DDR und Wendezeit, erzählt die Geschichte aber aus der Perspektive einer Familie. Mehr von Marlene Drexler:

MDR KULTUR - Das Radio Do 03.10.2024 13:10Uhr 03:45 min

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Deutsches Nationaltheater Weimar: „Dumme Jahre“ erzählt von Brüchen in den Biografien Ostdeutscher

04. Oktober 2024, 15:05 Uhr

Ein Paar erlebt Aufstieg und Fall der DDR und stellt sich am Ende die Frage: Habe ich wirklich das Beste aus allem gemacht? Das Deutsche Nationaltheater Weimar greift in "Dumme Jahre" Diskussionen über Fehler und vertane Chancen in der Wende- und Nachwendezeit aus der Perspektive individueller Biografien auf. Den Text des zeitgenössischen Dramatikers Thomas Freyer hat Tilmann Köhler inszeniert. Beide verbindet eine langjährige Arbeitsbeziehung.

Als Tilmann Köhler vor fast 20 Jahren direkt von der Berliner Ernst Busch-Schule ans Deutsche Nationaltheater kam, wurde er zum Shootingstar. Das Haus übernahm sogar seine Diplom-Inszenierung in den eigenen Spielplan. Heute arbeitet Köhler als freier Regisseur an wechselnden Theater- und Opernhäusern.

Tilmann Köhler
Regisseur Tilmann Köhler will mit "Dumme Jahre" Licht auf die Transformationen werfen, die viele Ostdeutsche erlebt haben. Bildrechte: IMAGO / tagesspiegel

Noch während seines Erst-Engagements in Weimar inszenierte Tilmann Köhler sein erstes Stück von Thomas Freyer. Die beiden kennen sich schon aus Jugendzeiten. Aufgewachsen in Gera haben sie dort als Heranwachsende zusammen Theater gemacht. Später landeten beide in Berlin: Köhler zog es zum Studium der Regie an die Ernst Busch-Schule, während Freyer Szenisches Schreiben an der Universität der Künste studierte.

Texte, die auf die Bühne gehören

Das künstlerische Interesse aneinander ist nie abgerissen. Bis heute sind viele gemeinsame Arbeiten an verschiedenen Häusern entstanden. Die biografischen Schnittpunkte, vor allem das Aufwachsen in der ostdeutschen Nachwendezeit, spielten dabei immer wieder eine Rolle.

Dumme Jahre DNT
Das Politische schwingt bei "Dumme Jahre" stets mit, steht aber selten im Vordergrund. Bildrechte: Candy Welz

Gleichzeitig haben Thomas Freyers Texte für Tilmann Köhler stilistisch einen besonderen Reiz: "Seine Sprache ist sehr rhythmisch. Das sind Texte, die gesprochen werden müssen, die auf die Bühne gehören". In "Dumme Jahre" wechseln sich kurze Szenen mit Monologen ab, die in Versform geschrieben sind und auf dem Papier fast schon an Gedichte erinnern.

Der Umgang mit Umbrüchen

Im Zentrum der Handlung steht Regine. Eine Frau, die in der Nachkriegszeit geboren wurde und so die erste Hälfte ihrer Biografie in der DDR erlebt. Sie lernt ihren Mann Wolfang kennen, gründet eine Familie, fasst beruflich Fuß. Dann kommt die Wende, die das Paar mittendrin zu einem Neustart zwingt.

Für Regisseur Tilmann Köhler geht es in "Dumme Jahre" nicht vordergründig darum, DDR-Geschichte zu erzählen: "Für mich geht es um die vielfältigen Transformationen, die diese Generation erlebt hat. Die DDR ist ein Teil davon, aber genauso bedeutsam ist all das, was danach passierte. Der ganze Weg bis ins Jetzt".

Für mich geht es um die vielfältigen Transformationen, die diese Generation erlebt hat.

Tilmann Köhler, Regisseur

Sprünge durchs Leben

Das Stück spannt den Bogen über ein gesamtes Familienleben. Die gealterte Regine lässt die Jahre Revue passieren. Erzählt wird jedoch nicht chronologisch: Die Jahre springen wild durcheinander. Orientierung gibt dem Zuschauer eine große digitale Jahresanzeige auf einer sonst kargen Bühne, die als intimes Herzstück des Privaten, ein Wohn- und Esszimmer skizziert.

Dumme Jahre DNT
Das Zentrum der Bühne: Am heimischen Esstisch wird gestritten über Brüche, Transformationen, Umwälzungen. Bildrechte: Candy Welz

Der Text bleibt subtil, nimmt keine politischen Bewertungen vor. Und auch Regisseur Tilmann Köhler interessiert sich vor allem für Regines Innenschau, ihr Hadern, das sich in der Frage ergießt: "Habe ich wirklich das Beste aus allem gemacht?" Eine Frage, die im Übrigen auch für ganz andere Biografien anschlussfähig ist.

Abend regt zur Versöhnung mit der eigenen Biografie an

Die Suche nach Antworten führt nicht in die zerstörerische Selbstanklage. Vielmehr kann der Abend zu einem versöhnlichen Blick auf die eigene Biografie anregen – ohne den Einzelnen von seiner Verantwortung pauschal frei zu sprechen.

Deutsches Nationaltheater Weimar
Das Deutsche Nationaltheater in Weimar. Bildrechte: Thomas Müller

Für Regisseur Tilmann Köhler bleibt auch die Erkenntnis: "Rückwirkend lässt sich immer schnell urteilen über eine gewisse Zeit. Vergessen wird dabei oft, wie stark das eigene Handeln auch geprägt wird von der jeweiligen Zeit, in die wir geworfen sind."

Mehr Informationen:

"Dumme Jahre"

Premiere am 4.10. um 19:30

Weitere Termine
11. Oktober 2024 – 19:30
15. November 2024 – 19:30
2. November2024 – 19:30
24. November 2024 – 19:30

Adresse
Deutsches Nationaltheater
Theaterplatz 2
99423 Weimar

Mehr Informationen zum Stück finden Sie hier.

Redaktionelle Bearbeitung: tis

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. Oktober 2024 | 13:10 Uhr

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