Mary-Ellen Witzmann, ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt 4 min
Mary-Ellen Witzmann spricht erstmals über ihre Kündigung als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt. Mehr im Audio von Blanka Weber. Bildrechte: picture alliance/dpa | Marie-Helen Frech
4 min

Die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt, Mary-Ellen Witzmann, spricht erstmals über ihre Entlassung. Gemeinsam mit ihrem Anwalt hat sie Blanka Weber zum Gespräch getroffen.

MDR KULTUR - Das Radio Fr 31.01.2025 08:10Uhr 04:04 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/erfurt/audio-mary-ellen-witzmann-kuendigung-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Exklusiv Mary-Ellen Witzmann äußert sich zum Theaterstreit Erfurt

31. Januar 2025, 04:00 Uhr

Von einem auf den anderen Tag hat Mary Ellen-Witzmann ihren Job als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt verloren. Sie hatte mutmaßlichen Machtmissbrauch am Theater Erfurt öffentlich gemacht und war daraufhin fristlos entlassen worden. Die Stadt hat den Posten inzwischen neu besetzt. Gegen ihre Kündigung hat Witzmann Klage eingereicht. Bei MDR KULTUR spricht sie erstmals öffentlich über ihre Kündigung, den Druck davor und die schwierige Zeit danach.

Vorsichtig muss sie ihre Worte wählen, schließlich ist es ein laufendes Verfahren vor Gericht. Das mache es ihr schwierig, verstanden zu werden, sagt Mary-Ellen Witzmann. Beim Interview mit MDR KULTUR ist auch ihr Anwalt anwesend. Er unterstützt sie bei der Beantwortung der Fragen.

Witzmann ist vor knapp anderthalb Jahren als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt fristlos entlassen worden. Bis heute scheiden sich die Geister: Hat sie damals richtig gehandelt oder nicht? War es rechtmäßig?

Witzmann bringt Erfurter Theaterstreit ins Rollen

Im Herbst 2023 hatte Witzmann mutmaßlichen Machtmissbrauch am Theater Erfurt öffentlich gemacht. Nur wenige Tage später kündigte ihr die Stadt fristlos. Sie erinnert sich noch genau an den Moment, als sie von ihrer Kündigung erfuhr: "Die ersten Gedanken waren schon schockierend für mich: Ich bin der Täter." Ein Satz, der Witzmann nur schwer über die Lippen kommt. Es war der erste Gedanke, als das Büro verschlossen, ihr Zugang zu Laptop und Arbeitsstelle quasi versperrt war.

Die ersten Gedanken waren schon schockierend für mich: Ich bin der Täter.

Mary-Ellen Witzmann

Die Frage, "wie gefährlich ist es, bestimmte Dinge in Bewegung zu setzen" oder ob man es lieber lässt, stelle sich ihr heute, sagt Witzmann. Manche Menschen, auch jene aus ihrem früheren Arbeitsumfeld, würden die Straßenseite wechseln, nur um einem Gespräch mit ihr aus dem Weg zu gehen.

Andere hingegen würden sie unterstützen, berichtet die 42-Jährige. Viele Menschen würden nachfragen, was aus ihr geworden sei. Eine Petition, die ihre sofortige Rückkehr als Gleichstellungsbeauftragte fordert, hat bislang 1.600 Unterschriften bekommen. Stadträtinnen wie Laura Wahl (Grüne) und Tina Morgenroth (Fraktion Mehrwertstadt) bemühen sich, dass der Fall Witzmann nicht aus den Augen der Öffentlichkeit gerät. Heute sagen einige, ohne Mary-Ellen Witzmann wären die Vorkommnisse am Theater Erfurt nie öffentlich geworden. Die Stadtspitze widerspricht und sieht bei sich selbst kein Fehlverhalten. 

Die ehemalige Erfurter Gleichstellungsbeauftragte Mary-Ellen Witzmann.
Mary-Ellen Witzmann ist von ihrem ehemaligen Arbeitgeber, der Stadt Erfurt, enttäuscht. Bildrechte: Privat

Arbeitsgericht Erfurt behandelt Fall

Mehrere Personen, die mutmaßlich Übergriffe von Theater-Mitarbeitern erlebt haben sollen, sprachen mit Witzmann, berichtet sie. Sie taten dies auch in der Hoffnung, dass sich etwas ändern würde. Laut Mary-Ellen Witzmann geschah das aber nicht, daraufhin machte sie die Vorwürfe öffentlich.

Ihre Aussagen gegenüber einem Zeitungsjournalisten brachten die Lawine rund um den Erfurter Theaterskandal ins Rollen. Der Lokaljournalist, der darüber in der Thüringer Allgemeinen schrieb, erhielt vertrauliche Informationen von Betroffenen, um sich abzusichern, veröffentlichte jedoch keinerlei Details – die Fälle blieben anonym.

Fest steht: Gutachten belegen heute die Verfehlungen, von denen Witzmann damals nur einen Teil ahnte und öffentlich machte. Intendant Guy Montavon wurde von seinen Aufgaben freigestellt. Witzmann hingegen wurde viel früher beurlaubt und gekündigt. Sie beharrte damals darauf, viele Details derer, die zuvor im Vertrauen mit ihr sprachen, nicht an Vorgesetzte zu geben und berief sich darauf, dass diese Aussagen vertraulich waren. 

Der Vorwurf der Stadtspitze lautete dann: Witzmann habe damals die Fälle des mutmaßlichen Machtmissbrauchs am Theater Erfurt öffentlich gemacht, ohne ausreichend ihre Vorgesetzten zu informieren. Die Details der Zuständigkeiten und inwieweit Witzmanns Vorgehen vom Thüringer Gleichstellungsgesetz gedeckt war, klärt derzeit das Erfurter Arbeitsgericht.

Mary-Ellen Witzmann, ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt, sitzt im Arbeitsgericht Erfurt neben ihrem Anwalt Markus Golz.
Mary-Ellen Witzmann mit ihrem Anwalt Markus Golz im Erfurter Arbeitsgericht. Bildrechte: picture alliance/dpa | Marie-Helen Frech

Witzmann sagt heute: "Enttäuscht und unwahrscheinlich herausgefordert hat mich diese Dynamik." Nicht nur sie, auch andere hätten unter Druck gestanden – sich zu solidarisieren oder zu überlegen, welche "Folgen oder Konsequenzen" dies haben kann. Viele Menschen aus ihrem einstigen Umfeld habe sie verloren, andere hingegen seien dazu gekommen.

Unterdessen sind viele Versprechungen – teils hinter den Kulissen, teils davor – ins Leere gelaufen: Ein Vergleich scheiterte, eine Rückkehr in die Erfurter Stadtverwaltung kam durch ein Veto des Personalrates nicht zustande. Inzwischen hat die Stadt den Posten der Gleichstellungsbeauftragten neu besetzt.

Witzmann hofft auf Aufarbeitung am Theater Erfurt

Ob sie alles noch einmal so machen würde? Mary-Ellen Witzmann überlegt kurz und nickt. Sie habe durch viele Gespräche mit Kulturakteuren gelernt, wie wichtig dieses Thema trotz aller Widerstände sei – nicht nur, wenn es um Machtmissbrauch an Theatern gehe. Sie verstehe es als ihre Pflicht, Betroffene nicht wegzuschicken. "Das wäre ein Stück Unterlassung. Oder es würde sich so anfühlen, als wüsste ich das, aber ich tue nichts." Das könne nicht der Sinn des Amtes einer Gleichstellungsbeauftragten sein.

"Navigieren, vermitteln, moderieren. Immer wieder bestimmte Impulse geben", so beschreibt Witzmann ihr Verständnis im Umgang mit Konflikten und Menschen, die sich ungerecht behandelt fühlten und deshalb an sie wenden konnten. Elf Jahre lang sei das in ihren verschiedenen Positionen im Gleichstellungsbereich der Stadt Erfurt so gewesen.

Derzeit geht es in der öffentlichen Debatte vor allem um die Rechtsstreitigkeiten rund um den Theaterstreit. Witzmann wünscht sich, dass in Erfurt "die eigentlichen Fälle des mutmaßlichen Machtmissbrauchs nicht aus den Augen verloren werden." Und, auch "dass sich wirklich etwas ändert." Sie hoffe, dass man das als Chance sieht und "diese Tür, die ich jetzt für einen ziemlich harten Preis ein Stück weit geöffnet habe, nicht zuschlägt, dass man noch durchgehen kann, sie auch weiter öffnen kann", so Witzmann. Im April könnte es am Arbeitsgericht Erfurt ein Urteil in ihrem Fall geben.

Quellen: MDR KULTUR (Blanka Weber)
Redaktionlle Bearbeitung: lig, bh

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 31. Januar 2025 | 08:10 Uhr

Mehr aus der Region Erfurt - Arnstadt

Mehr aus Thüringen