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Streit Vorwurf Transfeindlichkeit: Neue Erfurter Gleichstellungsbeauftragte erntet Kritik
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19. Februar 2025, 18:33 Uhr
Mit der neuen Gleichstellungsbeauftragten Susette Schubert sollte in Erfurt endlich Ruhe um das Amt einkehren. Doch weil sich Schubert privat gegen Transpersonen engagiert, ist die Personalie heftig umstritten. Schubert selbst beharrt auf der Trennung von Privatem und Beruf.
Susette Schubert hat einen wichtigen neuen Job. Sie soll als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Erfurt darauf hinarbeiten, dass Frauen und Männer "in allen Bereichen des öffentlichen Lebens" gleichbehandelt werden. So verlangt es das Thüringer Gleichstellungsgesetz.
Aber das Amt der Gleichstellungsbeauftragten droht zur never ending story zu werden: Zuerst die Entlassung von Schuberts Vorgängerin, Mary-Ellen Witzmann, die 2023 mutmaßlichen Machtmissbrauch und mutmaßliche sexuelle Belästigung am Theater Erfurt öffentlich machte. Witzmann wurde von der Stadt rausgeschmissen - es läuft ein Rechtsstreit. Immer noch ist unklar, wie die Geschichte ausgeht. Parallel dazu kommen jetzt Vorwürfe auf, die die neue Gleichstellungsbeauftragte der Transfeindlichkeit bezichtigen. Schubert selbst, aber auch die Stadtspitze stehen in der Kritik.
Aber der Reihe nach.
Privates Engagement wird Politikum
Susette Schubert hatte zuvor das Gleichstellungs- und Familienbüro an der Universität Erfurt geleitet. Zudem arbeitete sie bis Januar als Ansprechpartnerin beim Ipso Care Center Thüringen jahrelang in der psychosozialen Beratung für geflüchtete Menschen. Ein Engagement, das ihr Respekt einbringt - bis heute. Medine Yilmaz, Vorsitzende des Vereins "Frauen für den Nahen Osten", sagt über Schubert: "Ich bin sehr froh über ihre Arbeit. Sie hat in den vergangenen Jahren vielen migrantischen Menschen geholfen."
In den Fokus rückt jetzt aber ein anderes Engagement: Denn Schubert ist stellvertretende Vorsitzende beim Verein Frauenheldinnen. Es ist eine feministische Plattform unter anderem "heterosexueller und lesbischer Frauen", die sich für die Rechte und Freiheiten von Frauen einsetzt und für Pluralismus eintritt. Gleichzeitig sind die Mitglieder "für die Beibehaltung eines Geschlechtsbegriffs, der an die unveränderliche biologische Binarität anknüpft".
Verein schießt gegen Rechte von Transpersonen
Folgt man der Selbstbeschreibung, scheinen Transpersonen in der Weltsicht des Vereins keinen Platz zu haben. Außerdem schossen die Frauenheldinnen in der Vergangenheit gegen das neue Selbstbestimmungsgesetz. Seit vergangenem Herbst können Transpersonen damit den eigenen Geschlechtseintrag relativ einfach verändern. Die Feministinnen argumentieren, dass Männer - quasi getarnt als Transfrauen - dank des Gesetzes ohne große Hürden eine Gefahr für Frauen und Mädchen in deren Schutzräumen darstellen könnten. In Umkleideräumen beispielsweise. Warum der Verein Transpersonen als Gefahr darstellt, wollte der Verein Frauenheldinnen nicht beantworten - eine Anfrage des MDR blieb unbeantwortet.
Darum geht es beim Selbstbestimmungsgesetz:
Das Selbstbestimmungsgesetz soll es transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen sowie nicht-binären Menschen ermöglichen, ihren korrekten Geschlechtseintrag im Personenstandsregister durch eine Erklärung beim Standesamt zu erhalten - ohne psychiatrische Gutachten und langwierige Gerichtsverfahren.
Um das Geschlecht auf dem Ausweis zu ändern, muss man bislang beim örtlichen Amtsgericht einen Antrag stellen. Dem Gericht müssen dann zwei psychiatrische Gutachten vorgelegt werden.
Schuberts Vereinskollegin tritt auch bei Nius auf
Öffentlich trat Schuberts Kollegin und Vorstandschefin Eva Engelken in der Vergangenheit jedoch äußerst scharf in ihrem Tonfall auf. Das rechtspopulistische Onlinemagazin "Nius" widmete ihr einen ganzen Artikel: Das "Unsichtbarmachen der Frau" nennt sie darin in einem Atemzug mit einer "gescheiterten Migrationspolitik". Und in einem Artikel für das "Frauenheldinnen Magazin" "analysiert" Engelken die Frage: "Genderidentitätstheorie und fundamentalistischer Islam - doppeltes Leid für Frauen?"
Das Portal von Ex-"Bild"-Chef Julian Reichelt war in der Vergangenheit selbst transfeindlich aufgefallen. In einem Bericht bezeichnete "Nius" vergangenes Jahr eine Trans-Frau als Mann - ein "Angriff auf ihre Menschenwürde" urteilte ein Gericht.
Trans-Vertretung spricht von "transfeindlichem" Narrativ
Felizia Möhle ist Transfrau und unter anderem Vorsitzende des Vereins Queerweg Thüringen. Die Argumente der Frauenheldinnen seien "transfeindlich", sagt die Erfurter Aktivistin, "da sie die rechtliche Gleichstellung von Transgeschlechtlichen nicht gesellschaftlich umsetzen möchten. Das entspricht einer Herabwürdigung, indem man sagt, dass Transpersonen als solche überhaupt nicht existieren." Die damit einhergehende Stigmatisierung und die Angst vor Transpersonen, so kritisiert es Felizia Möhle, ignoriere, dass Transpersonen oftmals selbst Opfer seien.
Der Verein Frauenheldinnen, sagt sie außerdem, "schreibt davon, dass Mädchen von queeren Vereinen wie uns dazu gedrängt werden sollen, irgendwelche Hormonbehandlungen zu machen. Das stimmt einfach nicht." Ohnehin, so Möhle, sind die Aussichten für Transpersonen nicht einfach. "Die CDU hat angekündigt, das Selbstbestimmungsgesetz zum Teil rückgängig zu machen." Gibt es dann auch in einer Stadt wie Erfurt keine Anlaufstelle, an die sich Transpersonen richten können, „ist das eben hochproblematisch", mahnt Möhle.
Sie wundert sich, inwieweit Schuberts Engagement bei der Stellenbesetzung eine Rolle gespielt hat.
Dazu sehen wir keinen Anlass
Die Stadt Erfurt um Oberbürgermeister Andreas Horn wischt diese Verwunderung beiseite und sieht keinen Handlungsbedarf. "Dazu sehen wir keinen Anlass", heißt es schriftlich. "Frau Schubert hat sich auf eine öffentliche Ausschreibung beworben und sich im Zuge der Bestenauslese durchgesetzt."
Erfurt steht bundesweit im Fokus
Aus der Ferne beobachten Susettes Schuberts Kolleginnen das Geschehen in Erfurt. Marie-Luise Löffler ist Bundessprecherin der der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen. Allein wegen des Falls Witzmann sei Erfurt im Fokus. Die Entlassung Witzmanns durch die Stadtverwaltung wegen der Veröffentlichung mutmaßlicher Übergriffe am Theater "hat eine hohe Signalwirkung für andere Gleichstellungsbeauftragte in ganz Deutschland".
Das wirft natürlich Fragen auf
Auf die Situation rund um Susette Schubert sagt die BAG-Sprecherin: "Es geht hier um ein Engagement im privaten Bereich einer einzelnen Kollegin und wirft natürlich Fragen auf, wie sich ihr privates Engagement auf ihr Amt und ihre Haltung gegenüber Transpersonen - und insbesondere auch Transfrauen - auswirkt."
Stadträte machen Druck
In die Diskussion mischen sich mittlerweile auch Mitglieder des Erfurter Stadtrats ein. "Es gab seit der Besetzung von Frau Schubert keinen Tag, an dem wir nicht darauf angesprochen wurden", sagt zum Beispiel Stadträtin Tina Morgenroth von Mehrwertstadt. Die Fraktion ist deshalb an Oberbürgermeister Horn herangetreten - mit dem Hinweis, wie heikel die Besetzung sei.
Deutlicher werden die Grünen: "Wir halten die Vereinstätigkeit für unvereinbar mit der Stelle der Gleichstellungsbeauftragten", teilten sie dem MDR mit. Die Grünen legen der Stadtverwaltung deshalb nah, "der Gleichstellungsbeauftragen zum Ruhenlassen der Vereinstätigkeit zu raten." Nur so könne es das nötige Vertrauen bei Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung oder Bewerbern auf kommunale Stellen geben. Am Mittwoch schickte die Fraktion außerdem einen offenen Brief an die Gleichstellungsbeauftragte, in dem sie sich "höchst irritiert" zeigte und um Aufklärung bat.
Die Linke kündigte an, Susette Schubert im Sozialausschuss im März zu den Vorwürfen konfrontieren zu wollen.
Schubert: "Kritik ist mir persönlich noch nicht begegnet"
Der MDR hätte gerne mit Susette Schubert über die Vereinbarkeit von neuem Amt und dem Frauenheldinnen-Engagement gesprochen. Eine Zusage für ein Interview zog die Stadt Erfurt aber Ende letzter Woche zurück. Stattdessen antwortet die neue Gleichstellungsbeauftragte schriftlich und sieht keinen Handlungsbedarf. Kritik sei ihr seit Amtsantritt nicht begegnet.
Das trenne ich
"Meine berufliche Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte hat mit meinem privaten gesellschaftlichen Engagement nichts zu tun, das trenne ich." Als Privatperson sei es ihr wichtig, sich sozialpolitisch zu engagieren. "Dabei lag mir das Thema der Frauenrechte schon immer am Herzen. Als Frau und als ehemalige alleinerziehende Mutter weiß ich um die Schwierigkeiten, denen Frauen und Mütter auch heute häufig begegnen und ich fände es schade, wenn sich in diesen Fragen kein offener Diskurs mehr bieten würde."
Misstrauen? "Dafür gibt es keinen Grund"
Ob sie nachvollziehen könne, wenn Transpersonen aufgrund des privaten Engagements kein Vertrauen in sie haben? "Dafür gibt es keinen Grund", so Susette Schubert.
Ihre Verteidigungslinie: "Da ich selbst lesbisch bin, ist mir die Sicherheit und Unversehrtheit von Menschen, die nicht heteronormativ sind, besonders wichtig. Das schließt auch Menschen ein, die sich als trans oder nonbinär bezeichnen. Es gibt spezialisierte Angebote für diese Gruppen, die es auch zukünftig geben sollte und die ich im Rahmen der Verweisberatung natürlich empfehle." Wer sie kennenlernen wolle, "wird schnell merken, dass ich jedem offen und diskriminierungsfrei begegne."
Transpersonen finden in Gesetzen kaum statt
Die Frage, wie glaubhaft die neue Gleichstellungsbeauftragte für Transpersonen einsteht, ist auch deshalb so relevant, weil ihre Belange auf rechtlicher Ebene bisher kaum aufgegriffen werden. In deutschen Gesetzen finden sich Transpersonen selten erwähnt - das Selbstbestimmungsgesetz ist bislang eine Ausnahme. Auch das Thüringer Gleichstellungsgesetz spricht lediglich von "Mann" und "Frau". "Andere Geschlechter werden da oft nicht mitgedacht", sagt Transfrau Möhle.
Für die BAG - die Vereinigung der deutschen Gleichstellungsbeauftragten - ist das eigene Selbstverständnis klar: "Wir stehen für Frauen in ihrer Vielfalt", so Bundessprecherin Marie-Luise Löffler. "Das bedeutet, dass wir intersektional alle Gruppen von Frauen einbeziehen. Also Frauen mit Migrationsgeschichte, geflüchtete Frauen Frauen mit Behinderung, aber durchaus auch queere Frauen* und Transfrauen."
Transfrau Möhle will mit dem Queerweg Thüringen weiter für die Rechte von Transpersonen kämpfen. Parallel zu dieser Recherche hat die Stadt Erfurt ein Gespräch zwischen dem Verein Queerweg und der Gleichstellungsbeauftragten arrangiert. Möhle hat persönlich große Hoffnung - "dass wir im Dialog mit der Stadt eine gute Lösung im Sinne aller queerer Menschen finden können".
MDR (dst)
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